«In die Schuhe anderer zu schlüpfen, tut gut.»

Verrätst du, was das Geschenk war? Und wieso wurde ein Film über Transsexualität daraus?

Alice Schwarzer und ich waren in einer Talkshow und hatten einen nach öffentlich-rechtlichen Standards flotten Abend. Anschliessend hat sie mir eine Art Alice-Schwarzer-Carepaket geschickt: Ihre Autobiografie und eine Ausgabe der Zeitschrift «Emma». Beim Blättern stiess ich auf ein Bild zu einem Artikel, eine Momentaufnahme von Vater und Sohn. Und ich dachte: Das wäre ein super Ende für einen Film. Wie könnte es zu diesem Moment gekommen sein? Ich wollte die Wahrheit gar nicht wissen, ich wollte sie mir ausdenken. Den Artikel habe ich erst sehr viel später gelesen. Was das Bild ist, kann ich leider nicht verraten, es ist ja das Ende des Filmes. (lacht)

Warst du da selbst schon Vater?

Nein, noch nicht. Aber ich fand es interessant, die Geschichte nicht zu psychologisieren, sondern ganz subjektiv aus der Warte des Vaters zu erzählen, der erst Stück für Stück begreift, was da gerade passiert. So geht es ja den meisten Eltern in der Realität. Die wissen erst mal gar nicht, wo ihnen der Kopf steht.

Wir haben uns dann mit Eltern getroffen, denen so was passiert ist. Die haben die verrücktesten und berührendsten Geschichten. Das hat «Oskars Kleid» natürlich gefüttert.

Du bist Schirmherr des Verbandes «Tic und Tourette-Syndrom». Woher kommt dein Interesse?

Aus dem Film «Vincent will Meer», den ich gemacht habe. Ich hatte eine Doku über das Tourette-Syndrom gesehen, die mich sehr berührt hat und dachte: Wenn ich es schon schwer finde, ein erwachsener Mensch zu werden, wie schwer muss es erst für jemanden sein, der an Tourette leidet?

Du kennst die Filmentstehung vom ersten Satz bis zur Preview. Welche Phase fordert dich am meisten heraus?

Ich bin jemand, der beim Schreiben der ersten Fassung des Drehbuchs gleich alle darin enthaltenen Probleme lösen möchte. Das ist wie gegen sich selbst Schach zu spielen, und zwar unter Wasser. Also das Schwierigste. 

Der schönste Schritt ist, wenn die Dinge aus dem Drehbuch wahr werden, wenn plötzlich ein Team da ist, Orte, Schauspieler. Bei «Der geilste Tag» war da auf einmal Afrika in seiner vollen Breite und Härte. All das war vorher ja nur auf meinem Computer neben meiner Kaffeetasse. Plötzlich stand ich da in der Wüste. Das war wie eine Art magischer Trick. 

Und das Stressigste?

Die Filmentstehung ist wie eine Zugreise. Anfangs ist man ganz allein, dann steigen immer mehr Leute zu. Irgendwann ist der Zug rappelvoll. Alle müssen über alles Bescheid wissen. Dann steigen nach und nach alle wieder aus und am Ende ist es ganz ruhig. Dann kommt die für mich aufreibendste Phase: Wenn der Film rauskommt. Da rege ich mich so sehr auf, das kann nicht gesund sein.

Was regt dich so auf?

Was ab hier aus dem Film wird, ist wie ein Lottospiel, du hast es nicht mehr in der Hand. Zum Beispiel, wie viele den Film sehen werden. 

Was hilft dir?

Innerliche Distanz. Philosophen raten doch oft, einmal pro Tag wie vom eigenen Sterbebett auf sein Leben zurückzublicken. Dieser Blick setzt für mich die Dinge ins Verhältnis: Ich operiere ja keine Menschen. Es geht nicht um Leben und Tod. Und am Ende meines Lebens wird diese Situation auch nicht die sein, auf die ich zurückblicke. Neben der Distanz helfen mir die Natur, Humor und das Gegenteil von Online-Medien. Das Handy eine Woche weglegen, rausgehen. Ich weiss, ich schaffe das auch nicht so gut, aber ich versuche es. 

Als Schauspieler muss man seine eigene Psyche gut kennen und seinen Schattenseiten ehrlich ins Auge blicken. 

Das ist ein Vorteil als Schauspieler. Auch das Negative, das im Leben passierte, füttert dich. Da stehst du dann mit dreimal gebrochenem Herzen und denkst dir: «Ach so ist das also.» Wenn man selbst einiges erlebt hat, ist es leichter, solche Situationen zu spielen. Jetzt, wo ich drüber nachdenke: Vielleicht ist unser Job gar nicht so nebensächlich. Vielleicht ist es essentiell, immer mal wieder in den Schuhen anderer zu stecken, ihre Tränen zu weinen, ihr Brot zu essen. Ob als Schauspieler oder später im Kinosessel. Vielleicht muss diese Fähigkeit ständig in uns geübt werden. Momentan hat man ja eher das Gefühl, die Position des anderen sei grundsätzlich ungültig.

Was war dein Talent und was musstest du lernen?

Ich war echt kein Instant-Genie. Ich musste menschlich reifen und einige persönliche Entwicklungen durchmachen. Vielleicht bin ich zu harmonisch aufgewachsen, aber manche Situationen konnte ich mir kaum vorstellen. An der Schauspielschule war ich neidisch auf die, die aus dem Stegreif in Tränen ausbrechen und ein Trauma darstellen konnten. Was ich von Anfang an gut konnte, ist analysieren und auf Traumreisen gehen. Und meine ehemalige Lehrerin würde sagen, dass ich auch besonders diszipliniert war. 

Wie viel vom echten Florian sehen die Zuschauer in deinen Rollen?

Jeder Schauspieler spielt natürlich mit seinem eigenen Blut und seiner Persönlichkeit. Auch so ein Spruch meiner Lehrerin: nie privat. Aber immer persönlich. 

Vielen Dank für das Gespräch.

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