Demenz: Ursachen, Symptome und Behandlung

Das Leiden ist nicht heilbar – aber das Leben von Betroffenen kann verbessert werden

Mann auf Bank

Spoiler

  • Sterben eine grosse Zahl Nervenzellen im Gehirn ab, kann eine Demenzerkrankung auftreten. Sie äussert sich entsprechend der betroffenen Hirnregion zum Beispiel mit Vergesslichkeit, Sprach- oder Wahrnehmungsstörungen, Reizbarkeit oder einem veränderten Sozialverhalten.
  • Demenz ist nicht heilbar. Therapeutisch kann die Lebensqualität jedoch über einen gewissen Zeitraum deutlich verbessert werden.
  • Noch immer ist das Bewusstsein für die Folgen der Demenzerkrankung nicht ausreichend: Etwa ein Drittel der Betroffenen wird nicht diagnostiziert.

In der Schweiz leiden etwa 150 000 Menschen unter Demenz. Bis 2040 wird sich ihre Zahl aufgrund der demografischen Entwicklung voraussichtlich verdoppeln. Die volkswirtschaftlichen Kosten belaufen sich schon heute jährlich auf etwa 9,7 Milliarden Franken.

Diese Kosten entstehen zum Grossteil durch die häusliche Pflege und Betreuung durch Angehörige: Demenz ist eine Krankheit, die nicht nur die Erkrankten, sondern auch ihr familiäres Umfeld zu Betroffenen macht.

Krankheit mit vielen Ursachen

«Demenz ist eine neurodegenerative Erkrankung, bei der Hirnzellen verloren gehen, die für eine bestimmte Hirnleistung notwendig sind», erklärt Dr. med. Hans Pihan, Facharzt für Neurologie und Chefarzt Neurologie am Spitalzentrum Biel.

Der Abbau von Hirngewebe kann viele Ursachen haben: Bei der vaskulären Demenz sorgen Durchblutungsstörungen für das Zellsterben. Diabetiker und Menschen mit Bluthochdruck sind hierbei besonders gefährdet. Eine Durchblutungsstörung im Gehirn kann aber auch durch einen Schlaganfall verursacht werden.

Demenz und Parkinson

Demenz kann ebenfalls in Zusammenhang mit Parkinson oder infolge anderer Erkrankungen, welche die Hirnfunktion beinträchtigen, auftreten. Hierzu gehören Kopfverletzungen oder Tumore im Gehirn, Multiple Sklerose, Alkoholismus und schwere Stoffwechselstörungen.

Die Gründe für die Entstehung der häufigsten Ausprägung der Demenz – der sogenannten Alzheimer-Krankheit – sind jedoch weiterhin unbekannt. Auch bei selteneren Formen wie der Lewy-Körper-Demenz oder der Pick-Krankheit konnte die Ursache für das Absterben der Nervenstrukturen bislang nicht sicher eruiert werden.

Das sind die Risikofaktoren

Umso klarer können die Risikofaktoren benannt werden. «Der entscheidendste Faktor für die Demenz ist das Alter», weiss Dr. Pihan.

Neben einer genetischen Veranlagung, systemischen Erkrankungen wie Bluthochdruck, hohes Cholesterin sowie Gefässerkrankungen wie Arteriosklerose kommt auch Lifestyle-Faktoren eine gewisse Bedeutung zu. «Die Schulbildung, die körperliche und geistige Aktivität und die gesellschaftliche Integration beeinflussen das Risiko für Demenz», so der Neurologe. «Diese Faktoren wirken vor allem in Kombination.»

Erste Anzeichen von Demenz

Eine Demenz kann sich zu Beginn auf verschiedene Weise äussern. «Die Frühformen dieser Krankheit bewegen sich zwischen den Polen Vergesslichkeit und Änderung des Sozialverhaltens», erklärt Dr. Pihan. «In vielen Fällen steht die Abnahme der Gedächtnisleistung im Vordergrund, in anderen dominiert weniger die Vergesslichkeit, dafür treten Charakterveränderungen oder Sprachstörungen auf.»

Wirkt der Betroffene reizbarer als gewohnt, leidet er unter Schlafstörungen und zieht sich sozial zurück, wird häufig eine Altersdepression als Ursache vermutet. Dr. Pihan mahnt hier zu einem grösseren Problembewusstsein: «Es ist anzunehmen, dass etwa ein Drittel der Betroffenen noch nicht ärztlich abgeklärt wurden und dementsprechend noch keine Behandlung erhalten.»

Diagnose durch Ausschlussverfahren

Die Diagnose der Demenz erfolgt über eine genaue Dokumentation der Beschwerdeentwicklung, durch die Messung der geistigen Leistungsfähigkeit in neuropsychologischen Tests und über bildgebende Verfahren, die einen etwaigen Abbauprozess im Hirn sichtbar machen. Daneben werden mögliche andere Ursachen wie eine Schilddrüsenunterfunktion oder ein Tumor ausgeschlossen.

«Wichtig ist, dass bei der Abklärung die Betreuungspersonen des Patienten einbezogen werden», meint Dr. Pihan. «Sie stellen Veränderungen im Verhalten eher fest als der Betroffene selbst.»

Behandlungsziel: eine bessere Lebensqualität

Die Behandlung von Demenz zielt auf eine Verbesserung der Lebensqualität. Bestimmte Medikamente, sogenannte Antidementiva, stimulieren die Reizübertragung der Hirnzellen in bestimmten Regionen und steigern so die Konzentrationsfähigkeit. Andere wirken eher beruhigend. Leider ist auf medikamentösem Weg keine Verbesserung der Gedächtnisleistung selbst zu erzielen.

Daneben gilt es, das soziale Umfeld der Betroffenen zu sensibilisieren und bei der Organisation des Alltags zu unterstützen, denn Demenzerkrankte benötigen eine intensive Fürsorge. Hierbei hilft insbesondere eine psychologische Beratung. «Die Angehörigen erfahren die Bedeutung, die das Gedächtnis für die Planung des Alltagslebens hat. Das Verhalten der Betroffenen ist vielmehr Ausdruck eines Nicht-Könnens als eines Nicht-Wollens oder gar einer absichtlichen Verweigerung.»

Therapie vor grossen Herausforderungen

Bislang kann Demenz nicht geheilt werden. Die therapeutischen Massnahmen beeinflussen die Krankheitsdauer nicht. Im Spätstadium kann auch die Lebensqualität der Betroffenen kaum mehr verbessert werden.

Die überwiegend hochbetagten Patienten stellen die behandelnden Mediziner vor grosse Herausforderungen. «Ältere Menschen nehmen häufig viele verschiedene Medikamente gegen ganz unterschiedliche Krankheiten und Beschwerden ein», weiss Dr. Pihan aus Erfahrung. «Ob Antidementiva vertragen werden können und einen Nutzen bringen, muss im Einzelfall beurteilt werden. Auch lohnt es, die anderen eingenommenen Medikamente auf mögliche Nebenwirkungen bezüglich Konzentration und Gedächtnis zu überprüfen.»

Fokus auf Früherkennung der Demenz

Und mehr noch: «Das Management der Begleiterkrankungen und der Risikofaktoren ist sehr aufwendig. Der Nutzen einer Massnahme muss individuell abgeschätzt werden. Mobilität beispielsweise regt die Hirnleistung an. Es ist gar nicht so einfach, einen Hochbetagten – der vielleicht noch Gelenkbeschwerden hat – dazu zu bringen, sich regelmässig zu bewegen.»

Trotzdem ist der Neurologe zuversichtlich. «Das Bewusstsein für Demenzerkrankungen hat in der Gesellschaft zugenommen. Die Hemmungen, sich daraufhin untersuchen zu lassen, nehmen ab. Dadurch können die Diagnose frühzeitiger gestellt und die Behandlung entsprechend früher aufgenommen werden.»

Und wie steht es um die Heilung? «Alles ist offen», meint Dr. Pihan mit Blick auf die aktuelle Forschung.

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