Neue Studie zu Schmerzen bei Lipödem

Hoffnung auf vereinfachte Diagnosestellung

Frau liegt auf Bett und schaut aus dem Fenster

Spoiler

  • Beim Lipödem handelt es sich um eine symmetrische Fettverteilungsstörung an den Gliedmassen, die fast ausschliesslich Frauen betrifft.
  • Neben voluminösen Beinen, Gesäss, Hüften und Armen gehören Schmerzen beim Lipödem zu den typischen Symptomen. Die Diagnose kann knifflig sein, da die Erkrankung häufig mit Übergewicht oder einem Lymphödem verwechselt wird.
  • Die validierte Messung von Druckschmerz und Vibrationsvermögen könnte die Diagnose zukünftig vereinfachen.

Das Lipödem ist eine chronische Erkrankung des Fettgewebes, die hauptsächlich Frauen betrifft. Es ist gekennzeichnet durch eine ungleichmässige Verteilung des Fettgewebes, insbesondere an den Beinen, Gesäss und Hüften, aber auch an den Armen. (Wenn du mehr über die Krankheit erfahren möchtest, findest du hier und hier zwei Artikel.)

Schwierige Diagnosestellung

Aufgrund der geringen Bekanntheit der Erkrankung ist es für Betroffene schon schwer genug, eine Diagnose zu erhalten. Die uneindeutigen Beschwerden machen es zusätzlich schwierig, ein Lipödem festzustellen. Häufig wird eine LiDo nämlich als Übergewicht oder als Lymphödem abgetan. Einzig die auffallende Verteilung der Fettzellen sowie die Schmerzen geben Hinweise auf die Erkrankung.

Zur Diagnosestellung führt der Hausarzt in der Regel eine Tastuntersuchung des Gewebes durch und fragt die Patientin nach ihrem Schmerzempfinden. Für Prof. Dr. med. Manuel Cornely ist diese Vorgehensweise unbefriedigend: «Das Schmerzempfinden ist subjektiv. Aussagen über den erlebten Schmerz helfen bei der Diagnosestellung nur bedingt weiter.» Besser wäre ein verlässliches Instrument, mit dem Schmerzen bei potenziellen Lipödem-Betroffenen zuverlässig gemessen und dadurch die Diagnose vereinfacht werden könnte.

Aus diesem Bedürfnis heraus ist in Kooperation zwischen der Non-Profit-Organisation LY. SEARCH, die sich der lymphologischen Forschung verschrieben hat, sowie der Universitätsklinik Köln eine Studie entstanden, an der Prof. Cornely mitgearbeitet hat.

Studienübersicht

An der Studie nahmen 20 Patientinnen mit Lipödem teil und, als Kontrollgruppe, 20 gesunde Frauen. Alle waren zwischen 18 und 40 Jahre alt und hatten einen Bodymassindex (BMI) von unter 30. Sie waren also nicht übergewichtig. Alle Teilnehmerinnen wurden einer Quantitativen Sensorischen Testung (QST) unterzogen. Bei diesem Verfahren werden anhand standardisierter Reiz-Instrumente verschiedene Empfindungen getestet und diese mit einem Referenzstandard verglichen. Sieben unterschiedliche Tests wurden am Oberschenkel sowie zur Kontrolle an der Hand, also einem Körperteil, das nicht von LiDo betroffen ist, durchgeführt. Die Wissenschaftler testeten unter anderem den Wärme- und Kältereiz und die Reaktion auf mechanischen Druckschmerz. Mittels eines Algometers, also eines Geräts, das die Druckstärke aufzeigt, wurde der Tiefendruckschmerz gemessen, mit einer Stimmgabel das Ansprechen auf Vibration.

Vorab füllten die Teilnehmerinnen den sogenannten Deutschen Schmerzfragebogen aus. «Der Fragebogen besteht aus zirka 150 Fragen, ist also sehr umfangreich. Darin wird beispielsweise nach chronischen Schmerzen oder Schmerzspitzen gefragt, aber auch nach der psychischen Verfassung», erklärt Prof. Cornely.

Druckschmerz und Vibration

«Wir sind auf zwei interessante Ergebnisse gestossen. Erstens zeigten die Betroffenen keine erhöhten Anzeichen von Depression, Angststörungen, Stress oder anderen psychischen Problemen. Das bedeutet, dass psychische Beschwerden nicht die Auslöser der Schmerzen sind. Zweitens fanden wir bei der Quantitativen Sensorischen Testung (QST) zwei auffällige Werte. Frauen mit Lipödem haben ein deutlich erhöhtes Schmerzempfinden bei Tiefendruckschmerz. Ausserdem können sie Vibrationen am Oberschenkel schlechter wahrnehmen als Frauen ohne Lipödem. Die Reaktionen auf den Tiefendruckschmerz und auf die Vibration liessen sich bei 97 Prozent der Betroffenen feststellen. Diese zwei Werte eignen sich deshalb ausgezeichnet, um eine LiDo zu diagnostizieren», so der Mediziner.

In einer nächsten Studie gilt es, die Diagnosemethode an Frauen mit einem erhöhten BMI zu testen, um zu klären, ob die beiden Messungen bei zusätzlichem Übergewicht genauso ausschlaggebend sind.

Schmerzen beim Lipödem

«Trotz des Namens handelt es sich beim Lipödem nicht um ein Ödem, also um eine Wassereinlagerung. Wir gehen aber davon aus, dass im Gewebe der Betroffenen trotzdem eine gewisse Menge von Flüssigkeit vorhanden ist, die den Druck verändert und zu den Beschwerden führt. Schmerzmittel helfen dagegen nichts», so der Arzt. Der Goldstandard der Lipödem-Behandlung sieht eine Therapie bestehend aus regelmässigen manuellen Lymphdrainagen und dem Tragen von Kompressionsmiederware vor. Um die zeitaufwendige Lymphdrainage und die Kompressionsstrümpfe zu umgehen, hat Prof. Cornely vor fast 30 Jahren die Lymphologische Liposkulptur entwickelt. Bei dieser Art der Fettabtragung wird die LiDo vollständig entfernt. «Nur wenn das gesamte veränderte Fettgewebe abgetragen wird, sind die Patientinnen im Anschluss schmerzfrei. Interessierte sollten ihrer Chirurgin oder ihrem Chirurgen deshalb zwei Fragen stellen. Erstens ‹Wie oft haben Sie diese Behandlung schon durchgeführt?› und zweitens ‹Sind Ihre Patientinnen nach der OP auch ohne Lymphdrainage und Kompressionstherapie schmerzfrei?› Ist die Ärztin oder der Arzt unerfahren oder müssen die Patientinnen auch nach der Operation weiterhin zur Lymphdrainage, sollten Sie sich eine andere Klinik suchen», empfiehlt Prof. Cornely. «Das Ziel der Fettabtragung sind nämlich nicht schlanke Beine, sondern keine Schmerzen mehr zu haben und keine weiteren konservativen Therapien mehr zu benötigen.»

Zur Studie

«Lipedema patients show a distinctly altered Quantitative Sensory Testing (QST) profile»
Rebecca Dinnendahl, Dominik Tschimmel, Vanessa Löw, Manuel Cornely, Tim Hucho.

Facebook
Email
Twitter
LinkedIn