Prostatakrebs

Prostatakrebs-Awareness: nur keine Hemmungen!

Warum der Austausch unter Prostatakrebs-Betroffenen wichtig ist

Spoiler

  • Prostatakrebs ist nach wie vor ein Tabuthema, es ist schambehaftet und Männer reden weniger offen über Probleme.
  • Der Austausch untereinander hilft bei Unsicherheiten, bietet Halt und kann die physische wie psychische Belastung reduzieren.
  • Für mehr Prostatakrebs-Awareness ist die Mitarbeit der Betroffenen und die der Fachkräfte gefragt.

«Mein Bruder ist innerhalb von zwei Jahren an Prostatakrebs verstorben. Das hat bei mir die ganze Geschichte in Bewegung gebracht», erinnert sich Winfried Mall an seinen ersten Berührungspunkt mit der Erkrankung. «Wir sind eine Prostatakrebsfamilie: von vier Brüdern hatten vier ein Karzinom, auch ich.» Sensibilisiert durch die Erkrankung seines Bruders hat sich Mall früh in eine Untersuchung begeben. Eine Gruppe, in der er sich hätte austauschen können, gab es zum Zeitpunkt seiner Diagnose noch nicht. «Im Nachhinein betrachtet, hätte mir der Austausch geholfen. Ich hätte mich besser gefühlt, auch besser informiert.»

Experten rufen zu Prostatakrebs-Awareness auf

Auch Fachärzte befürworten einen Austausch von Männern untereinander. Dr. Daniel Engeler weiss: «Prostatakrebs betrifft so viele, es ist die häufigste Krebsart beim Mann in der Schweiz. Wir versuchen, unsere Patienten aufzuklären und zum Austausch zu bewegen. Es kann ihnen nur helfen, eine Zweit- oder sogar Drittmeinung einzuholen. Dafür ist immer Zeit. Und: Wir bekommen in der Sprechstunde mit, dass das Bedürfnis nach Austausch da ist.» Selbsthilfegruppen sind eine der wichtigsten Anlaufstellen. Dort können Erfahrungen und Wissen ausgetauscht werden, Fachpersonen empfohlen und alternative Möglichkeiten aufgezeigt werden.

Die Botschafter

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des myHEALTH Prostatakrebs-Events in St. Gallen im November 2021, an dem folgende Personen beteiligt waren:

PD Dr. med. Aurelius Omlin, Leiter urogenitale Tumore an der Klinik für Medizinische Onkologie am Kantonsspital St. Gallen

PD Dr. med. Daniel Engeler, stellvertretender Chefarzt für Urologie am Kantonsspital St. Gallen

Prof. Dr. Gerd Nagel, Onkologe und Experte für Patient Empowerment

Sarah Stoll, Onkologische Pflegeexpertin und Fachberaterin Cancer Survivorship der Krebsliga Ostschweiz

Winfried Mall, Selbsthilfegruppe Prostatakrebs St. Gallen Appenzell, Betroffener

Ernst Werner, Selbsthilfegruppe Prostatakrebs St. Gallen Appenzell, Betroffener

Halt und Wissen in Selbsthilfegruppen

Ernst Werner von der Selbsthilfe St. Gallen Appenzell sieht in seiner Gruppe noch einen grösseren Auftrag: «Wir möchten Prostatakrebs enttabuisieren! Zu viele Männer – vor allem in der Generation 60+ – haben immer noch Hemmungen, mit anderen über die Erkrankung zu sprechen. Sie sehen sie als Schwäche, schämen sich dafür und fressen alle Sorgen und Probleme in sich hinein. Dabei hat jeder in der Gruppe Erfahrungen gesammelt und kann von denen anderer profitieren. Das kann ungemein beruhigen und Unsicherheit nehmen.»

Welche Probleme eine Erkrankung wie Prostatakrebs neben den körperlichen Beschwerden noch mit sich bringt, wird von vielen Patienten unterschätzt. «Prostatakrebs oder vielmehr der schambehaftete Umgang damit kann zum Beispiel zu grossen Problemen in der Beziehung führen», weiss Sarah Stoll von der Krebsliga Ostschweiz. «Wichtig ist, das Schweigen zu durchbrechen, eben für mehr Prostatakrebs-Awareness zu sorgen. Zu uns kommen auch häufig die Frauen der Betroffenen, denn vor allem das Thema Sexualität und die Herausforderung in der Paarkommunikation betrifft auch sie.» Sexualität, Inkontinenz und Nebenwirkungen der Therapien sind Themen, über die häufig zu wenig gesprochen wird, von Patientenseite wie von Seiten der Fachkräfte. «Mich als Pflegeexpertin geht es etwas an, ich habe einen Menschen vor mir, ich habe einen Auftrag, da muss man es einfach können, auch im ersten Moment scheinbar unangenehme Themen anzusprechen», so Stoll.

Der Weg zur besseren Prostatakrebs-Awareness

Handlungsbedarf ist von beiden Seiten gefragt. Prof. Dr. Gerd Nagel wünscht sich: «Die Selbsthilfe sollte aktiv in die Therapie eingebunden werden.» Andere Länder sind da schon viel weiter als die Schweiz. In Grossbritannien und den USA ist das Netz der spezialisierten Nurses, die die Patienten über die ärztliche Betreuung hinaus fachlich und mental begleiten, sehr gross. Auch Initiativen wie Movember sind im englischen Sprachraum aktiver und tragen einen Grossteil zur Prostatakrebs-Awareness bei. «In der Schweiz geht das Thema langsamer voran. Doch auch hier wird in den Ausbildungskliniken inzwischen ganz anders kommuniziert», so Dr. Engeler. «Der mündige Patient steht im Fokus.»

Es geht nur Hand in Hand: «Betroffene dürfen, sie müssen sogar kritisch sein. Ihrem Arzt gegenüber, dem Gesundheitssystem und der Gesellschaft. Nur so können wir etwas bewegen», sagt Dr. Omlin.

Kein Tabu mehr

Warum es Männern dennoch so schwer fällt? Ernst Werner, selbst auch Betroffener, hat eine Ahnung: «Männer sind lieber mit ihren Problemen allein. Frauen sind da viel offener und kommunikativer, weshalb die Brustkrebs-Awareness auch schon einiges weiter ist als die Prostatakrebs-Awareness. Wir tun unser Möglichstes, dass wir die Männer besser erreichen. So können wir füreinander da sein!»

Hier findest du weitere Informationen über Patienten-Empowerment:

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