PCOS-Behandlung: individuell auf die Frau abgestimmt

Das Polyzystisches Ovarialsyndrom ist immer noch vielen unbekannt

PCOS_zwei junge Frauen in den Bergen

Spoiler

  • Typische Symptome eines PCOS sind ein unregelmässiger Zyklus, ein männlicher Behaarungstyp, Übergewicht und unreine Haut. Die PCOS-Behandlung richtet sich nach den individuellen Beschwerden.
  • Viele der Betroffenen produzieren zu viele männliche Hormone und weisen eine Insulinresistenz auf. Somit haben Frauen mit PCOS ein erhöhtes Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken.
  • Bei unregelmässigem Zyklus haben Betroffene Mühe, spontan schwanger zu werden. Frauen mit PCOS werden jedoch genau so häufig schwanger wie Frauen ohne. Die Zeitdauer bis zum Eintreten der Schwangerschaft ist aber oft länger und reproduktionsmedizinische Unterstützung ist häufiger notwendig.

Hinter dem Begriff Polyzystisches Ovarialsyndrom verbirgt sich eine hormonelle Störung, die Frauen im gebärfähigen Alter betrifft und zu zahlreichen Beschwerden führen kann. Zu den typischen Symptomen gehören:

  • Unregelmässiger Zyklus: Meistens tritt die Periode zu selten auf. In selteneren Fällen bekommen Betroffene ihre Periode in zu kurzen Abständen.
  • Vermehrte Körperbehaarung (Hirsutismus): unerwünschte Haare an für Männer typischen Stellen, beispielsweise im Gesicht, an den Oberschenkeln, dem Gesäss, dem Bauch oder dem Rücken.
  • Haarausfall auf dem Kopf: beispielsweise in Form von Geheimratsecken.
  • Gewichtsprobleme: Zwei Drittel der betroffenen Frauen sind übergewichtig.
  • Unreine Haut: Akne und Unreinheiten treten auch noch im Erwachsenenalter auf.
  • Eingeschränkte Fruchtbarkeit: Einige Frauen mit PCOS haben Probleme, spontan schwanger zu werden.
  • Polyzystische Eierstöcke: Viele kleine Eibläschen zeigen sich in den Eierstöcken und sind mithilfe einer Ultraschalluntersuchung sichtbar.

Nicht bei allen Betroffenen sind die Symptome gleich stark ausgeprägt oder treten überhaupt auf. Dementsprechend passt sich auch die PCOS-Behandlung den individuellen Bedürfnissen der Frau an.

Männliche Hormone und Insulinresistenz

Die Ursachen der Erkrankung sind noch nicht vollständig geklärt, man weiss jedoch, dass die Gene eine Rolle spielen, denn PCOS tritt in manchen Familien gehäuft auf. Fest steht, dass körpereigene Regulationsmechanismen gestört sind. Dies zeigt sich unter anderem dadurch, dass viele der Betroffenen einen gestörten Insulinstoffwechsel oder einen Überschuss an männlichen Hormonen aufweisen. Die männlichen Hormone sind häufig verantwortlich für den unerwünschten Haarwuchs.  Eine Auffälligkeit ist das Gewicht: «Bis zu zwei Drittel der Betroffenen sind übergewichtig», so Dr. Roth-Hochreutener. «Es ist jedoch nicht per se das Übergewicht, das für die Entstehung von PCOS verantwortlich ist. Vielmehr haben Frauen mit PCOS ein grösseres Risiko für ein erhöhtes Körpergewicht.» Das zeigt sich ausserdem daran, dass auch normalgewichtige Betroffene an einer Insulinresistenz leiden können. 

PCOS hat langfristige Folgen für die Gesundheit. Viele der Betroffenen entwickeln ein metabolisches Syndrom oder einen Typ-2-Diabetes. Auswirkungen auf die kardiovaskuläre Gesundheit und die Entstehung von Krebs, beispielsweise in der Gebärmutterschleimhaut, sind ebenfalls bekannt. Zudem ist die Fruchtbarkeit eingeschränkt aufgrund des fehlenden oder selteneren Eisprungs.  «Nicht zuletzt leidet die Psyche: Die Kombination aus hormonellem Ungleichgewicht, der vermehrten Körperbehaarung und dem Übergewicht kann psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Essstörungen begünstigen. Häufig kommt es auch zu psychosexuellen Funktionsstörungen, wenn sich Betroffene für ihren Körper schämen», weiss die Ärztin.

Typ-2-Diabetes: nicht zu unterschätzen

Frauen mit PCOS haben ein erhöhtes Risiko, einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln. Die Zellen der Bauchspeicheldrüse produzieren nach Mahlzeiten und dem daraufhin steigenden Blutzuckerspiegel Insulin. Das Insulin hilft, den Blutzucker in die Zellen aufzunehmen und dort zu verwerten. Bei vielen Frauen mit PCOS ist der Insulinspiegel erhöht. Irgendwann ist die Bauchspeicheldrüse erschöpft und kann nach der Nahrungszufuhr nicht mehr genügend Insulin produzieren.  Als Konsequenz steigt der Blutzuckerspiegel an und die Frauen entwickeln Diabetes. Der hohe Insulinspiegel fördert wiederum die Gewichtszunahme und die Produktion männlicher Hormone, die ihrerseits die Beschwerden verstärken. Es entsteht ein Teufelskreis.

Wird der Typ-2-Diabetes nicht behandelt oder ist die Patientin falsch eingestellt, drohen Folgeerkrankungen an Herz und Gefässen sowie Schäden an den Nieren, den Augen und den Nerven.

So wird PCOS diagnostiziert

«Ziel ist es, Frauen frühzeitig zu diagnostizieren, um rasch mit der PCOS-Behandlung zu beginnen und Folgeerkrankungen wie Diabetes zu verhindern», erklärt Dr. Roth-Hochreutener. Dafür haben sich die drei Rotterdam-Kriterien etabliert. Nachdem andere Krankheiten mit ähnlichen Beschwerdebildern ausgeschlossen wurden, müssen mindestens zwei dieser Rotterdam-Kriterien erfüllt sein, um die Diagnose PCOS stellen zu können:

  1. Zyklusstörungen (Zykluslängen von mehr als 35 Tagen oder weniger als 21 Tagen)
  2. Polyzystische Eierstöcke:  Es können mehr als 20 Eibläschen an mindestens einem Eierstock gezählt werden oder das Volumen eines Eierstocks ist grösser als zehn Milliliter.
  3. Übermass von männlichen Hormonen im Blut oder vermehrte Körperbehaarung (Hirsutismus)

Die Diagnosestellung ist komplex: Viele Frauen beginnen schon im Jugendalter, die Pille einzunehmen. Dadurch werden mögliche Zyklusstörungen überdeckt. Die Anzahl der ‘Zysten’, die eigentlich unreife Eibläschen sind, kann man am besten in den ersten fünf Tagen der Periode mittels einer Ultraschalluntersuchung auszählen. «Mit Gründung des PCOS-Zentrums haben wir uns das Ziel gesetzt, die Aufmerksamkeit auf das Krankheitsbild PCOS bei Gynäkologinnen und Gynäkologen, aber auch bei Patientinnen selbst zu steigern und das Wissen zu vermitteln, wie eine korrekte Diagnose gestellt wird.», so die Oberärztin. 

Erschwerend kommt hinzu, dass PCOS mit anderen Erkrankungen verwechselt werden kann, da die Symptome teilweise uneindeutig sind. «Beim Ausbleiben der Periode sollte man natürlich zuerst an eine Schwangerschaft denken. Aber auch zu früh einsetzende Wechseljahre oder Störungen der Hirnanhangdrüse können potenzielle Ursachen für die ausbleibende Periode sein», erklärt Dr. Roth-Hochreutener. Bei stark erhöhten männlichen Hormonen, die schnell ansteigen, sollte auch an einen Tumor gedacht werden, obwohl diese Ursache äusserst selten ist.

Zudem können Störungen des Cortisolstoffwechsels oder eine genetische Erkrankung, das sogenannte late-onset AGS, zu ähnlichen Symptomen führen wie das PCOS.  «Es braucht also eine fachmännische Diagnose, um die Erkrankung nachweisen zu können. Ich empfehle Frauen, die die Störung vermuten, sich bei ihrem Gynäkologen vorzustellen und bei Unklarheiten eine Zuweisung an ein spezialisiertes Zentrum in die Wege leiten zu lassen», so die Ärztin.

PCOS-Behandlung: Ernährung, Sport und Hormone

«Ein Therapiekonzept für alle Betroffenen gibt es nicht», stellt Dr. Roth-Hochreutener klar. Aufgrund der unterschiedlich stark auftretenden Symptome haben Frauen mit PCOS deshalb spezifische Behandlungsschwerpunkte. «Am PCOS-Zentrum arbeiten wir zusammen mit Diabetologen, Adipositasspezialisten, Sportmedizinern, Dermatologen und auch Psychologen, um die optimale Behandlungsmöglichkeit für jede Patientin zu finden». Heilen lässt sich die Erkrankung zwar nicht, dennoch ist es möglich, die Beschwerden zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu steigern. Beispielsweise mit Diabetesmedikamenten mit dem Wirkstoff Metformin, der den Blutzucker senkt. Da Metformin jedoch zu Magen-Darm-Beschwerden führen kann, muss gelegentlich die Behandlung abgebrochen werden. Bei Unverträglichkeiten können die Patientinnen auf das Nahrungsergänzungsmittel Inositol wechseln. Ähnlich wie Metformin kann dieses den Zyklus regulieren und das Eintreten eines Eisprungs fördern. Bei Frauen ohne Kinderwunsch und ohne Risikofaktoren ist die Einnahme einer Antibaby-Pille eine Option. Sie stellt den Zyklus wieder her und männliche Hormone werden reduziert. 

Der Grundpfeiler der PCOS-Behandlung ist allerdings eine gesunde, ausgewogene Ernährung und ausreichende Bewegung. Alleine eine Reduktion des Körpergewichts um fünf bis zehn Prozent kann dabei helfen, den Zyklus zu regulieren, die Fruchtbarkeit zu steigern und das hormonelle Ungleichgewicht zu korrigieren. (Wenn du mehr über die Rolle der Ernährung bei PCOS erfahren möchtest, findest du hier einen Artikel dazu.)

Mit dem Einsetzen der Wechseljahre haben die meisten Frauen keine Symptome von PCOS mehr.

Angepasste PCOS-Behandlung bei Kinderwunsch

Aufgrund des unregelmässigen Zyklus ist es für viele Frauen mit PCOS häufig schwieriger schwanger zu werden. Sie verpassen oft ihr fruchtbares Fenster, weil sich der Eisprung nicht richtig abschätzen lässt oder gar komplett ausbleibt. Die gute Nachricht: «Studien haben gezeigt, dass Frauen mit PCOS genauso häufig schwanger werden wie Frauen ohne das Syndrom. Sie brauchen einfach oft mehr Zeit und Unterstützung mit reproduktionsmedizinischen Massnahmen», beruhigt die Ärztin. Frauen, die schwanger werden möchten und nach zirka sechs Monaten noch keinen Erfolg haben, sollten sich deshalb bei einem Kinderwunschzentrum vorstellen, um weitere Abklärungen und mögliche Unterstützungsangebote zu besprechen.

Aktuelles Forschungsprojekt: PCOS am Auge erkennen

Zurzeit arbeitet das PCOS-Zentrum des Universitätsspitals Zürich gemeinsam mit der Augenklinik an einem spannenden Projekt zur Früherkennung des Syndroms mithilfe moderner augenärztlicher Instrumente. In speziellen Untersuchungen schaut man sich die kleinen Blutgefässe im Augenhintergrund an, in der Hoffnung, so PCOS oder mögliche Folgeerkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck frühzeitig erkennen, beziehungsweise verhindern zu können.

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