Spoiler
- Bewegung kann die Lebenserwartung steigern, indem sie das Risiko von chronischen Erkrankungen wie Diabetes oder Krebs senkt.
- Frauen haben ein höheres Risiko für Osteoporose, also Knochenschwund. Sie sollten deshalb frühzeitig mit Gewichttraining anfangen.
- Sportarten, bei denen der gesamte Körper genutzt und auch die Kondition trainiert wird, gelten als besonders vorteilhaft. Dazu gehören Schwimmen, Fahrradfahren oder Tai-Chi.
Mindestens 150 Minuten Bewegung bei moderater oder 75 Minuten bei hoher Intensität verbunden mit zweimal Krafttraining pro Woche empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie das Bundesamt für Sport (BASPO). Das klingt nach wenig, doch für viele Menschen ist es gar nicht so einfach, Sport in ihren Alltag einzubauen. Dabei hat körperliche Aktivität zahlreiche Vorteile für die Gesundheit, Bewegung kann sogar die Lebenserwartung steigern. «Körperliche Aktivität kräftigt beispielsweise das Herz-Kreislauf-System oder regt den Stoffwechsel an. Das Trainieren mit Gewicht hilft beim Muskelaufbau und stärkt die Knochen. Dadurch sinkt das Risiko für Osteoporose oder Muskelschwund. Das Immunsystem profitiert ebenfalls von körperlicher Aktivität. Die Gefahr von chronischen Erkrankungen wie Diabetes oder von Krebs sinkt, wenn der Körper regelmässig bewegt wird», so Prof. Dr. Claudio Nigg vom Institut für Sportwissenschaft an der Universität Bern.
Zudem gibt es Studien, die zeigen, dass Bewegung die mentale Gesundheit fördert, indem sie Stress abbaut, die Stimmung hebt und das Wohlbefinden steigert. «Körperliche Aktivität wirkt bei Depressionen und Angststörungen ähnlich gut wie Medikamente», weiss Prof. Nigg.
Und das Beste? Von den positiven Vorzügen von Bewegung auf die Lebenserwartung können auch noch über 90-Jährige profitieren. Es ist also nie zu spät, ein aktiveres Leben zu führen.
Welche Sportart verlängert das Leben?
«Es gibt nicht die eine Sportart, die das Leben mit Sicherheit verlängert und vor Krankheiten schützt. Als besonders effektiv haben sich jedoch Sportarten erwiesen, bei denen der ganze Körper aktiv wird und sowohl die Muskulatur als auch die Ausdauer trainiert werden», erklärt Prof. Nigg, der selbst gerne Eishockey spielt. Dazu gehören Schwimmen, Tanzen, Fahrradfahren, Aqua-Fitness, Tai-Chi oder Yoga. «Wenn die Aktivität auch noch in der Natur ausgeführt wird, ist das sozusagen die Kirsche auf der Sahnetorte – die natürlich zucker- und fettfrei ist», scherzt der Experte.
Er rät allerdings davon, sich stur an Empfehlungen zu halten. «Viel wichtiger für die Gesundheitsförderung ist der Spass an der Bewegung. Auch beim Gärtnern, Spazieren oder Wandern wird der Körper aktiv. Und wer eine Sache mit Freude angeht, bleibt eher langfristig dabei», so der Experte für Sportwissenschaft.
Als Beispiel nennt Prof. Nigg das Smartphone-Spiel Pokémon Go. Als das interaktive Spiel im Sommer 2016 veröffentlicht wurde, machten sich Tausende Menschen auf der ganzen Welt auf die Suche nach Pokémons, tierartige Fantasiewesen basierend auf der gleichnamigen Anime-Serie. Die Pokémons werden mit GPS geortet und dann am Handy eingefangen. Die Spielerinnen und Spieler laufen allein oder in Gruppen in der realen Welt herum, um Pokémons zu finden oder zu tauschen. Das Spiel motivierte Menschen unabhängig von Kultur und Alter zu mehr Bewegung.
Sitzen ist das neue Rauchen
Sitzen kann zu Herz-Kreislauf-Erkrankung und Diabetes führen. Für den Rücken, den Nacken und die Schultern ist es ebenso wenig gesund. Und auch die Psyche leidet unter dem Dauersitzen. Sitzen ist ein unabhängiger Risikofaktor. Das heisst, dass die negativen Folgen des Sitzens nicht allein auf die fehlende Bewegung zurückzuführen sind. Somit kann ein sitzend verbrachter Tag nicht durch Sport am Abend ausgeglichen werden.
Prof. Nigg rät, das Sitzen immer nach maximal zwei Stunden zu unterbrechen und einen kleinen Spaziergang einzulegen. Neben einem ergonomisch eingerichteten Arbeitsplatz sorgt ein höhenverstellbarer Tisch, ein Laufband unter dem Tisch oder das Sitzen auf einem Gymnastikball für Abwechslung. Meetings können auch mal im Stehen abgehalten werden, Spaziergänge eignen sich zur Ideenfindung.
Unterschiedliche Empfehlungen für Frauen und Männer
Frauen haben ein höheres Risiko, an Osteoporose zu erkranken. Dabei handelt es sich um eine Krankheit, bei der im gesamten Skelett Knochensubstanz abgebaut wird. Die Knochen werden porös und instabil und können bereits bei geringer Belastung brechen. «Schon in Teenager-Jahren können Frauen durch Bewegung einem späteren Abbau entgegenwirken. In mittleren Jahren helfen Gewichts- und Belastungstraining, um Osteoporose vorzubeugen oder sie zu verzögern», so der Experte.
Während und nach der Schwangerschaft sollten Frauen aktiv bleiben. Die WHO empfiehlt Schwangeren und Müttern, sich mehr zu bewegen – sofern dies von der Gynäkologin oder dem Gynäkologen als unbedenklich angesehen wird.
Durch die körperliche Aktivität wird beispielsweise die Milchproduktion angeregt.
Motivation für Sportmuffel
«Es bringt nichts, Menschen, die sich nicht viel bewegen und keinen Sport treiben, eines Besseren belehren zu wollen. Um zu verstehen, welche Rolle die körperliche Aktivität in ihrem Leben spielen könnte, rate ich ihnen, eine Liste mit Lebenszielen für die nächsten zehn Jahre zu erstellen und sich dann zu überlegen, ob ihre heutige Fitness auch in zehn Jahren noch ausreichend ist, um die Ziele zu erreichen», beschreibt der Experte.
Wer seine Kraft und Ausdauer steigern möchte, muss nicht unbedingt dreimal pro Woche joggen gehen. Auch alltägliche Bewegung kann die Lebenserwartung steigern. Es sind kleine Entscheidungen, die über ein aktives Leben bestimmen: eine Busstation früher aussteigen, die Treppe nehmen, beim Zähneputzen auf- und ab wippen.
Mit Bewegung die Lebenserwartung steigern – auch für Ältere
Älteren Menschen empfiehlt Prof. Nigg, langsam mit der Aktivitätssteigerung anzufangen und vor allem auf ihren Körper zu hören. Ob staubsaugen, abwaschen, gärtnern oder spazieren: Jede Bewegung zählt. Übungen mit dem eigenen Körpergewicht fördern den Muskelaufbau und können zum Schutz vor Stürzen beispielsweise an einem Treppengeländer ausgeübt werden.
Neben Bewegung steigern auch soziale Kontakte die Lebenserwartung. Diese zwei Faktoren lassen sich einfach kombinieren. Etwa durch intergenerationelle Aktivitäten wie einem Familienspaziergang oder einem Spielplatzbesuch mit Kindern und Enkelkindern.