Gelassener durch den Alltag dank aktivem Vagusnerv

Der Antistress-Nerv wird oft vernachlässigt

Blätter

Spoiler

  • Der Vagusnerv ist wichtiger Bestandteil des parasympathischen Nervensystems.
  • Durch Singen, Summen, Sport oder Kaltwasseranwendungen kann er gestärkt werden.
  • In der Medizin kommt die elektronische Vagusnerv-Stimulation bei therapieresistenter Epilepsie oder Depression zum Einsatz.

Er beginnt im Gehirn, geht durch Hals und Brustkorb und verzweigt sich dann zu verschiedenen Organen wie Herz, Lunge und Darm. Nicht umsonst heisst der Vagusnerv im Lateinischen «der Wanderer». Er ist Hauptbestandteil des parasympathischen Nervensystems. Dieses agiert wie eine Art Bremspedal auf Vorgänge im Körper. Es verlangsamt zum Beispiel den Herzschlag, regt die Verdauung und das Immunsystem an und hemmt die Produktion von Adrenalin. Kurz: Alles erholt sich.

Sein Gegenspieler, der Sympathikus, sorgt dafür, dass wir in Stresssituationen schnell auf Gefahren reagieren können. Idealerweise balancieren sich Parasympathikus und Sympathikus aus. Durch Dauerstress stecken viele jedoch im Alarmmodus fest.

Den Vagusnerv aktivieren

Der Vagusnerv kann gestärkt und selber aktiviert werden, sodass wir bei Stress entspannter und gelassener reagieren. Das geht zum Beispiel durch bewusstes Atmen, Yoga, Tai-Chi oder Meditation. Aber auch Singen, Summen oder Gurgeln aktivieren den Vagus, denn er ist mit den Stimmbändern und den Kehlkopfmuskeln verbunden.

Sportler profitieren ebenso von einer Vagusnerv-Stimulation, etwa in Form von gezielten Atemübungen. Dadurch verbessert sich die Regenerationsfähigkeit nach dem Training und die Leistung kann schneller gesteigert werden. Weiter lieben Vagusnerv und Parasympathikus alles, was mit Wasser und dem Wechsel von Wärme und Kälte zu tun haben. Wie wär’s mit einem Saunabesuch und anschliessendem Abtauchen im Kaltwasserbecken? Oder einer Runde Kneippen?

Aus der Balance

Wird der Vagusnerv, also der Parasympathikus, nur selten angesprochen, überwiegt der Sympathikus. Unser Körper ist dabei in einem dauerhaften Fight-or-Flight-Modus. Das heisst, wir sind bereit zu kämpfen und zu flüchten – können Höchstleistungen erbringen, Konferenzen leiten und E-Mails schreiben und gleichzeitig telefonieren. Dieser Hochleistungsmodus ist jedoch für Extremsituationen gedacht, nicht als Lifestyle.

Kommt der Ruhenerv nicht zum Zuge, finden regenerierende Körperfunktionen zu wenig oder nur gestört statt: Verdauung, Immunfunktionen, Zellerneuerung und Erholung sind beeinträchtigt. Deshalb: Über den Tag verteilt immer mal Pausen einbauen, in denen das vegetative Nervensystem auf Parasympathikus umschalten kann.

Wenn der Ruhemodus tagsüber nicht zugelassen wird, fällt es dem System auch am Abend schwerer herunterzufahren. Die Folge: Wir schlafen nicht gut. Über den Tag verteilt einen ausgewogenen Wechsel von Aktivitäten und Pausen zu leben, sorgt dafür, dass Sympathikus und Parasympathikus in einem gesunden Gleichgewicht sind.

Der Vagusnerv in der Medizin

Der Vagusnerv spielt bei der Behandlung von Epilepsie eine wichtige Rolle. Schlägt der Betroffene nicht auf Medikamente an und ist eine Operation zu riskant, wird seit einigen Jahren eine batteriebetriebene Elektrode in die Haut implantiert und am Hals mit dem Vagusnerv verbunden. Das Gerät funktioniert wie ein Herzschrittmacher: In regelmässigen Abständen werden die Nervenstränge des Vagus, die zum Hirn führen, durch elektrische Impulse stimuliert.

Epileptische Anfälle werden so abgeschwächt oder ganz unterdrückt. Diese Technik kommt auch bei schwerer, therapieresistenter Depression zum Einsatz. Zudem vermuten Wissenschaftler, dass eine solche Vagusnerv-Stimulation auch bei der Behandlung von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn erfolgreich sein könnte, denn der Vagusnerv ist ein wichtiger Bestandteil der sogenannten Darm-Hirn-Achse: Er leitet Informationen zwischen dem Verdauungstrakt und dem Gehirn hin und her.

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