Plötzlich ist die Sprache weg

Menschen mit einer Aphasie leiden unter Sprachverlust

Pinke, rosane plastik Buchstaben auf weissem Tisch.

Spoiler

  • Eine Aphasie ist eine Sprachstörung, die bei Menschen auftritt, die eine Sprache vollständig beherrschen.
  • Sie wird meist durch Schlaganfälle, Hirnblutungen oder Schädel-Hirn-Traumata ausgelöst.
  • Eine logopädische Therapie hilft, die Sprache neu zu erlernen.

«Aphasie heisst übersetzt Sprachverlust und bezeichnet eine Sprachstörung, die nach dem Erwerb einer Sprache auftritt», erklärt Sandra Furer-Fawer, Logopädin in der Praxis für Logopädie in Aarberg, die sie zusammen mit ihrer Kollegin Corinne Haslebacher führt. Von einer Aphasie sprechen Fachleute nur, wenn der Verlust nach dem abgeschlossenen Spracherwerb auftritt.

Ausgelöst wird der Sprachverlust in den meisten Fällen durch einen Schlaganfall, aber auch Hirnblutungen, ein Hirntumor oder ein Schädel-Hirn-Trauma aufgrund eines Unfalls sind mögliche Ursachen.

Sprachverlust

«Ein aphasische Störung äussert sich bei jedem Menschen anders, es existiert keine typische Form des Sprachverlusts», stellt Furer-Fawer klar. Je nach Ausbildung der Krankheit sind unterschiedliche Bereiche betroffen. Es wird zwischen Einschränkungen des Sprechens, Verstehens, Lesens und Schreibens unterschieden, die jedoch auch als Mischformen auftreten können. Vielen Betroffenen fällt es beispielsweise schwer, längere Sätze zu bilden oder die richtigen Wörter zu finden. Andere haben Mühe, die Bedeutung von Aussagen zu verstehen. Sie orientieren sich nur am Kontext und an der Mimik ihres Gegenübers.

Oft vertauschen Aphasiker Buchstaben oder verwenden Wörter, die zwar korrekt geschrieben sind, jedoch inhaltlich nicht passen. Je nach Hirnregion, die beschädigt wurde, können neben einem Sprachverlust auch Begleiterscheinungen wie Konzentrationsstörungen oder Probleme mit dem Gedächtnis und der Motorik auftreten.

Logopädische Therapie

Furer-Fawer vergleicht die Krankheit mit einer chaotischen Bibliothek, in der die Bücher durcheinandergeraten sind: «Aphasie-Patienten sollten möglichst früh mit einer Sprachtherapie beginnen, um den Weg zu den richtigen Büchern wieder zu finden».

In der akuten Phase nach dem Ereignis empfiehlt die Logopädin möglichst tägliche Sitzungen. Die Therapie ist dabei so individuell wie die Krankheit selbst und optimal auf die jeweilige Störung ausgerichtet. Dabei kommen auch digitale Helfer zum Einsatz: Speziell für Aphasiker entwickelte Apps oder Spiele wie Kreuzworträtsel auf dem Smartphone oder einem Tablet helfen den Patienten, den betroffenen Bereich des Gehirns zu trainieren und zu reanimieren. Das Alter der Betroffenen spielt für den Therapieerfolg nur eine geringe Rolle. Viel wichtiger sind Motivation, Geduld und regelmässiges Trainieren.

Jedoch kann auch die beste Therapie nicht immer helfen. Viele Patienten erreichen ihr vormaliges Sprachniveau nicht mehr. Sie ermüden schnell oder fühlen sich bei Diskussionen mit mehreren Gesprächspartnern überfordert. Besonders schwere Fälle von Aphasie sind nicht therapierbar.

Aphasie: keine Behinderung

Auch wenn es für Aussenstehende so wirken mag: Menschen, die an Sprachverlust leiden, sind keinesfalls geistig oder körperlich behindert. Sie nehmen ihre Umgebung wahr und können logisch denken. «Bei einer Aphasie handelt es sich nicht um eine Behinderung, sondern um eine Krankheit», betont die Logopädin.

Der Verlust der Sprache hat jedoch nicht nur Auswirkungen auf das Kommunikationsvermögen. Eine Aphasie ist auch für die Psyche der Betroffenen und Angehörigen eine schwere Belastung. In vielen Fällen ist es Aphasikern nicht mehr möglich, ihren Beruf auszuüben oder ihren Hobbys nachzugehen. Selbstverständliche Dinge wie das morgendliche Zeitungslesen sind plötzlich nicht mehr denkbar.

Umso wichtiger ist es, Menschen mit einer Sprachstörung in den Alltag zu reintegrieren und Alternativen zu schaffen. Eine Möglichkeit sind sogenannte Aphasiechöre. Die verletzten Areale werden dadurch unterstützt und Patienten können einen Liedtext, den sie schon vor der Verletzung kannten, oft ohne Probleme singen. Aber auch Aphasiker, die den Chor nur lautmalerisch – beispielsweise mit La-la-la – unterstützen, tragen zu der einzigartigen musikalischen Darbietung bei.

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