Frau Dr. Mack, was sind Ihrer Meinung nach Gründe, weshalb Männer urologische Vorsorgeangebote seltener wahrnehmen?
Häufig kommen Männer zu uns in die Sprechstunde und sagen, dass der Besuch sie Überwindung gekostet hat. Wenn ich nachfrage, können sie mir oft gar nicht erklären, wieso.
Ich vermute, dass sich viele Männer die Untersuchung als viel unangenehmer vorstellen, als sie eigentlich ist. Für Frauen ist es ganz normal, regelmässig zur Gynäkologin oder zum Gynäkologen zu gehen. Männer kennen urologische Routineuntersuchungen meistens nicht. Hinzukommt, dass das Abtasten der Genitalien schambehaftet ist. Viele kennen den Urologen als denjenigen, der die Prostata über den Enddarm abtastet, deshalb möchte man da nicht hin.
Was hilft, diese Scham oder gar Angst zu überwinden?
Ein viel offener Umgang mit dem Thema. Ein Besuch bei der Urologin oder beim Urologen soll als etwas ganz Normales angesehen werden. Es geht uns nicht darum, die Männer zu quälen. Ich vermute, dass ein Besuch beim Zahnarzt manchmal vielleicht schlimmer sein kann als beim Urologen. Klar, das Abtasten der Prostata über den Enddarm ist unangenehm und komisch, aber es tut meistens nicht weh.
Wir beobachten bereits, dass die offenere Kommunikation bei den jüngeren Generationen viele Dinge vereinfacht. Durch Social Media werden Berührungsängste abgebaut, vieles ist nicht mehr so schambehaftet wie früher. Zu uns kommen auch einige jüngere Männer, die durch das Internet oder die Medien in Kontakt mit urologischen Themen gekommen sind und sich beraten lassen wollen. Auch Männer, die familienbedingt ein grösseres Risiko für urologische Tumoren haben melden sich zur Untersuchung an. Sie wissen «Vorsorge ist besser als Nachsorge».
Wäre denn eine jährliche urologische Kontrolle für Männer angebracht, ähnlich wie bei den Frauen?
Zur Hodenkrebsvorsorge empfehlen wir bereits im Jugendalter die Hoden regelmässig selbst abzutasten. Für die Prostatakrebsvorsorge ist ein Check ab dem fünfzigsten Lebensjahr angeraten. Anschliessend an den Untersuch legt die Urologin oder der Urologe die Intervalle fest, in denen eine neue Abklärung notwendig ist. Diese muss nicht zwingend jedes Jahr stattfinden.
Sind in der Familie Männer von urologischen Tumoren betroffen oder weiss man von vererbbaren Tumorerkrankungen, dann sollte man die erste Untersuchung bereits mit 45 oder gar mit 40 Jahren vornehmen. Und auch da klärt die Ärztin oder der Arzt ab, wann es Zeit wird für die nächste Kontrolle.
Welche anderen Vorsorgeuntersuchungen bei Männern sind wichtig?
Werte wie Bluthochdruck oder Cholesterin werden von der Hausärztin oder vom Hausarzt überprüft und sind für Männer und Frauen gleich entscheidend. Ein genereller Check-up sollte mit der betreuenden Ärztin oder dem betreuenden Arzt abgesprochen werden. Danach kann je nach Befund entschieden werden, wann die nächste Untersuchung fällig ist.