Eine Stimme für die Nieren – denn diese Organe leiden leise

Mehr Awareness zum Weltnierentag beim Lunch-Event

Weltnierentag: Abbildung von zwei Nieren

Warum die Nieren mehr Awareness brauchen

Die Nieren erfüllen viele wichtige Aufgaben im Körper. Sie filtern Säuren und Giftstoffe aus dem Blut, haben Einfluss auf die Wassermenge und den Blutdruck und halten den Salz-, Kalzium- und Phosphat-Haushalt im Gleichgewicht. Verliert das Doppelorgan an Leistungsfähigkeit, treten aber lange keine oder nur unspezifische Beschwerden auf, «denn Nieren leiden leider leise», erläutert Prof. Dr. Olivier Bonny, ein Stiftungsratsmitglied der Schweizerischen Nierenstiftung. Diese Problematik schlägt sich auch in Zahlen nieder: Zehn Prozent der Schweizerinnen und Schweizer leiden an einer Nierenerkrankung, neun von zehn Betroffenen wissen jedoch nichts davon. Deshalb hätten bis zu 30 Prozent der Personen mit einer Nierenkrankheit im höchsten Stadium noch nie einen Nierenfacharzt gesehen. Das läge ganz klar am ungenügenden Screening, da es vor allem an Informationen und Awareness fehlt, auf die der Weltnierentag hinweisen soll. Die Früherkennung sei essenziell, um das Fortschreiten einer chronischen Niereninsuffizienz zu verlangsamen oder sogar ganz zu stoppen. Über einen einfachen Urintest liesse sich eine Funktionseinschränkung frühzeitig bemerken. Gerade Personen mit Diabetes, Bluthochdruck, Zystennieren und Nierenentzündungen sollten auf diesem Weg einmal im Jahr ihre Nierenwerte überprüfen lassen. 

Nierenkrank zu sein, ist teuer

«Knapp 300 Millionen Schweizer Franken kostete die Dialysebehandlung als Nierenersatztherapie im Jahr 2015. Das ist ein beträchtlicher Teil der Gesundheitskosten», so Prof. Bonny. Jedoch trägt nicht nur der Bund enorme Kosten für die überlebenswichtige Dialyse, auch für die Patienten selbst entstehen oftmals hohe Ausgaben. Das zeigt eine Erhebung der Berner Fachhochschule: «Fahren Betroffene selbst mit dem PKW zur Dialyse, entstehen ihnen durchschnittlich Kosten von 5’000 Franken pro Jahr. Benötigen sie einen Transportdienst, sind es eher 10’000 Franken. Zurückerstattet werden ihnen davon lediglich 500 Franken. Bei manchen Erkrankten reicht daher die Rente nicht, um diese Kosten zu decken», berichtet Prof. Dr. Kai-Uwe Schmitt von der Berner Fachhochschule. Für 44 Prozent der Befragten bedeute das eine finanzielle Einschränkung im Alltag. Würden Nierenerkrankungen dagegen rechtzeitig erkannt, sodass keine Ersatztherapien wie die Dialyse notwendig werden, liessen sich für alle grosse Summen einsparen. «Die Transportkosten wurden bei der Gesetzgebung mit den Krankenkassen nicht festgelegt und wir haben bis dato keinen umsetzbaren Vorschlag. Es ist wünschenswert, wenn Akteure wie Sie sich da bewusst einbringen, damit die Gesetze geändert werden können», spricht Dr. Marc Schneider, Abteilungsleiter für Leistungen Krankenversicherung des BAG, die Anwesenden während der Diskussionsrunde direkt an. Dr. Peter Indra, Amtschef des Amts für Gesundheit des Kantons Zürichs, sieht die Lösung an anderer Stelle, denn die Krankenversicherung sei nicht wie eine Vollkaskoversicherung zu verstehen, die immer alle Kosten deckt. Stattdessen sollten Bürger Leistungen angepasst an ihre finanziellen Möglichkeiten bekommen und das sei eher ein Fall für die Sozialversicherung bei den Gemeinden. Neben der Hämodialyse in Dialysezentren gibt es die Option, eine Heimdialyse durchzuführen. Dadurch entfällt die Belastung durch den Transport: «Wir müssten weniger über Kosten sprechen, wenn wir die Heimdialyse stärken. Deren Anteil liegt in der Schweiz lediglich bei 13, in anderen Ländern bei 35 Prozent», erklärt Dr. Falk Schimmann von der CSS. Da diese Bauchfelldialyse ein gewisses Handling benötige, hätten viele Patienten Sorge, etwas falsch zu machen und entschieden sich dagegen. Eine Betroffene aus dem Publikum wirft ein: «Ich bin über 70 und habe die Peritonealdialyse gemacht, weil es mir empfohlen wurde. Nach einer Schulung hat das gut funktioniert.» Die Ermutigung zur Heimdialyse könnte demnach einen Teil der Lösung sein. 

Spannende Diskussion und wichtige Erkenntnisse am Weltnierentag

Dass eine Ersatztherapie dank Früherkennung im besten Fall gar nicht erst notwendig wird, zeigt eindeutig, wie wichtig Prävention ist. Alle Beteiligten möchten hier ansetzen. «Menschen mit einem höheren Risiko sollten sich regelmässig testen. Mehr Personen müssen zum Nieren-Check-up motiviert werden, das kann ich sogar vor Ort in der Praxis machen», wirft Dr. Philippe Luchsinger, Präsident der Haus- und Kinderärzte Schweiz, ein. Daneben können Apotheken ebenfalls die erste Beratung und einen Test übernehmen. Das bewies das erfolgreiche Pilotprojekt der «Zuger Nierenwoche» rund um den Weltnierentag, an der fast alle Apotheken im Kanton teilnahmen, die zahlreiche Kunden zu ihrer Nierengesundheit beraten konnten. «Momentan sponsoren wir das selbst und werden für die Teilnahme an der Testwoche nicht entlohnt. Aber wir sehen, dass man mit solchen Aktionen auf die Thematik aufmerksam machen kann und es sich gut umsetzen lässt. Wir würden gern dazu beitragen, Patienten ganzheitlich zu behandeln», erklärt Dr. Markus Messerli, Apothekeninhaber in Baar und Präsident des Pharmaceutical Care Network Switzerland. Zudem kommt zur Sprache, dass bis 2023 aller Voraussicht nach nicht genügend Konsultationsplätze in Hausarztpraxen zur Verfügung stehen werden, weshalb über die Nierengesundheit hinaus eine Umverteilung notwendig sei, die eine niederschwellige Zugangsmöglichkeit für viele Gesundheitsthemen bietet.

Zum Ende des Weltnierentags sind sich alle Experten einig: Für mehr Awareness sowie Früherkennung und um die Situation für Betroffene zu verbessern, müssen alle Instanzen zusammenarbeiten und Lösungen finden: Erkrankte, Verbände, Fachpersonen und die Politik. 

Milena Moser sorgt für emotionalen Moment

Im Interview spricht Milena Moser, eine der erfolgreichsten Schweizer Schriftstellerinnen, über ihr Leben an der Seite ihres nierenkranken Ehemanns. Der Künstler Victor-Mario Zaballa erhielt vor einigen Jahren eine Spenderniere. «Ich hatte vorher keine Ahnung von den Nieren. Meist sind ja das Herz und die Lungen die Diven des Alltags, die Nieren agieren eher im Hintergrund. Aber wenn sie ausfallen, funktionieren auch die anderen Organe nicht mehr.» Trotz der manchmal schweren Tage versuchen die beiden, ihren Alltag nicht zu sehr von der Krankheit beeinflussen zu lassen. «Für uns ist der Gedanke emotional, dass ein junger Mann sterben musste, damit Victor eine Niere erhalten konnte. Am Tag der Toten zünden wir immer eine Kerze für ihn an», erzählt die Autorin. Und aus dem Schicksal liesse sich sogar etwas lernen. «Ich habe von Victor gelernt, das Leben so zu nehmen, wie es kommt. Wir haben immer Wege gefunden und solange ein Funken Lebenslust da ist, kann man mit allem umgehen.» Selbst mit einer transplantierten Niere ist die Lebenserwartung eine andere, das wurde vorab bereits angesprochen. Milena Moser nimmt nochmals Bezug auf diese Aussichten und rührt die Anwesenden sehr: «Mein Mann hat laut Prognose noch etwa fünf Jahre zu leben und auf diesen fünf Jahren bestehe ich. Ich würde mir wünschen, dass jeder Mensch, der den Blutdruck und Blutzucker misst, genauso seine Nierenwerte erfasst.» 

Ein ausführliches Interview mit Milena Moser zum Thema liest du hier.

Willst du wissen, ob du ein höheres Risiko für eine chronische Nierenerkrankung hast? Dann kannst du hier einen kostenlosen Risikocheck machen:

https://nieren-leiden-leise.ch/mach-den-risikocheck/

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