Kannst du dich an den Moment erinnern, an dem du wusstest, dass Skifahren für dich mehr als nur ein Hobby ist?
Es gab nicht nur einen Moment, ich liebte schon von klein auf Sport, egal ob Skifahren, Schwimmen, Leichtathletik, Reiten oder Fussball. Als ich dann in eine Sportförderungsklasse wechselte, wurde mir bewusst, dass ich einen anderen Weg einschlage als viele in meinem Alter. Schon als Kind war der Olympiasieg für mich ein riesengrosser Traum, von dem ich mich aber lange nicht getraut habe, zu erzählen, einfach weil dafür am Tag X so viele Faktoren perfekt zusammenkommen müssen. Umso schöner, dass der 2022 wahr geworden ist.
Du gehörst du den Spitzensportlerinnen der Schweiz: Wie wichtig ist neben der körperlichen Fitness das Mindset?
Das ist extrem wichtig, bildet sogar das Fundament. Ich bin davon überzeugt, dass die Denkweise ausschlaggebend für den Erfolg ist. Um mit dem Druck umzugehen, arbeite ich seit Jahren mit einem Mentalcoach zusammen, der mich auf verschiedene Szenarien vorbereitet. Sport ist immer ein Wechselspiel aus Gewinnen und Verlieren. Ich möchte aus jeder Erfahrung lernen und es beim nächsten Mal besser machen.
Was war für dich die grösste Herausforderung?
Eine meiner grössten Hürden war sicherlich mein Sturz so kurz vor den Weltmeisterschaften im Januar. Ich wusste nicht, wann ich überhaupt wieder Skifahren würde – das war wirklich furchtbar.
Wie hast du es danach geschafft, weiterzumachen?
Die Tage nach dem Sturz waren sehr dunkel, ich musste oft weinen. Die Weltmeisterschaften bedeuten mir unheimlich viel und ich wollte diese Rennen unbedingt fahren. Ich habe mich abgelenkt, auf mich selbst konzentriert und meinem Körper die Ruhe gegeben, die er brauchte. Wenn der Körper nein sagt, muss man das akzeptieren. Ich habe das grosse Glück, ein super Umfeld zu haben. Ohne diese Menschen wäre es nicht möglich gewesen, nach dem Sturz wieder aufzustehen. So richtig erholen konnte ich mich erst, nachdem das letzte Rennen gefahren war. Heute geht es mir wirklich gut.
Du hast ja ein beeindruckendes Comeback mit Bronze bei der WM hingelegt. Was hast du aus dem Unfall für dich mitgenommen?
Ich habe ganz viel dazugelernt und bin sicher, dass mich das alles nochmals einen Schritt weitergebracht hat. Heute weiss ich, dass ich mich in Extremfällen auf mich verlassen kann. Das klingt jetzt so einfach, war es überhaupt nicht, aber da wären wir wieder beim Thema Mindset …
Wie tankst du abseits der Piste Kraft?
Ob in den Bergen oder auf dem See, ich bin einfach gerne draussen. Ich liebe Pferde und versuche so oft wie möglich reiten zu gehen. Da meine Liebsten im Winter häufig etwas zu kurz kommen, verbringe ich in den Sommermonaten möglichst viel Zeit mit ihnen.
Wenn du mal einen Blick in die Zukunft wirfst, wie soll die aussehen?
Ich wünsche mir einfach, dass ich das, was ich am meisten liebe, noch einige Jahre machen darf. Und dann? Gebe ich mein Wissen gerne an die Spitzensportler der Zukunft weiter.
Vielen Dank für das Gespräch.