Spoiler
- Extremes Schwitzen: In schweren Fällen verlieren Betroffene bis zu acht Liter Wasser täglich.
- Bei Hyperhidrose wird zwischen einer primären und einer sekundären Variante unterschieden. Hinter der primären gibt es scheinbar keinen Auslöser. Eine Stoffwechselerkrankung ist meist der Grund für die sekundäre Hyperhidrose.
- Neben der Ursachenbehandlung helfen Botoxinjektionen, Leitungswasser-Iontophorese und Stressreduktion dabei, die Produktion der Schweissdrüsen zu drosseln.
Schwitzen tun wir alle, es ist die clevere Reaktion unseres Körpers, um seinen Wärmehaushalt zu steuern. Doch Menschen, die an Hyperhidrose leiden, klagen über extremes Schwitzen. Sie produzieren so viel Schweiss, dass es tropfen kann oder ihre Füsse und Hände kleine Pfützen hinterlassen.
Körpereigene Klimaanlage defekt?
«Das ist nicht nur unangenehm, in einigen Fällen steckt auch eine Krankheit hinter dem Schwitzen, die entdeckt und behandelt werden sollte», weiss Dr. med. Oliver Ph. Kreyden, Dermatologe und Gründer der ersten Hyperhidrose-Sprechstunde Schweiz. «Hyperhidrose beginnt da, wo extremes Schwitzen das Ausmass einer Körpertemperaturregulation übersteigt und grundlos auftritt. Zum Beispiel steht jemand im Winter an der Bushaltestelle und es tropft von den Achselhöhlen.»
Drei Millionen Schweissdrüsen produzieren täglich bis zu zwei Liter Schweiss, die meisten befinden sich an den Handtellern und Fusssohlen sowie in den Achselhöhlen. «In extremen Fällen der Hyperhidrose kann ein Wasserverlust von bis zu acht Litern täglich auftreten», so der Dermatologe. «Erster Schritt ist, bei einem Facharzt abzuklären, ob es sich um eine primäre oder sekundäre Hyperhidrose handelt.»
Primär: scheinbar grundlos
Hier steckt weder eine Erkrankung hinter dem Schwitzen, noch gibt es einen spezifischen Auslöser. Vor allem bei Nervosität, aber auch bei kleinster körperlicher Anstrengung beginnt extremes Schwitzen. Die Erkrankung tritt meist nach der Pubertät auf und betrifft vorzugsweise Achseln, Hände und Füsse. «Die Ursache liegt in einer Überregulation des vegetativen Nervensystems und in den allermeisten Fällen finden wir eine familiäre Veranlagung», erklärt Dr. Kreyden. «Bei Betroffenen ist der Sympathikus vermehrt aktiv. Manchmal fällt das schon bei Kleinkindern auf, die immer Schweissfüsschen haben.» Dass tropfender Schweiss im Berufs- und Sozialleben belastet, ist leicht vorstellbar. Neben einer sozialen Isolierung können auch Folgen wie Warzen, Fusspilz oder andere Hauterkrankungen auftreten. Wichtig ist, auszuschliessen, dass es sich um eine sekundäre Form der Hyperhidrose handelt.
Sekundär: auf Spurensuche gehen
Denn bei dieser Form steckt meist eine Stoffwechselerkrankung, seltener eine neurologische, hinter dem übermässigen Schwitzen. Das kann Diabetes sein, eine Schilddrüsenüber– oder hormonelle Dysfunktion, Glukoseintoleranz, ein Nebennierentumor oder eine Erkrankung des Lymphsystems. «Meist gibt bereits ein Gespräch Aufschluss darüber, in welche Richtung es geht», sagt Dr. Kreyden. «Sobald die zugrundeliegende Erkrankung gefunden ist, kann sie behandelt werden.» Auch bestimmte Medikamente, Übergewicht oder die Wechseljahre können extremes Schwitzen verursachen. Wer plötzlich an starkem Nachtschweiss leidet, sollte zur Klärung zum Arzt gehen.
Drüsen lahmlegen und extremes Schwitzen stoppen
Zurück zur primären Hyperhidrose. Es stehen verschiedene Therapien zur Verfügung, die das Schwitzen eindämmen. 20 Prozent der Betroffenen helfen spezielle Antitranspirante mit Aluminiumsalz. Wer extrem viel schwitzt, profitiert von einer Botox-Behandlung: Das Medikament wird in Achseln, Handflächen oder Fusssohlen injiziert, um die Funktion der Schweissdrüsen lahmzulegen. «Die Schweissmenge kann so um 70 bis 90 Prozent reduziert werden und der Effekt hält für sechs Monate oder länger», erklärt der Facharzt. Er beschreibt die Methode zwar als unangenehm, aber nicht wirklich schmerzhaft. Eine sanfte und effiziente Therapie ist die sogenannte Leitungswasser-Iontophorese, die in Hautarztpraxen angeboten wird. Betroffene baden ihre Hände oder Füsse für 30 Minuten in einem Wasserbad, durch das schwacher Gleichstrom fliesst. «Es ist eine physikalische Therapie, bei der die Aktivität der Schweissdrüsen allmählich gedrosselt wird», sagt Dr. Kreyden. «Nach zehn Tagen hat sich bei 90 Prozent der Patienten die Schweissproduktion um 80 bis 90 Prozent reduziert.» Schlägt die Behandlung an, können sich Betroffene ein Gerät anschaffen und sich zu Hause selbst behandeln. «Das ist nicht teuer, nicht invasiv und braucht keinen Arzt. Nur etwas Zeit.»
Tricks im Alltag gegen extremes Schwitzen
Baumwollkleidung, die nicht zu eng anliegt, ist die beste Wahl, wenn man stark schwitzt. Dr. Kreyden empfiehlt, Socken häufiger zu wechseln und beim Schuhkauf zwei Paare anzuschaffen, sodass ein Paar nach dem Tragen 24 Stunden ausdünsten kann. «Am Ende ist die primäre Hyperhidrose eine vegetative Überreaktion. Mehr Sport zu treiben, kann helfen, das System auszugleichen.» Einen grossen Bogen machen Betroffene besser um scharfes Essen und viel Kaffee oder Alkohol. Stattdessen helfen Techniken wie autogenes Training, Meditation oder Achtsamkeitsübungen, auf Stress gelassener zu reagieren – und weniger zu schwitzen.
Hilfe aus der Natur gegen extremes Schwitzen
Zimtsohlen
Zimtöl wirkt antibakteriell und absorbiert Schweiss. Während man sich früher Zimt gegen Fussgeruch in die Schuhe streute, gibt es heute Zimtsohlen im Handel.
Wassertreten
Kneipp-Anwendungen regulieren das vegetative Nervensystem. Im Storchengang durch wadenhohes, kaltes Wasser waten, dann gehen, bis sich die Füsse wieder erwärmt haben. 3-mal wiederholen.
Salbei-Bad
Der Klassiker gegen Schweiss. Als Tinktur im lauwarmen Fussbad beugt er Schweissfüssen vor. Frisch als Tee aufgebrüht, soll Salbei die Schweissproduktion reduzieren.