Zahlreiche Untersuchungen konnten Mikroplastik bereits in verschiedenen Organen des Körpers nachweisen. Betroffen sind etwa die Lunge oder die Plazenta. Ein Team aus Forscherinnen und Forschern rund um Prof. Dr. med. Raffaele Marfella der Universität Luigi Vanvitelli in Italien beschreibt in einer kürzlich erschienen Studie, dass sie Mikro- und Nanoplastik auch in Ablagerungen in der Halsschlagader, den sogenannten Plaques, gefunden haben.
Selbstgemachte Plastikkrise
In einem begleitenden Editorial zur Studie verweist Prof. Dr. med. Philip J. Landrigan auf die herrschende Plastikkrise. Wurden im Jahr 1950 weltweit noch weniger als zwei Millionen Tonnen Kunststoff produziert, betrifft die heutige Menge zirka 400 Millionen Tonnen. Die Zahl werde sich bis 2060 vermutlich verdreifachen. Laut Landrigan machen Einwegartikel 40 Prozent der derzeitigen Produktion aus. Die daraus entstehenden Anhäufungen von Kunststoffabfällen verfallen mit der Zeit zu Mikroplastik, das in den Körper gelangen kann.
Über die Hälfte weisen Mikroplastik im Körper nach
Für die Studie wurden Personen untersucht, bei denen Ablagerungen in der Halsschlagader operativ entfernt werden mussten. Die Halsschlagader verläuft auf beiden Seiten des Halses und versorgt das Gehirn mit Blut.
Von den 257 untersuchten Patienten wies mehr als die Hälfte (58 Prozent) Mikro- und Nanoplastik in den Ablagerungen auf. Es handelte sich vor allem um Polyethylen, das bei allen Betroffenen gefunden wurde, sowie um Polyvinyl, das bei 31 Patienten vorkam. Das sind zwei der am häufigsten verwendeten Plastikarten weltweit.
Mehr Infos zu Polyethylen und Polyvinylchlorid
Polyethylen wird vor allem für Verpackungen, Folien, Rohre und Plastiksäcke eingesetzt.
Polyvinylchlorid ist sehr vielfältig und kommt sowohl in Bodenbelägen, Schuhsohlen, Abdichtungen, Schläuchen oder im medizinischen Bereich zur Anwendung.
Mikroplastik im Körper: mehr Schlaganfälle und Herzinfarkte?
Das Team fand während der Nachbeobachtungszeit heraus, dass das Vorhandensein von Mikro- und Nanoplastik mit einem höheren Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen einherging. Betroffene mit Mikroplastik in den Ablagerungen hatten ein 4,5-fach höheres Risiko in 34 Monaten nach der Operation zur Entfernung der Plaques einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden oder gar zu versterben als jene, bei denen kein Mikroplastik gefunden wurde.
Zusätzlich zu dem gesteigerten Risiko für kardiovaskuläre Vorfälle stellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei den Personen mit Mikroplastik erhöhte Entzündungswerte fest. Bei Versuchen mit Mäusen setzte verabreichtes Mikroplastik Entzündungsproteine frei. Bei den Tieren kam es beispielsweise zu akuten Leberentzündungen.
Allerdings betonten die Forscherinnen und Forscher, dass die Studie nicht beweist, dass Mikroplastik Herzinfarkte und Schlaganfälle verursacht, sondern nur, dass es einen möglichen Zusammenhang gibt.
Sie deuten darauf hin, dass alle Beteiligten der Studie weitere Risikofaktoren für kardiovaskuläre Ereignisse aufwiesen. Dazu zählen Rauchen, hohe Cholesterinwerte, Diabetes sowie Herz- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Ob die Resultate der Untersuchung deshalb auch für eine breite Allgemeinbevölkerung gelten, könne somit nicht eindeutig beurteilt werden.