Ein Testosteronmangel beim Mann kann viele Ursachen haben

«Beim Urologen muss einem nichts peinlich sein»

Testosteronmangel beim Mann: Schneelandschaft, in der ein einzelner Mann wandert

Spoiler

  • Ein Testosteronmangel ist beim Hausarzt oder Urologen leicht feststellbar.
  • Manchmal stecken andere Erkrankungen dahinter, die dringend behandelt werden sollten.
  • Ob Erektionsstörung, Libidoverlust oder Veränderungen an den Hoden: Beim Urologen braucht einem nichts peinlich sein, es ist gut und wichtig, alles zu sagen, um die bestmögliche Behandlung zu erhalten und sich vor Folgen zu schützen.

«Viele Männer kommen noch immer nicht zum Urologen, weil sie sich schämen. Sie denken, das geht schon wieder weg», weiss die Urologin Dr. med. Michaela Mack, Fachärztin für Urologie am Zentrum für Urologie Zürich an der Klinik Hirslanden. Damit verpassen sie die Chancen auf Besserung und gehen das Risiko ein, dass eine zugrundeliegende Erkrankung sich verschlimmert, anstatt behandelt zu werden. Die Urologin rät, besser einmal öfter zu kommen als zu spät. 

Ab dem 40. Lebensjahr sinkt der Testosteronspiegel jährlich um zirka ein Prozent. Das ist ganz normal und nicht alle Männer haben Symptome durch den abnehmenden Hormonspiegel.  Doch weil Testosteron mit Leistungsstärke, Muskelkraft und Männlichkeit verbunden wird, möchten viele Männer das Hormon erhalten und zur Not substituieren. «Viel wichtiger und effizienter als Testosteron zu substituieren, ist es, den Lifestyle zu verbessern», sagt die Urologin. Dazu gehören ausreichend Bewegung, eine gesunde Ernährung und besonders das Vermeiden von Bauchfett. Auch das Rauchen von Marihuana und die Einnahme von Anabolika können eine Testosteronstörung auslösen. Falls ein Diabetes vorliegt, sollte dieser gut eingestellt werden, Übergewicht sollte abgebaut und aufs Rauchen und auf Alkohol weitestgehend verzichtet werden. Diese Massnahmen können dazu beitragen, dass sich der Testosteronspiegel normalisiert. Ein Arztbesuch ist dennoch wichtig. Denn nicht selten steckt eine ganz andere Krankheit hinter der Talfahrt des Testosterons. 

«Nur 5,7 Prozent der Männer zwischen 40 und 79 Jahren haben Symptome, die mit dem Wechsel und dem Abfall der Hormone zu tun haben. Das sind viel weniger als bei Frauen.»

Sekundärer Testosteronmangel beim Mann: bloss nicht übersehen!

Es gibt Systemerkrankungen, die oft lange unerkannt bleiben, obwohl sie dringend behandelt werden müssten. «Nieren- oder Leberinsuffizienzen verursachen einen Testosteronmangel und werden manchmal erst durch dessen Symptome auffällig», weiss Dr. Mack. «Das gleiche gilt für Diabetes mellitus Typ 2.» Daneben können Erkrankungen der Hoden einen Testosteronmangel auslösen: etwa ein Hodentumor, eine Hodentorsion – also eine Verdrehung – oder ein Hodentrauma, zum Beispiel durch einen Autounfall. 

Auch eine Hirnerkrankung, genauer gesagt ein Problem in der Hypophyse, kann zu einem Testosteronmangel führen. Die Hypophyse, unsere Hirnanhangdrüse, ist für hormonelle Regulationen zuständig. Bei Infarkten, Sichelzellanämie oder einer gutartigen Veränderung in der Hypophyse, dem sogenannten Prolaktinom, kann es dazu kommen, dass die Hoden weniger Testosteron produzieren. Manchen Männern fällt das erst dadurch auf, dass ihre Partnerin nicht schwanger wird. Oder eben durch die oben beschriebenen Symptome wie Erektionsstörungen oder Libidoverlust. 

«Bei Erektionsstörungen unbedingt einen Arzt aufsuchen. Es könnte an einer Arteriosklerose liegen.»

Wenn die Pubertät nicht startet

Prinzipiell kann es in jedem Alter beim Mann zu einem Testosteronmangel kommen. Bei der  angeborenen Form sogar schon vor der Pubertät. Dann, so erklärt die Urologin, sind die Symptome sogar sichtbar, denn die pubertären Veränderungen bleiben aus: Der Penis wächst nicht, die Hoden bleiben klein, Bartwuchs, Behaarung und das Muskelwachstum finden nicht statt. Stattdessen wachsen die Brustdrüsen. Die Jungs sind oft langgliedrig und dünn. Die Hormonmangelstörung liegt in diesem Fall an einem angeborenen genetischen Defekt. 

Testosteronmangel beim Mann: wann zum Arzt?

Häufiger kommt Testosteronmangel nach der Pubertät vor – mit Symptomen, die man äusserlich nicht sieht. Neben den sexuellen Störungen leiden betroffene Männer an einer verminderten Leistungsfähigkeit, an Konzentrationsschwächen, abnehmender Körperbehaarung und schwächer werdender Muskulatur. «Wenn ein Mann ständig müde und abgeschlagen ist, die Libido geschwächt ist und Erektionen problematisch sind, sollte er sich untersuchen lassen», rät Dr. Mack. «Ein Testosteronmangel ist einfach festzustellen und Folgeerkrankungen können vermieden werden.» Fehlt Testosteron, werden im Körper zu wenig rote Blutkörperchen gebildet, was zu ständiger Müdigkeit und Leistungsschwäche führt. Weiter Folgen sind eine Muskelschwäche und Osteoporose. Betroffene Männer haben ein hohes Risiko für Knochenbrüche.

Diagnose und Therapie: was beim Arzt passiert

«Am besten wenden sich Männer an ihren Hausarzt oder einen Urologen», so Dr. Mack. Ein Bluttest, der morgens zwischen acht und zehn Uhr im nüchternen Zustand durchgeführt wird, zeigt einen eventuell vorhandenen Hormonmangel an. Wenn dieser Bluttest zweimal positiv ausfällt und die entsprechende Symptomatik vorliegt, ist der Testosteronmangel beim Mann bestätigt. Jetzt steht im Vordergrund, mögliche Begleiterkrankungen zu finden und zu therapieren und den Lifestyle zu optimieren. «Ab einem laborchemisch nachgewiesenen Testosteronmangel wird das Hormon substituiert», erklärt die Urologin. «Es bringt aber überhaupt nichts, allen Männern vorsorglich Testosteron zu geben.» 

Mit dem Bauchumfang steigt das Risiko

Eine Folge der Gewichtszunahme beim Mann, vor allem am Bauch, kann ein Testosteronmangel sein. Das sogenannte Viszeralfett ist besonders problematisch, denn es enthält ein Enzym, welches Testosteron in Östradiol umwandelt und somit den Testpsteronspiegel senkt.   

Um Viszeralfett loszuwerden, ist es nötig, weniger Kalorien zu sich zu nehmen, als man verbraucht. Also: die Ernährung optimieren, Zucker und Fleisch reduzieren, Süssgetränke und Alkohol besser streichen. Parallel dazu den Kalorienverbrauch durch körperliche Aktivität ankurbeln. Falls Diabetes vorliegt, sollte dieser gut eingestellt werden.

Wenn die Partnerin nicht schwanger wird

Ein Testosteronmangel kann unter anderem auch festgestellt werden, wenn ein Mann mit seiner Partnerin in einer Kinderwunschpraxis auftaucht. Manchmal wird das Klinefelter-Syndrom diagnostiziert, ein genetischer Defekt, bei dem die Hoden nicht richtig funktionieren. Auch wenn der Testosteronmangel hier nicht heilbar ist, so können bei betroffenen Männern mit Kinderwunsch Gewebeproben aus den Hoden entnommen werden. Wenn Spermien auffindbar sind, können diese für eine künstliche Befruchtung genutzt werden. Um die Symptome lindern, wird Testosteron substituiert. 

Testosteronmangel beim Mann und die Angst vorm kahlen Kopf

Ein Testosteronmangel führt nicht zwingend zu Haarausfall. Wissenschaftler der Universität Greifswald haben diesen Zusammenhang vor einigen Jahren als Mythos entlarvt. «Haarausfall kann erblich bedingt sein und sowohl Männer als auch Frauen treffen», erklärt Dr. Mack. «Ursache ist die Menge der Androgenrezeptoren und einer Empfindlichkeit der Haarfollikel gegenüber männlichen Sexualhormonen.» 

Den erblichen Haarausfall nennt man androgenetische Alopezie. Frei übersetzt bedeutet der Begriff «Haarausfall durch männliche Hormone». Dr. Mack erläutert, was da im Körper passiert: «Beim erblich bedingten Haarausfall wird dieser durch die gesteigerte Anzahl der Androgenrezeptoren, welche genetisch bedingt ist, verursacht.» Es gibt Medikamente mit dem Wirkstoff Finasterid, die den Haarausfall lindern. «Diese Mittel haben Nebenwirkungen wie Libidoverlust, Erektionsstörungen und Depressionen. Zudem haben sie eine toxische Wirkung auf Spermien, was die Einnahme für junge Männer, die noch Kinder bekommen möchten, problematisch macht. Für Frauen ist dieses Medikament nicht zugelassen», betont die Urologin. Bei betroffenen Frauen kann ein Eisenmangel den Haarausfall verstärken.

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