Spoiler
- Eine Parodontitis ist eine Entzündung der Zahnverankerung. Sie ist zusammen mit der Karies die Hauptursache für Zahnverlust und betrifft zirka 40 Prozent der Schweizer Bevölkerung.
- Auslöser sind eine unbehandelte Zahnfleischentzündung (Gingivitis), die durch eine mangelnde Mundhygiene entsteht. Rauchen, Diabetes und eine ungesunde Ernährung erhöhen das Risiko.
- Durch die Entzündung bildet sich der Knochen zurück und es kommt zu tiefen Zahnfleischtaschen, in denen sich aggressive Bakterien ansammeln.
- Mit regelmässigen professionellen Reinigungen lässt sich Parodontitis behandeln, der Abbau des Knochens kann jedoch nicht rückgängig gemacht werden.
Wer zu selten zu Zahnbürste und Zahnseide greift oder falsch putzt, riskiert, dass sich Bakterien ungehindert ausbreiten und das Zahnfleisch reizen. Als Folge kann es zu einer Zahnfleischentzündung (Gingivitis) kommen. Diese heilt in der Regel ab, sobald die Mundhygiene verbessert wird. «Vernachlässigt man jedoch weiterhin das Zähneputzen, kann die Entzündung auf die Zahnverankerung übergreifen», erklärt Prof. Ramseier. «Dabei werden das Gewebe, das den Zahn im Knochen verankert, sowie der Kieferknochen stetig abgebaut. Die Zähne fangen an zu wackeln.» Der Spalt, der auf diese Weise zwischen dem Zahnfleisch und dem Zahn entsteht, wird als Zahnfleischtasche bezeichnet. «Je stärker die Parodontitis voranschreitet, desto tiefer werden die Taschen, bis sie mehrere Millimeter ausmachen. Darin sammeln sich besonders aggressive Bakterien an, die man mit einer normalen Zahnbürste nicht erreichen kann», führt der Parodontologe aus. Mit der Zeit verkalken die Bakterien und werden zu Zahnstein, einem harten Material, dass sich ohne professionelle Hilfe nicht entfernen lässt. In der rauen Oberfläche des Zahnsteins lassen sich jedoch noch mehr Bakterien nieder und sorgen für weitere Entzündungsreaktionen. Um den Abbau des Knochens aufzuhalten und den Zahnverlust zu verhindern, ist es essenziell, eine Parodontitis konsequent zu behandeln. Dafür muss sie jedoch erst erkannt werden und das ist für Laien gar nicht so einfach, denn die Taschen bilden sich versteckt unterhalb des Zahnfleischs und verursachen im Frühstadium keine Schmerzen.
(Bild mit freundlicher Genehmigung: Parodont.ch)
Symptome einer Parodontitis
«Ein Hinweis auf eine Parodontitis ist Zahnfleischbluten, das nicht weggeht. Bewegliche Zähne und Mundgeruch, der durch die Anhäufung von Zahnstein entsteht, können weitere Anzeichen für die Erkrankung sein», sagt Prof. Ramseier.
Auf https://www.parodont.ch/selbsttest/ können Interessierte einen von Prof. Ramseier veröffentlichten Parodontitis-Selbsttest absolvieren.
Risikofaktoren
Zu den grössten Risikofaktoren für eine Parodontitis gehören aufgelistet nach Schweregrad:
- Bakterienbeläge: Eine ungenügende Mundhygiene fördert ihr Wachstum.
- Rauchen: Auch Raucherinnen und Raucher, die ihre Zähne regelmässig und korrekt putzen, haben ein höheres Risiko.
- Unbehandelter Diabetes: Parodontitis und Diabetes beeinflussen sich gegenseitig. Diabetikerinnen und Diabetiker, deren Blutzucker schlecht eingestellt ist, entwickeln häufiger Parodontitis. Umgekehrt entsteht bei an Parodontitis Erkrankten öfter Diabetes. «Menschen mit Diabetes sollten deshalb regelmässig ihre Zahngesundheit überprüfen und eine vorliegende Parodontitis behandeln lassen, da sie die Diabetes-Therapie negativ beeinflusst. Betroffene von Parodontitis sollten hingegen abklären, ob möglicherweise ein Diabetes vorliegt», rät Prof. Ramseier.
- Ernährung: Zu viel Zucker und zu viele zuckerhaltige Zwischenmahlzeiten können zu chronischen Entzündungen führen.
Komplikationen und Folgen für die Gesundheit
Die augenfälligste Folge einer Parodontitis ist der Verlust von Zähnen. Dies hat zum einen Auswirkungen auf das Erscheinungsbild, zum anderen aufs Portemonnaie, denn Zahnprothesen sind kostenintensiv und müssen alle 15 bis 20 Jahre erneuert werden, gibt Prof. Ramseier zu bedenken. «Deutlich günstiger sind regelmässige Zahnarztbesuche, bei denen eine Parodontitis frühzeitig erkannt und die Zähne professionell gereinigt werden können.»
Darüber hinaus begünstigt Parodontitis nicht nur die Entstehung von Diabetes, sondern erhöht auch die Risiken für die Herz-Kreislauf-Gesundheit wie etwa Bluthochdruck. Zudem kann sie zu Frühgeburten und einem verminderten Geburtsgewicht führen. Weiter wird ein Zusammenhang mit Alzheimer diskutiert. Grund für die Folgekomplikationen sind die konstant hohen Entzündungswerte im Körper. «Diese Erkenntnisse bedeuten jedoch nicht, dass alle Personen mit Parodontitis einen Diabetes oder Bluthochdruck entwickeln. Es handelt sich dabei um ein erhöhtes Risiko», weiss der Mediziner.
Zahlen zu Parodontitis
- 40 Prozent der erwachsenen Bevölkerung der Schweiz leiden an dieser Erkrankung.
- 10 Prozent der Betroffenen entwickeln eine schwere Form.
- Mit der Karies ist die Parodontitis die Hauptursache für Zahnverlust.
- Eine Parodontitis beginnt meistens zwischen 30 und 35 Jahren. Selten entwickelt sich die Entzündung erst ab 45 Jahren. Sehr selten betrifft es auch Jugendliche.
Parodontitis erfolgreich behandeln
«Die professionelle Zahnreinigung ist die effektivste Methode, um eine Parodontitis zu behandeln», so Prof. Ramseier. Dabei werden Bakterien und Zahnstein, die unterhalb des Zahnfleischrandes in den Taschen liegen, maschinell oder von Hand entfernt. In manchen Fällen ist ein chirurgischer Eingriff nötig: Dabei wird das Zahnfleisch aufgeschnitten, die dabei freigelegte Wurzeloberfläche gereinigt und wieder zugenäht.
«Je nach Tiefe der Zahnfleischtaschen sind alle drei bis sechs Monate weitere Reinigungen notwendig. Nur so können die Anzahl und die Tiefe der Taschen minimiert und der Zahnverlust aufgehalten werden. Der Knochen wächst durch diese Massnahmen allerdings nicht wieder nach», erklärt der Parodontologe.
Bei der professionellen Zahnreinigung müssen viele Betroffene ihre Zahnputzgewohnheiten neu lernen. Eine Dentalhygienikerin oder ein Dentalhygieniker gibt Tipps für die richtige Anwendung von Zahnbürste, Zahnzwischenraumbürste und Zahnseide. Auf https://www.mundhygiene-instruktion.ch/de/ finden Interessierte weitere Informationen.
Daneben sollten, wenn möglich, die Risikofaktoren vermieden werden. Dringend angeraten ist ein Rauchstopp sowie die Verringerung des Zuckerkonsums.
Zudem sollten Diabetikerinnen und Diabetiker ihren Blutzuckerspiegel korrekt einstellen.
«Das Behandeln einer Parodontitis erfordert von den Betroffene eine ordentliche Portion Arbeit und Motivation. Doch die regelmässige Dentalhygiene ist absolut notwendig, um die Zähne nicht zu verlieren», ruft der Mediziner in Erinnerung.
Vorbeugen mit alten und neuen Methoden
Die wirksamsten Massnahmen zur Vorbeugung sind schnell zusammengefasst: eine gründliche Zahnputzroutine, regelmässige Zahnarztbesuche und das Minimieren von Risikofaktoren.
Seit 1999 ist die Parodontitis-Kurzuntersuchung fester Bestandteil der zahnmedizinischen Routine. Um das Zahnfleisch auf Entzündungen oder Zahnfleischtaschen zu untersuchen, wird eine kleine Sonde beim Zahnfleischrand eingeführt. Dieser Vorgang ist für gewöhnlich schmerzfrei.
Während des Besuchs empfiehlt Prof. Ramseier aktiv Fragen zu stellen: ‹Wie steht es um mein Zahnfleisch? Wie ist der Zustand meiner Zähne? Wie oft sollte ich zur Dentalhygiene kommen? Reinige ich meine Zähne richtig?›
Diese kleinen, präventiven Schritte sind von grosser Bedeutung, da sie dazu beitragen, Folgekomplikationen zu vermeiden und Kosten im Gesundheitswesen zu reduzieren.
Eignet sich Ölziehen zur Vorbeugung?
Ölziehen stammt aus der ayurvedischen Medizin und wird auch hierzulande immer beliebter. Dabei wird Öl (beispielsweise Kokos- oder Sonnenblumenöl) für 15 bis 20 Minuten durch den Mund und die Zahnzwischenräume «gezogen», bevor es ausgespuckt wird. Bakterien sollen dadurch ans Öl gebunden und der Körper «entgiftet» werden. «Tatsächlich zeigen Studien, dass Personen, die regelmässig Öl ziehen, weniger Bakterien und weniger Entzündungen am Zahnfleisch aufweisen», so Prof. Ramseier. «Es ist allerdings unklar, ob dies tatsächlich am Öl liegt, oder ob diese Personen nicht sowieso bereits auf eine gute Mundhygiene und Gesundheitsprophylaxe achten», führt er aus.