Vorzeitiger Samenerguss – so what?!

Jeder vierte Mann kommt zu früh, die meisten stört es nicht so sehr

Wasserstrahl aus Schlauch

Spoiler

  • Nahezu jeder dritte Mann kann seine Ejakulation nicht kontrollieren und kommt zu früh.
  • Die Ejaculatio praecox sollte bei entscheidendem Leidensdruck des Mannes medizinisch abgeklärt werden, da sie oft die Folge von organischen oder psychischen Leiden ist.
  • Sensible Nerven oder schwacher Beckenboden: Sexuelle Ausdauer lässt sich trainieren.

Bis zu 30 Prozent der sexuell aktiven Männer leiden unter vorzeitigem Samenerguss – wobei der Leidensdruck mehrheitlich offenbar recht gering ist: Lediglich sechs Prozent der Betroffenen suchen deswegen medizinische Hilfe auf. «Zum einen ist das sicherlich immer noch für viele ein peinliches Thema», so Prof. Dr. Frank Sommer. «Zum anderen haben viele Männer kein Problem damit, früher zu kommen. Wenn der Mann einen befriedigenden Orgasmus hatte – so what?  Wenngleich das sicherlich eine Einstellung ist, die selten offen gegenüber der Partnerin geäussert wird.»

Vorzeitiger Samenerguss: ein Problem mit vielen Ursachen

Der vorzeitige Samenerguss – medizinisch Ejaculatio praecox genannt – ist selten angeboren, vielmehr können verschiedene organische oder psychische Faktoren zu einer verfrühten Ejakulation führen, im Extremfall sogar ante portas, also vor dem Eindringen in die Vagina. Auslöser können eine erektile Dysfunktion, eine Entzündung der Prostata oder eine Stoffwechselstörung sein, die von einer Fehlfunktion der Schilddrüse herrührt. Auch hormonelle Veränderungen, übersensible Nerven im Geschlechtsbereich oder eine zu schwache Potenzmuskulatur können zum vorzeitigen Samenerguss führen.

Daneben gelten psychische Störungen als mögliche Ursachen. «Oft ist das den betroffenen Männern gar nicht bewusst», erklärt Prof. Sommer. «Manchmal steckt einfach die Angst, die Partnerin zu schwängern, hinter einem vorzeitigen Samenerguss ante portas.»

Wie zeitig ist vorzeitig?

Doch wann tritt ein männlicher Orgasmus überhaupt vorzeitig ein? Hier gibt es nur einen groben Richtwert. «Verschiedene Studien zeigen, dass die sogenannte intravaginale Ejakulationslatenzzeit – also die Zeit zwischen dem Eindringen in die Vagina und der Ejakulation – durchschnittlich zwischen einer und drei Minuten liegt», erläutert der Experte. «Wenn ein Mann unter dieser Zeit liegt und deshalb den Sex als nicht befriedigend empfindet, sprechen wir von einem vorzeitigen Samenerguss.»

Um die Ursache für die verfrühte Ejakulation ausfindig zu machen, werden verschiedene Diagnoseverfahren angewandt: In der Regel werden durch eine Biothesiometrie die Nerven und durch eine Elektromyografie (EMG) die Beckenbodenmuskulatur untersucht. Ein spezielles Ultraschall-Verfahren – die sogenannte Doppler-Duplex-Sonografie – gibt Auskunft über den Zustand der vier Penis-Gefässe. Wie es um den Hormonhaushalt steht, verrät ein Bluttest.

Keine schnelle Hilfe für schnelle Männer

Je nach ermittelter Ursache bieten sich verschiedene Methoden an, um einen vorzeitigen Samenerguss zu behandeln. Ist er die Folge einer körperlichen oder psychischen Störung, wird zunächst diese therapiert. «Wenn eine Erektionsstörung dahintersteckt, sollte unbedingt ein Arzt aufgesucht werden», rät Prof. Sommer. «Denn diese könnte von einer kardio-vaskulären Erkrankung verursacht werden, die das Risiko für einen Herzinfarkt erhöht.»

Liegt die Ursache für einen vorzeitigen Samenerguss in einer zu schwachen Beckenbodenmuskulatur, kann ebenfalls Abhilfe geschafft werden. «Die meisten Männer mögen einfache Lösungen, am liebsten ein Medikament, mit dem alles erledigt ist. Aber so einfach ist das nicht. Muskulatur aufzubauen, kostet Zeit», so Prof. Sommer. Der Experte rät zu Sport. «Bewegung ist generell gesund. Das i-Tüpfelchen sind Übungen, die direkt auf eine Stärkung des Beckenbodens abzielen.»

Reagieren die Nerven übermässig sensibel, steht Betroffenen eine Vielzahl von Methoden zur Auswahl, um ihre Ausdauer zu schulen: Das Masturbieren vor dem Sex, die Verwendung von Kondomen oder die Konzentration auf ablenkende Gedanken helfen vielen Männern, länger durchzuhalten. Daneben bieten sich leicht betäubende Gels oder Sprays an, die auf die Eichel aufgetragen werden. Bei der Stopp-Start-Technik wird die Ejakulation beim Masturbieren oder beim Sex durch ein wiederholtes Pausieren hinausgezögert.

Doch bei all diesen Methoden und Übungen ist Geduld gefragt – und die ist offenbar nicht weitverbreitet. «Von den Männern, die zum Arzt kommen und therapeutisch ihre Muskulatur aufbauen, hält nur etwa jeder fünfte das Training für zwölf Monate durch», weiss Prof. Sommer aus Erfahrung. «Der Leidensdruck ist dann scheinbar doch nicht so hoch.»

Facebook
Email
Twitter
LinkedIn