Sepsis: Symptome einer Blutvergiftung rasch erkennen

Auf Zeichen achten und Leben retten

Sepsis Symptome:Feuerwerk leuchtet in intensiven Rottönen, Funken regnen vor einem nachtschwarzen Himmel herab.

Spoiler

  • Bei einer Sepsis handelt es sich um einen medizinischen Notfall. In der Schweiz treten pro Jahr zirka 20'000 Fälle auf – 3'500 Betroffene sterben daran.
  • Eine Sepsis macht keine typischen Symptome, an welchen man sie direkt erkennen kann. Ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl, Verwirrtheit, schneller Herzschlag und der Schwindel beim Aufstehen können Anzeichen sein.
  • Häufig tritt eine Blutvergiftung im Rahmen einer Infektion, beispielsweise einer Lungen- oder Nierenentzündung, auf. Um die Krankheitserreger zu bekämpfen, aktiviert der Körper sein Immunsystem. Bei einer Sepsis ist diese Reaktion fehlreguliert und die Abwehrkräfte greifen die eigenen Organe an.

Bei einer Sepsis handelt es sich um eine Überreaktion des Körpers: «Im Zuge einer Infektion durch Bakterien, Viren oder seltener durch Pilze kann die Antwort des Immunsystems überschiessen. Die Immunreaktion ist nicht mehr auf den Ort der Infektion beschränkt, sondern versetzt den gesamten Körper in eine Art Abwehrkampf», erklärt Prof. Hänggi. Dabei wird auch körpereigenes Gewebe angegriffen. Ohne Behandlung kann es zu einem lebensgefährlichen septischen Schock kommen, der häufig zum Versagen mehrerer Organe führen kann. Um dies zu verhindern, ist es wichtig, die Symptome einer Sepsis frühzeitig zu erkennen.

Häufige Ursachen

«Zu den häufigsten Ursachen bei zuvor gesunden Erwachsenen gehören Lungenentzündungen, Infektionen der Nieren und den ableitenden Harnwegen sowie Entzündungen, die vom Magen-Darm-Trakt ausgehen», so Prof. Hänggi. Bei Personen, die sich bereits im Spital befinden, gibt es zusätzliche Risikofaktoren wie Infektionen durch Katheter. Zudem geraten häufig Bakterien ins Blut, ohne dass man genau weiss, wie sie dorthin gelangt sind. 

Nicht jede Infektion führt zu einer Sepsis

Glücklicherweise tritt eine Blutvergiftung nicht nach jeder Infektion auf. «Eine Bindehautentzündung am Auge wird praktisch nie eine Sepsis verursachen. Bei einem geplatzten Blinddarm hingegen verteilen sich viele Bakterien im Bauchraum und erreichen das Blut. Daraus entwickeln sich mit grosser Wahrscheinlichkeit eine Sepsis und ein septischer Schock», sagt der Intensivmediziner. Er betont, dass darüber hinaus die Aggressivität der Keime und der Allgemeinzustand der Patienten Faktoren seien, die entscheiden, ob sich eine Blutvergiftung einstellt oder nicht. «Menschen mit einer Abwehrschwäche aufgrund einer chronischen Erkrankung oder weil sie wegen einer Transplantation Immunsuppressiva einnehmen müssen, können Infektionen viel schlechter unter Kontrolle bringen», erläutert der Arzt.

Erhöhtes Risiko

Zu den Menschen mit einem höheren Risiko für eine Sepsis zählen Personen mit:

  • einem geschwächten Immunsystem (Früh- und Neugeborene, ältere Menschen),
  • einer angeborenen Schwäche des Immunsystems,
  • einer erworbenen Schwäche des Immunsystems (beispielsweise unbehandelte, HIV-Infektionen oder Erkrankungen des Blutes wie Leukämien),
  • einem transplantierten Organ oder einer bestimmten Autoimmunerkrankung, die immunschwächende Medikamente einnehmen müssen.

Auch bei Menschen mit Diabetes und fehlender Milz ist die Gefahr erhöht.

Diese Symptome deuten auf eine Sepsis hin

Eine Sepsis zu erkennen ist schwierig, da es nicht ein oder mehrere klassische Symptome gibt, die ein sicheres Zeichen für eine Blutvergiftung sind. Relativ typisch sind Verwirrtheit und ein schneller Herzschlag. Auch ein sehr starkes, grippeähnliches Krankheitsgefühl gilt als Hinweis. Daneben kann es zu einer bläulichen Hautfarbe oder zu sogenannten Synkopen, also der kurzzeitige Verlust des Bewusstseins, kommen.

«Ein septischer Schock ist gekennzeichnet durch eine eindeutige Infektquelle, dazu Fieber, Kreislaufversagen, niedriger Blutdruck und Nierenversagen. Infektzeichen, die im Labor ausgewertet werden, deuten ebenfalls auf eine Blutvergiftung hin», sagt der Intensivmediziner. 

Schwieriger wird die Diagnose jedoch, wenn unklar ist, ob Patienten überhaupt eine Infektion haben, oder wenn sie anstatt Fieber eine niedrige Temperatur aufweisen.

So ist es nicht verwunderlich, dass viele Blutvergiftungen im Anfangsstadium übersehen werden. «Allerdings hat auch ein Viertel aller Personen, die mit Verdacht auf Sepsis in die Intensivstation aufgenommen werden, eine andere Diagnose», weiss Prof. Hänggi.

Besteht der Verdacht auf Sepsis sollte umgehend ein Arzt oder eine Notfallstation aufgesucht werden. Wenn ein Transport nicht möglich ist, kann die Ambulanz gerufen werden.

Der viel zitierte rote Strich – ein klassisches Sepsis-Symptom?

Der Irrglaube, dass eine rote Linie am Unterarm bei Sepsis ein eindeutiges Symptom sei, ist weit verbreitet. Laut Prof. Hänggi zeigt sie lediglich an, dass sich der Infekt an den Lymphgefässen entlang ausbreitet und nicht mehr nur am ursprünglichen Ort an der Hand oder den Fingern lokalisiert ist.

Insgesamt ist diese Erscheinung jedoch selten, denn die meisten Sepsisherde treten in der Lunge, den Nieren, den Harnwegen oder im Magen-Darm-Trakt auf.

Behandlung mit Antibiotika

Eine Sepsis ist ein medizinischer Notfall und muss umgehend behandelt werden. Dabei ist das Timing entscheidend: «Es gilt zu verhindern, dass aus einer Sepsis ein Schock mit Multiorganversagen wird», so Prof. Hänggi. Die Behandlung richtet sich nach der Ursache, besteht jedoch in der Regel in einer Therapie mit Antibiotika. Steckt hinter der Infektion beispielsweise ein geplatzter Blinddarm, ist ein chirurgischer Eingriff notwendig.

Langfristige Auswirkungen

Wie bei vielen Patienten, die auf der Intensivstation behandelt werden müssen, können sich im Zuge einer Sepsis verschiedene Folgekrankheiten entwickeln. Dazu gehört etwa die posttraumatische Belastungsstörung. «Durch das lange Liegen kann es auch zu einer Schwächung der Muskeln und der dazugehörigen Nerven kommen. Zudem kann die Lungenfunktion beeinträchtigt sein», weiss der Arzt. Vorher gesunde Patienten haben in der Regel ein schnelleres Erholungspotenzial.

Das Risiko einer Sepsis minimieren

Die Gefahr, eine Blutvergiftung zu entwickeln, lässt sich gemäss Prof. Hänggi nur bedingt minimieren: «Wer sich aber allgemein fit hält, hat im Falle einer Infektion mehr Reserven.» Zu einem gesunden Lifestyle gehören ausreichend Bewegung sowie der Verzicht auf Nikotin, zu viel Alkohol und andere toxische Produkte.

«Diabetiker sollten gut eingestellt sein, Menschen mit Bluthochdruck versuchen, diesen zu senken», rät der Mediziner weiter. Im Spitalalltag sollte täglich kontrolliert werden, ob Patienten ihre Katheter noch benötigen. «Zudem sollte überprüft werden, ob eine allfällige antibiotische Therapie nicht länger als unbedingt notwendig läuft, um das Mikrobiom nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen», empfiehlt Prof. Hänggi.

Aktionsplan gegen Sepsis

In der Schweiz wurde 2022 der Schweizerische nationale Aktionsplan gegen Sepsis ins Leben gerufen. Dies nachdem aus dem Europäischen Sepsis-Bericht des Jahres 2021 hervorgegangen ist, dass die Schweiz eine neue Sepsis-Resolution der Weltgesundheitsorganisation (WHO) noch nicht ausreichend umgesetzt hatte.

Ein multidisziplinäres Gremium bestehend aus verschiedenen Experten, darunter auch Überlebende und Angehörige, hat daraufhin einen Aktionsplan ausgearbeitet. Darin wird unter anderem die Einführung einer systematischen Unterstützung für Sepsis-Überlebende und eines nationalen Mindeststandards für die Erkennung, Behandlung und Nachsorge von Sepsis gefordert.

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