Herr Prof. Eberli, gibt es neue Erkenntnisse über die Ursachen von Prostatakrebs?
Es sind über 100 Positionen im Erbgut bekannt, die für die Entstehung und das Wachstum des Prostatakrebses verantwortlich sind. Das Risiko scheint also vor allem genetisch bedingt zu sein. Bei einem Verwandten mit Prostatakrebs hat man ein dreifaches, bei zwei oder drei Verwandten ein bis zu 15-faches Risiko. Auch Umwelt- und Ernährungsfaktoren spielen mit: Japaner haben weniger Prostatakrebs als Amerikaner. Für Japaner, die in die USA zügeln, steigt aber das Risiko. Wenn sich Risikogruppen frühzeitig untersuchen lassen, kann der Tumor gut behandelt werden: Rechtzeitig erkannt, ist bei Prostatakrebs eine Heilung sehr wahrscheinlich.
Aber in der Forschung gab es in den letzten fünf Jahren gute Fortschritte?
Dank der Roboterchirurgie haben wir sehr solide Erfolgsquoten. Bei weniger aggressiven Formen hat sich Active surveillance (aktive Überwachung) sehr bewährt. Das Risiko, dass man die Entwicklung eines Tumors verpasst, ist sehr klein. Operiert wird nur, wenn der Tumor wächst. Zusätzlich kann auch die fokale Behandlung in kontrollierten Studien angeboten werden: Nur der Teil der Prostata, der von Krebs befallen ist, wird behandelt.
Ist auch eine Heilung bei Prostatakrebs im fortgeschrittenen Stadium möglich?
Auch da haben wir riesige Fortschritte gemacht. Patienten leben länger und mit besserer Lebensqualität. Es gibt neue Tabletten, die auf der Hormonachse auf die Krebszellen einwirken, bevor eine Chemotherapie nötig ist. Die Resultate sind durchschlagend gut. Bei grosser Tumorlast beginnen wir viel früher mit der Chemotherapie und erzielen auch damit sehr gute Erfolge. Zudem führen wir immer mehr personalisierte Therapien durch, die auf den Patienten und die Tumorerkrankung zugeschnitten sind.
Sind weitere Fortschritte in Sicht?
Ja. Künftig wird der PSA-Wert nicht einzige Grundlage für die Diagnose sein. Auch DNA-Analysen aus Blut und Urin werden auf aggressive Tumore hinweisen. Diese Analysen werden bis in zehn Jahren Teil der Routineuntersuchung werden. In den nächsten Jahren werden wir bei einigen Patienten dank der Bluttests auf Magnetresonanztomographie (MRI) und Biopsien verzichten können. Es wird weitere Erfolge in der Heilung von Prostatakrebs geben.
Was heisst das alles für die Prävention?
Die rechtzeitige Voruntersuchung ist die einzige Prävention. Brandneue Zahlen zeigen, dass in den USA wieder mehr Männer an Prostatakrebs sterben. Hauptgrund ist, dass die PSA-Messung nicht konsequent durchgeführt wird. Ab 50 sollte jeder Mann sein PSA messen lassen. Ist der Wert tief, kann er fünf Jahre warten. Für Männer, die erblich belastet sind, gilt dies ab 45. Unsere Herausforderung bleibt, die Patienten zu finden, solange der aggressive Krebs noch behandelbar ist, denn im Stadium mit Ablegern ist nach wie vor keine Heilung bei Prostatakrebs möglich.