Perfektionistische Menschen: Wenn «sehr gut» nicht mehr reicht

Bin ich nur ambitioniert oder schon Perfektionist?

Gestresste Frau am Laptop

Spoiler

  • Es gibt einen Unterschied zwischen Ambition und Perfektion. Während Ambition den Menschen positiv herausfordert, hält uns Perfektion auf.
  • Der Drang nach Fehlerlosigkeit beeinträchtigt die sozialen Beziehungen von Perfektionisten.
  • Der Ursprung kann in der Kindheit liegen. Mobbing oder sehr strenge und überkritische Eltern, können zu einer tiefen Angst vor Fehlern führen.
Ein Problem lässt sich besser bewältigen, wenn man es klar definieren kann. Legen wir also zuerst fest, was Perfektionismus bedeutet. 

Es bezeichnet die andauernde Unzufriedenheit, die man verspürt, wenn Dinge oder die eigene Leistung nicht fehlerfrei, ja sogar exzellent sind. Perfektionistische Menschen streben deshalb nach dem Maximum und geben sich mit nichts anderem zufrieden. 

Wo liegt denn der Unterschied zwischen Ambition und Perfektion?

Ambition bringt uns weiter. Perfektion lässt uns stocken. Es ist wichtig zu wissen, dass wir alle bis zu einem gewissen Grad von einer gesunden Ambition geprägt sind. Sie ist unser innerer Antrieb, eine Sache gut zu machen, weiterzukommen, etwas Neues zu erreichen, sich höhere Ziele zu setzen. Sie bringt uns Freude und ist mit positiven Herausforderungen verbunden. Perfektion dagegen hindert uns, weil sie uns sofort an unsere Grenzen bringt. Die vernarrte Zielstrebigkeit nach absoluter Makellosigkeit führt häufig dazu, dass perfektionistische Menschen an unwichtigen Details oder Nebensächlichem hängen bleiben. Alles, was passiert, muss fehlerfrei sein. Jede noch so kleine unbedeutende Inkorrektheit zählt und so kommt man nicht vom Fleck.  

Fehlt perfektionistischen Menschen die Fähigkeit, das grosse Ganze zu sehen? 

In gewisser Weise schon. Die Frage ist, warum der Drang da ist, Fehler sofort korrigieren zu müssen. Schlussendlich bedeutet Perfektionismus nämlich nichts anderes, als dass man keine Fehler vertragen kann. Und das ist das eigentliche Problem. 

Wie wirkt sich das auf die Lebensqualität aus?

Es ist eine sehr anstrengende Sache. Als perfektionistischer Mensch neigt man dazu, leichter unzufrieden zu sein, da man immer wieder auf Unvollkommenheiten stösst. Diese Neigung kann im beruflichen Umfeld zum Beispiel zu Spannungen führen, weil man im Team unangenehm auffällt oder bei der eigenen Arbeit nicht vorankommt. Gleichzeitig beeinträchtigt Perfektionismus auch soziale Beziehungen. Niemand möchte konstant zurechtgewiesen oder auf kleine Fehler aufmerksam gemacht werden. Partner perfektionistischer Menschen fühlen sich oft mehr kritisiert als wertgeschätzt. Trotz guter Absichten schafft dieses Verhalten eine angespannte Atmosphäre, in der sich niemand wirklich wohl fühlen kann.

Aber woher kommt der Drang, perfekt sein zu wollen? 

Häufig sind die biographischen Erfahrungen oder das angeborene Temperament im Leben entscheidend. Besonders, wenn man Kindheitserlebnisse wie Mobbing durchgemacht hat oder von den Eltern massiv kritisiert oder sogar für seine Fehler bestraft wurde, entwickelt man eine tiefe Angst vor Fehlern. Das trifft auch auf Kinder zu, die in Umgebungen mit wenig elterlicher Unterstützung aufgewachsen sind und früh viel Verantwortung tragen mussten. In solchen Situationen kann der Druck zur Perfektion entstehen, da es oft keine klare Grenze zwischen «gut genug» und «nicht ausreichend» gab. Natürlich kann Perfektionismus aber auch selbst auferlegt sein. Persönliche Temperamente und angeborene Veranlagungen spielen eine Rolle. Beispielsweise neigen Menschen mit autistischen Eigenschaften oft zu ausgeprägtem Perfektionismus.

Und wie können perfektionistische Menschen an sich arbeiten? 

Es ist wichtig, nie zu vergessen, dass niemand perfekt ist. Fehler sind normal, viele davon sind schlicht unwichtig und andere helfen uns zu lernen. Wenn der Wunsch besteht, den eigenen Perfektionismus loszuwerden, dann kann eine psychotherapeutische Kognitive-Verhaltenstherapie eine Lösung sein. Aber man muss auch immer an sich selbst arbeiten, indem man seine eigenen Gedanken und das Verhalten hinterfragt. 

Vielen Dank für das Gespräch.
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