Yoga bei Krebs

Wie sanfte Bewegungen und tiefe Entspannung die Nebenwirkungen lindern

Yoga bei Krebs: Nahaufnahme von einer Frau in Yogapose
Frau Gähwiler, was weiss man heute über die Wirkung von Yoga bei Krebs?

Die Auswertung von mehr als 100 empirischen Studien zeigt, dass Yoga insbesondere gegen Fatigue hilft und die Lebensqualität sowie die psychischen Symptome wie Depression, Angst und Stress verbessert. Man weiss zudem, wie wichtig Bewegung und Entspannung während der Krebstherapie sind. Yoga kombiniert beides und ist somit enorm unterstützend. Natürlich kann Yoga den Krebs nicht heilen, aber es ist enorm wirksam im Nebenwirkungsmanagement.

Kann denn jemand, dem es schlecht geht, Yoga praktizieren?

Ja, das ist das Schöne daran. Man kann Yoga in allen Phasen der Krebstherapie praktizieren. Im Fall sogar vom Krankenhausbett aus in Form von Atemübungen, die gut tun. Es geht hier ja nicht um den Kopfstand oder schweisstreibende Flows. Sondern eher um sanftes, stärkendes Yoga, dehnende Yin-Übungen und ruhige Bewegungen in Kombination mit tiefer Atmung. Um Techniken, die Stress abbauen, der durch die Diagnose und die Therapien zwangsläufig entsteht. In einem Kurs für Yoga bei Krebs geht die Kursleiterin von einem geschwächten Körper aus. Betroffene lernen etwa, wie bestimmte Lagewechsel wieder gut funktionieren und welche Hilfsmittel sie benutzen können. Bei Brustkrebs gibt es Techniken, die das Lymphödem lindern. Meditation und Konzentration verhelfen Betroffenen zu mehr mentaler Stärke während dieser Zeit. 

Du hast bereits Yoga praktiziert, als du selbst eine Krebsdiagnose erhieltst. Wie war das und wie hast du Yoga vor dem Hintergrund deiner eigenen Erkrankung anders erlebt? 

Ich hatte 2015 einen schwarzen Hautkrebs, der wurde operiert und die Lymphknoten am Hals entfernt. Zwei Jahre später bekam ich dann die Diagnose Brustkrebs. Diese Diagnose war sehr viel einschneidender. Zum einen wegen der Identifikation als Frau mit der Brust, zum anderen wegen der verschiedenen Therapien, die viele Nebenwirkungen mit sich brachten. Als ich mich körperlich und mental wieder bereit fühlte, habe ich eine Yogaausbildung gemacht, eigentlich nur für mich, um wieder in Balance zu kommen. In dem Prozess habe ich gemerkt, wie gut mir das tut und in mir ist der Wunsch aufgekeimt, weiterzugeben, wie sehr Yoga im Umgang mit der Erkrankung helfen kann. Yoga war für mich früher ein Wohlfühl-Workout und hat sich durch meine Krankheit zu einer Art Therapie entwickelt, von der ich vorher nicht wusste, dass ich sie brauche.

Welche Nebenwirkungen waren für dich am belastendsten?

Belastend ist die Anhäufung verschiedener Nebenwirkungen, die vielen kleinen Tropfen, die irgendwann das Fass zum Überlaufen bringen. Ich hatte zwei OPs, Chemo, Bestrahlung und eine Antihormontherapie. Während der Chemo habe ich einen Crosstrainer genutzt, weil man weiss, dass Bewegung wichtig ist, um die Nebenwirkungen im Zaum zu halten und um das Risiko eines Rezidivs zu reduzieren. Während der Bestrahlung war ich so erschöpft, da ging neben meinem Job gar nichts. Diese Therapien betreffen einen eher kurzen Zeitraum, aber die Antihormontherapie dauert zirka fünf Jahre, in denen Nebenwirkungen wie Gelenkschmerzen und psychische Symptome zum Dauerzustand werden. Man wird künstlich in die Wechseljahre versetzt, was unter anderem Schlafstörungen und Hitzewallungen verursacht. Ich stand in dieser Zeit total neben mir. Ich hatte nicht mehr das Gefühl, ich selbst zu sein. Das zusammen mit dem Schlafmangel, der andauernden Erschöpfung und den Gelenkschmerzen, waren schlimm für mich. Ich habe zu meinem Arzt gesagt: «Lieber noch einmal Chemo als nochmal fünf Jahre Antihormontherapie». In dieser Zeit habe ich an einem speziellen Kurs für Yoga bei Krebs teilgenommen, der mir sehr geholfen hat. 

Wie hat das Yoga dir geholfen?

Auf vielen Ebenen. Durch die OPs und die Bestrahlung hatte ich Verspannungen und Bewegungseinschränkungen, meine Faszien wurden sehr fest und unelastisch. Durch das Yoga – das Dehnen, die Durchblutung und die Bewegung, hat sich all das verbessert. Es hat mir körperlich gutgetan, aber auch emotional. Das Yoga war wie ein Wohlfühl- und Loslassraum in dieser Zeit. Ich wurde entspannter und der Alltag wieder leichter.

Wie finden Betroffene einen speziellen Kurs für Yoga bei Krebs?

Ich empfehle, nach einem für Krebs ausgebildeten Yogalehrer zu suchen. Es gibt Websites (siehe Kasten unten), über die man solche finden kann. Zudem bieten viele Krankenhäuser Kurse an, dort kann man suchen oder bei Zentren für Komplementärmedizin. 

Können Betroffene auch in normale Yogakurse gehen?

Natürlich, aber es ist nicht das Gleiche. Ich empfehle eher, sich einen Yoga bei Krebs-Kurs zu suchen, weil der zielgerichtet während der Krebstherapie unterstützt. Ausserdem ist der Austausch mit den anderen zu ihrer Krebserfahrung sehr hilfreich. Wem es gut geht, der kann natürlich auch in normale Klassen gehen. Jeder muss da auf seinen Körper hören und sich am besten einen Lehrer mit Erfahrung suchen und mit diesem auf jeden Fall ein Gespräch über die individuelle Situation führen. 

Vielen Dank für das Gespräch!

Mehr von Josephine Gähwiler unter www.jogawellbeing.ch.

Angebote und Infos für Betroffene

www.yoga-und-krebs.de

Betroffene finden Kurse, Blogbeiträge und wissenschaftliche Informationen aus Studien zu Yoga und Krebs.

www.yogabeikrebs.ch

Hier findest du Yogalehrer in der Schweiz, die sich auf Krebs spezialisiert haben. Du kannst über die Lehrer direkt Kurse in deiner Nähe finden. Die Seite gibt zudem einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand zu Yoga und Krebs.

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