Musik und Gesundheit – ein Powerpaar im Alltag

Wer schlau wählt, was er hört, kann glücklicher und gesünder leben

Musik und Gesundheit: junge Frau hört über Kopfhörer Musik und lächelt

Spoiler

  • Automatisch wählen wir nicht immer die Musik, die uns guttut.
  • Strukturierte, instrumentale Musik kann Kindern mit Lernschwierigkeiten helfen.
  • Bei Angststörungen beruhigt Singen in akuten Situationen die Hirnareale, die in Alarmbereitschaft geraten sind.
  • Singen spielt eine wichtige Rolle in der Vorbeugung von Demenzerkrankungen.

Liebes Nervensystem, heute hören wir was Fröhliches

«Unser autonomes Nervensystem wählt aus, welche Musik wir hören», sagt Kristina Neureuther. Das Nervensystem «will etwas spüren». Löst die Musik ein bestimmtes Gefühl aus, das im limbischen System, unserem emotionalen Langzeitgedächtnis, bereits gespeichert ist, springt das Nervensystem darauf an. «Oft fühlen sich etwa Menschen, die an Depression leiden, zu trauriger Musik hingezogen, weil sie mit ihr in Resonanz gehen. Studien zeigen aber, dass fröhliche Musik Depressionen verbessern kann, während traurige die Symptome verstärkt», so Kristina Neureuther. Sie rät, die intuitive Wahl der Musik, die uns tagtäglich begleitet, kritisch unter die Lupe zu nehmen und zu prüfen, welche Gefühle bestimmte Musikstücke wirklich hinterlassen. «Ich empfehle Klienten, sich eine Playlist zu erstellen mit fünf positiven Liedern, und diese zum Beispiel dreimal am Tag zu hören», so die Musikerin.

Musik und Gesundheit: Stress runter, Stimmung rauf

Ob Mitsingen unter der Dusche, auf dem Weg zur Arbeit oder die Playlist, die im Hintergrund läuft: Musik kann das Stresshormon Cortisol reduzieren, den Blutdruck und den Puls senken, die Atmung vertiefen und Muskelverspannungen lösen. Kristina Neureuther rät, den Trend zu mehr bewusstem Leben auch auf das zu beziehen, was wir hören: «Anstatt sich wahllos vom Radio berieseln zu lassen, könnte man etwa auf dem Weg ins Büro die Playlist hören, die einen in die Stimmung versetzt, die gerade guttut. Der eine braucht morgens etwa eine Gute-Laune-Party-Dröhnung, um wach zu werden. Anderen helfen sanfte, positive Klänge. Morgens ist der Cortisolspiegel am höchsten. Mit der richtigen Musik kann dieser abgebaut und Serotonin sowie weitere Glückshormone ausgeschüttet werden. So startet man besser in den Tag.» 

Unkonzentrierte Schüler, grummelige Teenager

Leider lernen Kinder im Musikunterricht nicht, dass sie in der Musik Unterstützung für mentale Probleme finden Können. Kristina Neureuther empfiehlt Familien, leise, ruhige Musik, etwa vom Klavier, in der Küche oder dem Wohnzimmer laufen zu lassen, um nebenbei die Nervensysteme etwas zu beruhigen. Kinder, die besser bei Musik lernen, sollten instrumentale Musik wählen, damit der Fokus nicht auf den Text gelenkt wird. «Bach oder Vivaldi ist sehr strukturierte Musik, die bei Lernschwächen wie AD(H)S unterstützend wirken kann.» Mit Kindern zu singen, sogar schon in der Schwangerschaft, hält die Expertin für eine besonders gute Idee: Neben den positiven Effekten für die Schwangere wird durch die Ausschüttung des Hormons Oxytocin die Bindung zum Kind gestärkt. 

Sie erklärt, wieso die von Jugendlichen automatisch gewählte Musik manchmal kontraproduktiv ist: «Oft werden in Songtexten Alkohol und Drogen als gute Lösungsmöglichkeiten angeboten. Diese Information landet im emotionalen Langzeitgedächtnis: Wenn es mir nicht gut geht, trinke ich eben.» Eltern könnten ihre Kinder bitten, mal eine Playlist mit sechs Lieblingssongs zu erstellen, und dann mal bewusst zu hören, wie viele der Songs ein positives Gefühl hinterlassen. 

«Wer singt, kann nicht gleichzeitig Angst haben»

Bei Angst und Wut erzeugt die Amygdala – der Mandelkern, der Teil unseres limbischen Systems ist – eine Art Hormonunwetter: Stresshormone werden ausgeschüttet, die die negativen Gefühle noch verstärken. «Studien zeigen, dass Singen die Aktivität dieser Hirnareale wieder beruhigt. Singen wirkt daher angstlösend und kann in auslösenden Situationen einfach eingesetzt werden», so Kristina Neureuther. Sie rät ängstlichen Personen, ein Lied zum Mitsingen zu wählen, bei dem der Liedtext den Zustand beschreibt, den sie sich wünschen. «Am besten wirkt das, wenn Texte in der eigenen Muttersprache mitgesungen werden oder leicht verständlich sind.» Singen spielt übrigens auch bei der Prävention von Demenzerkrankungen wie Alzheimer eine wichtige Rolle. Interessant ist, dass auch das Singen im Stillen für Hirnaktivität sorgt, die Gedächtnisleistungen verbessert.  

Gesundheit durch Musik – auch im Team

Die Expertin beschreibt, wie sie Musik in ihren Teamcoachings einsetzt: «Angespannten Menschen, die unter starkem Leistungsdruck stehen, tun etwa schwebende Klavierklänge gut. Für die Teambildung sind musikalische Übungen mit einem Takt hilfreich. Und luftige, kreative Menschen, die Mühe haben, sich zu erden und zu strukturieren, profitieren von Rhythmen – etwa durch Trommeln, Tanzen oder Klatschen. Das geht auch gut zu Hause, wenn keiner zuschaut. Das muss nicht vor dem ganzen Team passieren.» 

Musik während der Mittagspause kann dazu beitragen, dass zum Beispiel das Nachmittagstief ausbleibt. Kristina Neureuther rät, sich eine Pausenplaylist zu erstellen, die an müden Tagen aktiviert und eine weitere, die an stressigen Tagen Entspannung bringt. 

Von Selbstwirksamkeit und Neuroplastizität

Ob wir dran glauben oder nicht: Die positiven Effekte, die Musik auf unsere Gesundheit hat, passieren einfach. «Unser Körper, der zu einem grossen Teil aus Wasser besteht, reagiert auf Schallwellen und Vibrationen. Zudem wirkt Musik auf viele Hirnregionen wie etwa das Limbische System und das Stammhirn. So ist Musik tiefenwirksam, die Effekte gehen über den Körper, auch wenn der Geist sich dagegen wehrt», beschreibt Kristina Neureuther. Sie hilft Klienten zu erlernen, sich selbst durch Musik zu regulieren. «Jeder kann selbst ganz viel tun. Das Erleben von Selbstwirksamkeit führt dazu, dass Menschen ihr Potenzial besser ausschöpfen und für Probleme einfacher Lösungen finden. Je öfter das Nervensystem über Musik in einen regulierten Zustand gebracht wird, desto schneller lernt die Person, dies auch allein (wieder) zu können.» Dank der Neuroplastizität des Gehirns werden diese neuen Fertigkeiten nach und nach gefestigt und automatisiert. Ganz praktisch kann das über die Playlist mit den Liedern passieren, die einem ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Oder dadurch, dass man sich Singen, Tanzen oder Musizieren ins Leben holt. «Ich sage den Leuten immer: Sing mit. Geh raus und erlebe Gemeinschaft mit Musik – ob im Chor oder beim Konzert», verrät Kristina Neureuther.

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