Kaffee nachhaltig geniessen

«Eine transparente Wertschöpfungskette ist für mich der beste Kaufentscheid»

Kaffee nachhaltig: eine Tasse Kaffee steht auf einem Geländer vor einer Herbstlandschaft.
Ramon, du reist in die Länder und kennst eure Kaffeepartner persönlich. 

Ja, wir pflegen langjährige Beziehungen mit unseren Kaffeepartnerinnen und -partnern. Beim Gedanken, Kaffee nachhaltig anzubieten, geht es uns um soziale, ökologische und finanzielle Nachhaltigkeit. Wir suchen eine Farm auch danach aus, ob sie das Mindset hat für Nachhaltigkeit. Ob wir gemeinsam auf etwas Besseres zuarbeiten können. Dabei verstehen wir uns als Plattform für Wissensvermittlung. 

Wie sieht es auf einer Kaffeefarm aus, wenn es gut und nachhaltig läuft, und wie, wenn es schlecht läuft?

Ob es gut läuft, erkenne ich am Lachen im Gesicht der Menschen, die dort tätig sind. Daran, dass sie gern dort arbeiten und vorwärts denken können. Daran, dass Qualität und die Weiterentwicklung der Produktion Themen sind, über die gesprochen wird. Wenn es schlecht läuft, dreht sich alles um den Preis. 

Die Realität sehe ich auch auf den Feldern, wenn wir unsere Hände in den Boden stecken und fühlen, ob er lebt oder nicht. Je grobkörniger die Erde, je mehr Käfer oder Würmer, desto gesünder. Wie gut es auf einer Farm läuft, erkennen wir am Humus.

Kaffee nachhaltig trinken zu wollen, ist so eine Sache. Der Energieaufwand und CO2-Fussabdruck pro Tasse ist aufgrund des Wasserbedarfs und der weiten Transportwege hoch. Hat Kaffee da das gleiche Problem wie Schokolade?

Das ist mit den beiden schon ähnlich. Kakaobohnen und Kaffeebohnen sind beide im Anbau wasserintensiv und die Ursprungsländer nicht in unserer Nähe. Landwirtschaft ist per se eine Belastung für die Umwelt, kann gleichzeitig aber auch die grösste Chance sein, wenn wir sinnvolle Anpassungen machen. Im Gegensatz zum Röstprozess haben die Bäuerinnen und Bauern die Möglichkeit, CO2 in ihren Böden und Bäume zu binden. Gemeinsam mit unseren Partnern müssen wir in diese Richtung arbeiten. Zudem ist eine intelligente Wahl der Verarbeitungsprozesse wichtig. In den Ursprungsländern lösen die Kaffeefarmer die Bohnen aus der Kaffeekirsche. Da gibt es zwei Verfahren, beim einen wird die ganze Kirsche in der Sonne getrocknet und anschliessend das getrocknete Fruchtfleisch von den Bohnen gelöst. Beim anderen wird die Kaffeekirsche mit viel Wasser ausgewaschen. Ob das Herauswaschen in Kolumbien sattfindet, wo es mehr regnet, oder in Tansania, wo es lange sehr trocken ist, spielt eine entscheidende Rolle. 

«Dein Kaffee, den du nächstes Jahr trinkst, wächst heute in Guatemala auf einem Vulkanhügel.»

Was kann ich als Endkonsumentin tun, um meinen Kaffee nachhaltig zu trinken. Etwa wenn ich unterwegs bin und Lust auf Kaffee habe?

Du kannst den Barista fragen, woher der Kaffee kommt, wie er angebaut wird. Bei Cappuccino oder Flat White spielt auch die Milch eine entscheidende Rolle. Der CO2-Impact von Pflanzenmilch ist viel geringer als der von Kuhmilch. Und wenn es Kuhmilch sein soll, kann man erfragen, woher sie kommt, wie weit sie gefahren ist. Und natürlich mit einem wiederverwendbaren Becher kommen. Man kann sich angewöhnen, das Haus nicht ohne ihn zu verlassen. Ich habe regelrecht eine Beziehung zu meinem Becher entwickelt.

Und wenn ich im Geschäft mein Kilo Kaffee für zu Hause kaufe?

Dann sind Labels wie Fairtrade, Bio oder Demeter ein guter Anfang. Die Krux daran ist aber: Dahinter stecken hohe Gebühren und ein administrativer Aufwand. Nicht jede Kleinbauerfamilie hat die Kapazitäten und finanziellen Mittel, sich ein solches Label zu leisten, obwohl sie nachhaltige Landwirtschaft betreiben. Ein solcher Konsumentscheid kann also auch Kleinbauerfamilien vom Markt ausschliessen. Insofern wäre es noch besser, herauszufinden, wer wirklich dahintersteckt. Für mich ist eine transparente Wertschöpfungskette vom Anbieter der beste Konsumentscheid. Na klar haben nicht alle Konsumenten die Zeit und die Ressourcen, jedem Kaffee auf den Grund zu gehen. Deshalb sollten Anbieter das für Kunden transparent machen. 

Was hältst du für die gesündeste Art, Kaffee zu trinken?

Die, die am meisten Freude macht. Kaffee ist ein Genussmittel. Ich finde: Lieber einen Kaffee weniger am Tag trinken, aber der sollte dann richtig gut sein. 

Wo könnte der Prozess von der Ernte bis zur Tasse Kaffee leicht nachhaltig verändert werden? 

Leicht ist es nicht. Aber möglich. Man kann nicht ein Rädchen drehen und die Kette verändert sich in Richtung einer nachhaltigen, schonenden Landwirtschaft. Es ist ein Prozess. Wir müssen dazu auf Konsum verzichten. Wenn wir für Qualität und Nachhaltigkeit zahlen, lösen wir einen positiven Dominoeffekt aus. 

Es müssen Ökosysteme geschaffen werden, die sich selbst regulieren. Um eine Monokultur wieder zu einer Mischkultur zu machen, dauert es im Schnitt zehn Jahre. Unser Ansatz ist, den Menschen vor Ort den Zugang zu Wissen, Mittel, Technologien und finanzielle Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Wenn du den Kaffeebäuerinnen und -bauern ihre Marge wegnimmst, wird das eine negative Auswirkung auf die Böden haben: Denn wenn sie keinen Handlungsspielraum haben, greifen sie schneller zu Hilfsmitteln wie zum Beispiel Pestiziden. Darum finde ich es am wichtigsten, gesamte Wertschöpfungsketten zu stützen und gesunde Ökosysteme zu schaffen. Wir müssen aufhören, uns als Unternehmer als Mittelpunkt zu sehen. Man ist nur so stark wie das schwächste Glied der Kette. 

«Deine Kaufentscheidung hat grossen Einfluss auf ganz viele Menschen»

Kaffee nachhaltig, Kaffee nachhaltig geniessen
Was ist bei euren Bemühungen um Nachhaltigkeit die grösste Herausforderung?

Das Brückenschlagen. Die Customer Education und das Schaffen von Verständnis dafür, dass Kaffee nicht gleich Kaffee ist. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, sein Denken zu ändern, seine Essgewohnheiten oder seine Kaffee-Trinkgewohnheiten, ist schwierig. 

Oft möchten wir Menschen viel, sind aber nicht bereit, etwas aufzugeben. Dafür sind ein Umdenken und das Brechen von festen Strukturen nötig.

Was ist dein persönlicher Antrieb?

Mir ist wichtig, mit dem Gefühl aufzuräumen, wir in den westlichen Ländern müssten den Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in den Ursprungsländern zeigen oder vorschreiben, was sie zu tun haben. Die Menschen vor Ort sind ganz nah dran an der Natur und haben ein enormes Wissen, dass auf ihre Umgebung abgestimmt ist. Es ist viel sinnvoller, ihnen Fragen zu stellen und von ihnen zu lernen. Wir müssen dort nicht hingehen und missionieren. 

Wenn wir den Menschen entlang der gesamten Wertschöpfungskette auf Augenhöhe begegnen und bereit sind, die Risiken mit ihnen zu teilen und faire Preise zu bezahlen, können sie die Angst loswerden, weniger Ernte und somit weniger Erträge durch nachhaltige Veränderungen zu haben. Hierzulande sollten wir uns unserer Privilegien bewusst sein. Deine Kaufentscheidung hat grossen Einfluss auf ganz viele Menschen.

Manche Anbieter werben damit, ihren Kaffee nachhaltig per Segelschiff nach Europa zu holen. Was hältst du davon?

Eine schöne, romantische Vorstellung. Am liebsten wäre ich selbst auf dem Schiff. Aber das ist natürlich auch sehr exklusiv. Ein grosses modernes Frachtschiff hat Platz für ca. 24’000 Container; ein modernes Frachtsegelschiff fasst ca. 3 Container. Man müsste also 8’000 Mal mit dem Segelschiff hin und her segeln, um die gleiche Menge zu transportieren. Wir müssten auf sehr viel Kaffee verzichten. Ohne die Containerschifffahrt schönreden zu wollen: Die CO2-Belastung der Containerschiffe pro Tasse Kaffee ist gar nicht so gross. Wir versuchen aber trotzdem in Kontakt mit unseren Schifffahrtsgesellschaften zu treten und bemühen uns etwa um soziale Nachhaltigkeit in Form von verbesserten Arbeitsbedingungen. Wenn das mehr Unternehmen tun, übt das Druck auf die Schifffahrtsgesellschaften aus, etwas zu verbessern. 

Vielen Dank für das Gespräch!

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