Diagnose Cystische Fibrose: Wie lebt es sich damit?

«Betroffene sollten mehr miteinander kommunizieren.»

Cystische Fibrose: Frau steht im Freien im Gegenlicht und atmet tief durch.
Wann haben Sie die Diagnose «Cystische Fibrose» bekommen und wie wirkt sie sich aus?

Cystische Fibrose, eine angeborene Stoffwechselkrankheit, die bei mir bereits mit 13 Monaten festgestellt wurde und viel Zeit im Spital bedeutet hat. Heute würde man es früher wissen, denn mittlerweile ist das in den normalen Screenings bei Babys mit drin. Bei mir sind vor allem die Lunge und Bauchspeicheldrüse betroffen, weshalb ich auch Diabetes entwickelt habe – das passiert bei 10 bis 20 Prozent der Betroffenen. Da der Wasseraustausch in den Zellen nicht richtig funktioniert, bildet sich dieser zähe Schleim. In der Bauchspeicheldrüse schädigt er das Gewebe und verhindert, dass Hormone wie Insulin für den Blutzuckerspiegel abgegeben werden können. In der Lunge entstehen Entzündungen, die Lungenbläschen nehmen Schaden und es kommt zu der als Fibrose bekannten Gewebeveränderung. Dadurch habe ich Husten, meine Sauerstoffsättigung ist vermindert und ich habe weniger Energie und Ausdauer. Leider sind diese Schäden an den Organen nicht rückgängig zu machen.

Wie wirkt sich das auf Ihren Alltag aus?

Aufgrund von Problemen wurde mir mit sechs Jahren der rechte Lungenoberlappen entfernt. Das hat mir sehr geholfen und ich musste dann eigentlich nur noch zweimal täglich inhalieren. Daher hatte ich eine recht normale Kindheit. Mit 18 kamen dann mehrere Infekte und der Diabetes, von da an ging es immer schlechter und es war nicht einfach, den Blutzucker einzustellen. Schon eine kleine Erkältung wurde bei mir zu einem so argen Infekt, dass ich immer Antibiotika nehmen musste und man dann sogar darüber nachdachte, ob man es heute schafft, kleine Alltagsdinge zu erledigen wie Wäsche abhängen. Habe ich keine Infekte, geht es mir dennoch recht gut. Ich konnte immer 80 bis 100 Prozent arbeiten und war leistungsfähig, auch wenn ich dann an den Wochenenden natürlich müde war. Das geht nicht jedem so, Cystische Fibrose ist immer individuell.

Was ist die grösste Herausforderung, welche die Cystische Fibrose mit sich bringt?

Die Selbstdisziplin. Bei Kindern natürlich die Disziplin der Eltern, später dann die eigene. Nur die rettet einen, indem man immer weitermacht mit allen Massnahmen, die zum Überleben notwendig sind. Und dann sollte man darüber hinaus noch mehr probieren, sich selbst grosses Wissen aneignen, nicht blind auf Ärzte hören und Alternativen finden. Da ich selbst Drogistin und angehende Naturheilpraktikerin bin, habe ich viele Naturheilmittel ausprobiert, die mir sehr geholfen haben. Wichtig ist es ausserdem, dass man Gleichgesinnte findet.

Wie sieht Ihre Therapie aus?

Früher musste ich morgens und abends inhalieren, habe mal Physiotherapie gemacht und Autogene Drainage, das ist eine Atemtherapie mit Physiotherapeuten. Ganz früher wurde man noch auf ein Keilkissen gelegt und abgeklopft. Eine Ernährungstherapie kann ebenfalls sinnvoll sein. Bis vor drei Jahren bin ich den klassischen Therapieweg gegangen, dann habe ich mich entschieden, den Schleim über Sport zu lösen. Früher war es Eiskunstlauf, das ist ein sehr intensiver Sport. Ich bin kein ängstlicher Typ und setze Ideen, die habe, einfach gerne direkt um: Deshalb hab ich zwei grosse Velotouren gemacht und bin durch Südamerika und ans Nordkap gefahren. Es ging nicht zwingend darum, dort anzukommen, sondern es einfach auszuprobieren – und es hat geklappt. Man könnte meinen, dass sich Betroffene schonen sollten, aber das ist genau falsch. Ich brauche noch Asthmamedikamente zum Inhalieren, durch den Sport aber deutlich weniger. Für manche Menschen ist das nicht nachvollziehbar, dass jemand mit Cystischer Fibrose nicht voll arbeiten  kann, dann aber Sport macht. Dabei werden die Zeit und Energie für den Sport als Therapiebestandteil benötigt.

Mit Trikafta, einem CFTR-Modulator, gibt es nun erstmals ein Medikament, welches die Ursache angeht, indem die Schleimentwicklung reduziert wird. Bisher konnte man nur die Symptome bekämpfen. Leider kann nicht jeder davon profitieren, wenn der Cystischen Fibrose beispielsweise die falsche Genmutation zugrunde liegt oder wenn es nicht vertragen wird. Am Anfang der Einnahme habe ich wie eine Art grippalen Infekt bekommen und drei Tage lang Schleim ausgespuckt, seitdem ist meine Schleimentwicklung extrem zurückgegangen und meiner Lunge geht es deutlich besser. Ich habe jetzt so viel Energie, dass ich sogar nochmals eine Ausbildung zur Naturheilpraktikerin anfangen konnte.

Wirkt sich die Cystische Fibrose auf Beziehungen aus?

Für mich kaum. Als ich jünger war, hatte ich noch Hemmungen, das direkt zu erzählen, man möchte ja nicht gleich am Anfang mit so einer Information kommen. Schlussendlich ist es nicht wichtig, gerade wenn man recht fit ist. Manche benötigen aber mehr Unterstützung und mehr Rücksichtnahme durch den Partner. Der muss mit den Einschränkungen auskommen. Diese habe ich zum Glück wenig, ich bin vergangenes Jahr zum Beispiel mit dem Partner auf einen 3000er gewandert. Bei der Familienplanung spielt es dann doch eine Rolle, denn es besteht immer die Frage: Möchte man Kinder bekommen oder nicht? Dafür muss zuerst getestet werden, ob der Partner ebenfalls Träger des Gens ist, denn dann wäre die Wahrscheinlichkeit für Cystische Fibrose beim Kind bei 50 Prozent.

Haben Sie durch die Krankheit andere Prioritäten oder eine andere Sichtweise auf das Leben?

Grundsätzlich ist bei uns Betroffenen die Resilienz schon sichtbar höher, einfach weil wir schon so viel durchmachen mussten. Ich mache einfach die Sachen, die ich machen möchte. Schon immer hab ich mir Ziele gesetzt wie zu reisen. Ich mache das nicht «irgendwann» oder warte bis zur Pension, weil ich lange nicht wusste, ob ich die überhaupt erlebe. Natürlich mache ich nicht nur was ich will, sondern auch was ich muss, zum Beispiel in die Pensionskasse zahlen. Wir wussten nicht, dass dieses Medikament kommen würde, deshalb habe ich mich lange gefragt, warum ich das überhaupt bezahle.

Was sollten Angehörige und Aussenstehende über Cystische Fibrose wissen?

Grundsätzlich sollten sie sich für das Thema interessieren und einfach nachfragen. Die schlimmste Frage ist immer ‹Bist du erkältet?›. Oder wenn die Leute absichtlich weghören, wenn ich huste, als könnten sie es nicht ertragen. Man sollte einfach kein Drama darum machen und schon gar nicht bemitleiden. Mir ist es viel lieber, wenn man alles offen anspricht und mich nicht mit Samthandschuhen anfasst. Wir machen ja sogar selbst Witze über uns. Im Idealfall versetzt man sich zuerst mal in die Situation hinein und überlegt dann, welche Aussagen angemessen sind und welche nicht, ich brauche beispielsweise keinen Rat zu Hustensaft. Gleichzeitig freut man sich darüber, wenn man an Tagen mit niedrigem Energielevel ein bisschen Unterstützung bekommt. Mental bringt da ein ‹Wie kann ich helfen?› schon sehr viel. Und im Freundeskreis sollte unbedingt Rücksicht genommen werden bei Infektionen. Also wenn jemand erkältet ist, dann lieber Abstand halten oder einfach vorher fragen, ob es okay ist, sich zu treffen.

Haben Sie einen Rat für Betroffene und Angehörige?

Nutzt euren gesunden Menschenverstand. Informiert euch, sucht euch Gruppen, in denen ihr mit anderen Betroffenen kommunizieren und euch austauschen könnt. Auch für Eltern gibt es so vieles zu beachten wie den Kontakt im Kindesalter zu anderen Betroffenen zu minimieren und öffentliche Nasszellen zu vermeiden. Nur so kann man die Infektion mit dem Keim Pseudomonas, der grosse Probleme macht, beim Kind möglichst lange verhindern. Kinder infizieren sich damit eben gegenseitig, weil sie eher die Köpfe zusammenstecken. Bei Erwachsenen oder Eltern von Kindern mit Cystischer Fibrose ist das Risiko viel geringer. In unseren Gruppen teilen wir unser Wissen und unterstützen uns gegenseitig, das ist so wertvoll. Und man kann auch an Onlinemeetings teilnehmen, da sammelt man sicher keinen Keim auf.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Dieses Medikament ist so ein Wunder für uns. Wir hoffen sehr, dass es bald eine Alternative für alle gibt, damit noch mehr Menschen mit Cystischer Fibrose davon profitieren können, selbst wenn wir die Langzeitfolgen noch nicht kennen. Schon jetzt wurden dadurch so viele Transplantationen verhindert und künftig können Kinder damit ganz normal aufwachsen, weil ihre Organe nicht erst solchen Schaden nehmen wie unsere.

Vielen Dank für das Gespräch und Ihre Offenheit.

Unterstützung finden

Betroffene und Angehörige können sich an die Non-Profit-Organisation Cystische Fibrose Schweiz wenden. Diese hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Lebensqualität für Patientinnen und Patienten sowie deren Familien zu verbessern. Wie von Yvonne Rossel empfohlen finden sich hier Gleichgesinnte und viele wichtige Informationen.

www.cystischefibroseschweiz.ch

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