Von tragender Bedeutung: Beckenboden stärken, Problemen vorbeugen

«Praktisch jede Frau braucht Beckenbodentraining, allein schon wegen der Sexualität.»

Beckenboden stärken: drei lachende Frauen

Spoiler

  • Nach Schwangerschaften und Geburten leiden viele Frauen unter einer Beckenbodenschwäche. Die Menopause ist mit ihrer Hormonumstellung eine weitere kritische Zeit.
  • Prostata-Probleme, Übergewicht, Verstopfung oder chronischer Husten können eine Schädigung des Beckenbodens verursachen.
  • Männer können durch Beckenbodentraining ihre Erektionsfähigkeit verbessern und lernen, ihren Orgasmus hinauszuzögern.
  • Ein schwacher Beckenboden kann nicht nur Inkontinenz und Organsenkungen zur Folge haben, sondern auch Rückenschmerzen mitverursachen.

Denn Beckenbodenschwächen und Inkontinenz sind bei Frauen wie Männern weit verbreitet. «Eine Studie aus Norwegen hat gezeigt, dass zehn Prozent der 20- bis 24-jährigen Frauen bereits an einer leichten Urininkontinenz leiden, bei Frauen über 60 sind es bis zu 50 Prozent. Das sind eher noch zu tiefe Werte. Denn sowohl Frauen als auch Männer sprechen oft nicht darüber, selbst nicht mit ihrem Arzt», so Dr. Kieser. Ihr ist es ein Anliegen, mit diesem Tabu zu brechen und Betroffene darüber aufzuklären, wie sie ihren Beckenboden stärken können. Denn so können unangenehme Folgen wie Organsenkungen, Harn- und Stuhlinkontinenz vermieden werden. Frauen sind aufgrund von Schwangerschaften, Geburten und dem Rückgang der Hormonproduktion während der Wechseljahre im Nachteil und häufiger betroffen. Aber auch Männer leiden unter einer Beckenbodenschwäche: Prostata-Erkrankungen, Übergewicht, Verstopfung oder chronische Atemwegserkrankungen sind weitere Faktoren, die der Muskelschicht schaden.

Kleiner Beckenboden Wo-und-wie?

Wenn ein kleines Kind dringend auf die Toilette muss, legt es seine Hand oft automatisch in den Schritt – genau dorthin, wo sich der Beckenboden befindet. Er besteht aus mehreren Muskeln am Boden des Beckens, die zwischen Schambein, Steissbein und Sitzbeinhöckern verspannt sind. Die Öffnungen für Anus, Vagina und Harnröhre bilden ganz natürliche Schwachstellen. «Viele wissen nicht, wo er liegt, und wie man den Beckenboden bewusst ansteuert», so Dr. Kieser. «Dabei muss dieses Ansteuern gelernt sein. Wir haben keinen Reflex, der den Beckenboden automatisch kontrahieren lässt.» Schon allein diese Muskelschicht zu spüren und bewusst zu aktivieren, kann den Beckenboden stärken. Kieser stand jahrzehntelang für effizientes Rückentraining an computergestützten Geräten. Inzwischen können Frauen und Männer in den Studios auch den Beckenboden in wenigen Minuten an einem spezifischen Gerät trainieren und so seine Spannkraft verbessern.

Beckenboden stärken: Werde zum Naturtalent

Wer seinen Beckenboden computergestützt an einer solchen Maschine trainiert, hat den Vorteil, dass die Erfolge messbar sind. Zudem wird das Programm auf den individuellen Beckenboden-Zustand eingestellt. Das motiviert und hilft beim Dranbleiben. Diese Art zu üben, wurde von Osteopathen und Physiotherapeuten entwickelt und wird in verschiedenen Praxen sowie in Kieser Studios angeboten. Wie das praktisch aussieht? Man sitzt – normal bekleidet mit einer Trainingshose – auf einem Sitz mit Sonde und schaut in einen Bildschirm. 

Übende spannen den Beckenboden ein paar Mal so stark wie möglich – so wird die Maximalkraft gemessen und ein individuelles Programm erstellt. Nun kann trainiert werden.

«Gut ist, dass der Beckenboden so selbstverständlich wie der Bizeps öffentlich in einem Studio trainiert werden kann. Es muss keine Sonde in die Vagina eingeführt werden, man muss sich nicht ausziehen», so Dr. Kieser. «Manchmal gibt es Beckenboden-Naturtalente, die kriegen das schnell hin. Andere müssen erst lernen, den Beckenboden wahrzunehmen und anzusteuern, was auch nützlich im Alltag ist: Beim Husten, Niesen oder Heben von Gewichten kann er so besser geschützt werden.»

Muskel für Lust und sexuelle Gesundheit

Den Beckenboden zu stärken heisst nicht nur Kraft aufzubauen. Ebenso geht es um seine bewusste Wahrnehmung und um die Fähigkeit, ihn zu aktivieren und zu entspannen. Durch sein Training gewinnt auch die Sexualität. Eine erektile Dysfunktion etwa wird verbessert, wenn Männer ihren Beckenboden stärken. Ebenso profitieren junge Männer, die zu früh kommen. «Männer, die lernen, den Beckenboden bewusst anzusteuern, können den Blutrückfluss aus dem Penis reduzieren und die Erektion länger halten», weiss Dr. Kieser. «Allein schon wegen der Sexualität rate ich jeder Frau zu Beckenbodentraining. Ich selbst kann bestätigen, dass das Training zu einem Lustgewinn beim Sex führt.»

Beckenbodenfreundlich leben? Von Sport, Tanz und langen Schultagen

Wer kennt sich schon mit dem Beckenboden aus? Und wer spricht gern über die Folgen eines Dammschnitts oder über Probleme, den Urin zu halten? Unsere körperlichen Beschwerden im Intimbereich sind noch immer häufig tabu. Über sie aufzuklären und sie anzugehen stärkt nicht nur den Beckenboden, sondern den gesamten Menschen. «Das Problem beginnt schon früh bei den Kindern. Sie sitzen stundenlang in der Schule und bewegen sich zu wenig. So kann die Muskulatur nicht aufgebaut werden, auch nicht der Beckenboden. In unseren christlich-abendländischen Kultur sind beispielsweise die traditionellen Tänze nicht beckenbodenfreundlich. Ganz im Gegensatz zum orientalischen Bauchtanz oder argentinischen Tango», so Dr. Kieser. Um den Beckenboden zu stärken helfen neben gezielten Übungen auch Sportarten wie Pilates, Yoga oder Langlauf. Ist der Beckenboden bereits schwach, sind Sprungsportarten eher nicht empfehlenswert. Beim Krafttraining, so Dr. Kieser, braucht es eine gute Atemtechnik, um nicht weiteren Druck nach unten auszuüben.

Beckenboden stärken – auch wenn die Inkontinenz schon da ist

Die gefürchteten Folgen eines schwachen Beckenbodens sind ausser Harn- und Stuhlinkontinenz auch Senkungen der Vagina und Gebärmutter, der Blase oder des Rektums. Neben einem Kräftigungs- und Wahrnehmungstraining können Betroffene ihren Beckenboden schützen, indem sie Übergewicht und Verstopfungen vermeiden. «Wer an einer leichten Urininkontinenz leidet, kann diese durch ein Beckenbodentraining verbessern», so die Expertin. Bei einer hochgradigen Inkontinenz hilft manchmal nur noch eine Operation. «So oder so: auch wenn eine Operation erforderlich sein sollte, ist ein kräftiger Beckenboden wichtig und notwendig für ein gutes Resultat.»

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