Die Nebenwirkungen der Chemotherapie mit Komplementärmedizin lindern

Was bringen Akupunktur, Mistel oder Ingwer?

Nebenwirkungen Chemotherapie: Eine Person, die nachdenklich im Feld sitzt, eingehüllt in die Strahlen der untergehenden Sonne, symbolisiert die Reflexion über die schwerwiegenden Nebenwirkungen der Chemotherapie und den Kampfgeist, den Patienten im Umgang damit zeigen.

Spoiler

  • Eine Chemotherapie greift nicht nur Krebszellen an, sondern schädigt auch gesunde Zellen. Dies kann zu Nebenwirkungen wie z. B. Übelkeit, Appetitlosigkeit oder Haarausfall führen. Daneben können Betroffene aufgrund der belastenden Umstände unter Stress, Ängsten oder Depressionen leiden.
  • Es gibt komplementär- und integrativmedizinische Verfahren, die wissenschaftlich gut untersucht sind und die Nebenwirkungen einer Chemotherapie nachweislich lindern können. Dazu gehören etwa Yoga, Akupunktur oder die Mindfulness-Based Stress Reduction.
  • Da pflanzliche Substanzen oder Nahrungsergänzungsmittel mit Medikamenten gegen Krebs interagieren und deren Wirkung abschwächen oder verstärken können, ist es wichtig, eine Einnahme mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt zu besprechen.
  • Acht Kriterien helfen, seriöse Anbieter für komplementärmedizinische Behandlungen zu finden.

Frau Prof. Witt, welche komplementärmedizinischen Behandlungen wirken bei welchen Nebenwirkungen der Chemotherapie unterstützend?

Es gibt Verfahren, die man bei bestimmten Symptomen der Krebserkrankung oder bei Nebenwirkungen der onkologischen Therapien empfehlen kann und deren Wirksamkeit wissenschaftlich belegt ist. Es handelt sich dabei zumeist um Verfahren, die nicht-medikamentös sind, beispielsweise Akupunktur, Achtsamkeitstraining (Mindfulness-Based Stress Reduction), Yoga oder Qigong. Zwar sind Pflanzentherapeutika weniger gut untersucht, man weiss jedoch, dass Ingwer die durch die Chemotherapie hervorgerufene Übelkeit lindern kann. Eine Misteltherapie kann wiederum die Lebensqualität der Patientinnen und der Patienten verbessern.

Die komplementärmedizinische Behandlung ist eine zusätzliche Therapie, die Wahl des Verfahrens ist situationsabhängig und orientiert sich an den Bedürfnissen der Patientin und des Patienten.

Übersicht über einige Nebenwirkungen und Behandlungsmöglichkeiten

NebenwirkungKomplementärmedizinische Behandlung
Müdigkeit /FatigueKörperliche Aktivität und Sport, Tai-Chi, Qigong, Yoga, Akupunktur und Akupressur, Mindfulness-Based Stress Reduction
SchmerzAkupunktur
Übelkeit und ErbrechenAkupunktur, Ingwer
Kognitive Beeinträchtigung bei BrustkrebsAkupunktur, Mindfulness-Based Stress Reduction, Yoga
LebensqualitätKörperliche Aktivität und Sport, Akupunktur, Mindfulness-Based Stress Reduction, Meditation, Mistel

Eine Leitlinie zu den komplementärmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten für onkologische Patientinnen und Patienten findest du hier.

Regelmässige körperliche Aktivität scheint eine wirksame Massnahme zur Linderung verschiedenster Beschwerden zu sein. Ist es bei krebsbedingter Fatigue nicht kontraintuitiv, sich zu bewegen, statt sich zu schonen und auszuruhen?

Es ist wirklich wichtig, körperlich aktiv zu bleiben, auch wenn das nicht leichtfällt. Bewegung steigert die Leistungsfähigkeit und die Lebensqualität. Der Einstieg fällt oft leichter, wenn man sich einem Kurs oder einem Programm anschliesst. Das hilft auch bei der Motivation. Zudem können die Übungen an die persönliche Situation angepasst werden. Das Universitätsspital Zürich bietet aus diesem Grund ein spezielles Krebsportprogramm an.


Akupunktur, ein Verfahren aus der Traditionellen Chinesischen Medizin, wird häufig zur Linderung verschiedener Nebenwirkungen der Chemotherapie vorgeschlagen. Welche Vorteile bringt diese Methode genau? Geht ihre Wirksamkeit über den Placebo-Effekt hinaus?

Die Akupunktur lässt sich gut als begleitende Therapie während der Chemotherapie einsetzen, um verschiedene Symptome wie Fatigue, Übelkeit, Schmerzen und Schlafstörungen zu reduzieren. Studien haben gezeigt, dass der Effekt über die Placebowirkung hinausgeht. Falls jemand lieber nicht gestochen werden möchte, gibt es auch die Möglichkeit der Akupressur. Diese hat sich bei Übelkeit und Fatigue ebenfalls als wirksam erwiesen.

Für welche komplementärmedizinischen Methoden gibt es hingegen keine oder nur wenige wissenschaftlichen Belege?

Für die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln inklusive Vitamine, aber auch für viele Pflanzentherapeutika gibt es keine, wenige oder widersprüchliche Daten, sodass man für die meisten keine klare Empfehlung aussprechen kann.

Inwiefern können psychologische Unterstützung und Therapien wie Meditation oder Achtsamkeitstraining Patientinnen und Patienten während einer Chemotherapie helfen?

Eine psycho-onkologische Unterstützung bietet den Betroffenen und Angehörigen Unterstützung bei der Bewältigung der veränderten Lebenssituation. Patientinnen und Patienten sollten zudem Zugang zu Entspannungsverfahren haben. Damit sind verschiedene Methoden gemeint, die helfen können, sich körperlich, mental oder emotional zu entspannen. Zu den bekanntesten gehören das Autogene Training, die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson (PMR) und die Imaginationsverfahren. Es gibt ausserdem Studien, die zeigen, dass Achtsamkeitstrainings zur Reduktion von Ängstlichkeit, Depressivität und Schlafstörungen beitragen.

Auf der Webseite des Instituts für komplementäre und integrative Medizin finden Interessierte ein kostenloses Angebot von Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen

Wirken komplementärmedizinische Methoden auch gegen die Nebenwirkungen anderer Therapien, beispielsweise der Antihormontherapie?

Zu den typischen Nebenwirkungen der Antihormontherapie gehören menopausale Symptome wie beispielsweise Hitzewallungen. Bei manchen Medikamenten treten zudem Muskel- und Gelenkschmerzen auf.

Gegen Hitzewallungen werden die Einnahme von Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa) sowie Akupunktur empfohlen. Letztere wirkt auch gegen die Gelenkschmerzen.

Worauf muss man bei der Einnahme oder Durchführung von komplementären Methoden achten?

Einige der Substanzen können mit den Krebsmedikamenten interagieren. Dies kann deren Wirkung reduzieren oder verstärken, wodurch Nebenwirkungen auch zunehmen können. Deshalb sollte die Einnahme anderer Substanzen, auch Phytopharmaka und Nahrungsergänzungsmittel, mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten besprochen werden. Zudem ist es hilfreich, wenn sie auch über andere Verfahren wie Akupunktur oder Yoga Bescheid wissen, damit sie sich ein vollständiges Bild der onkologischen Behandlung ihrer Patientin oder ihres Patienten machen können. 

Wie findet man seriöse Anbieter? Wo kann man sich beraten lassen?

Wir haben im Kompetenznetzwerk Komplementärmedizin in der Onkologie (KOKON) hat eine Kriterienliste zu seriösen Anbieterinnen und Anbietern komplementärmedizinscher Verfahren erstellt. Bei Fragen oder Unsicherheiten ist zudem die Schweizerische Krebsliga eine gute Anlaufstelle.

Was können Angehörige tun, wenn Betroffene nicht auf die Schulmedizin vertrauen und sich alternativen Verfahren zuwenden?

Es ist wichtig zu verstehen, weshalb Menschen die onkologischen Therapien ablehnen. Das Gespräch sollte sich also zuerst um das «Warum» drehen. Anschliessend können komplementärmedizinischen Verfahren besprochen werden. Über das Verstehen der Ängste, die oft hinter der Ablehnung liegen – zum Beispiel die Sorge vor Nebenwirkungen – und das Finden von Lösungen wie Strategien zur Prävention und Behandlung von Nebenwirkungen, findet sich oft eine gute Kombination von onkologischen Therapien und komplementärmedizinischen Methoden.

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