Der «moderne Vater» von heute 

Und wie ihm die Modernisierung erschwert wird

Vater heute: Vater und Baby mit den Gesichtern ganz nah beieinander im Profil

Spoiler

  • Die Väter von heute möchten mehr in die Erziehung ihres Kindes involviert sein.
  • Unflexible Arbeitsmodelle und festgefahrene Stereotypen verhindern aber die Entwicklung der «modernen Väter».
  • Ausserdem müssen mehr Vorbereitungskurse und Plattformen – die für Mütter schon lange existieren – für Männer geschaffen werden, um den Austausch und die Unterstützung von werdenden Vätern zu fördern.
In letzter Zeit ist überall die Rede vom neuen, modernen Vater. Doch wie hat sich aus Ihrer Sicht die traditionelle Vaterrolle tatsächlich verändert?

Dadurch, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern mittlerweile nicht nur Verfassungsauftrag, sondern auch zivilgesellschaftlicher Konsens ist, wird es immer mehr zur Selbstverständlichkeit, dass Mütter berufstätig sind und Väter sich heute aktiv in die Erziehung einbringen. Daraus ergibt sich, dass die meisten Männer eine aktivere und emotionalere Rolle als Väter einnehmen wollen. Sie wollen sich von dem traditionellen Vaterbild lösen, es anders als ihre eigenen Väter machen und streben nach einer partnerschaftlichen Beziehung, in der beide Elternteile nach der Geburt der Kinder sowohl bei der Arbeit als auch in der Hausarbeit engagiert sind.

Ich höre viel «wollen» und «streben». Reden wir vielleicht mehr über moderne Vaterrollen als dass wir sie eigentlich leben?

Tatsache ist, dass die Durchschnittsfamilie mit der Geburt des ersten Kindes zu einer eher traditionellen Aufgabenteilung zurückkehrt. Auf der Einstellungsebene von Männern hat es in den letzten Jahrzehnten aber einen Wandel gegeben,  obwohl sich das gelebte Arbeitsarrangement äusserlich nicht gross von dem der eigenen Eltern unterscheidet. Der Vater von heute entwickelt ganz andere Ansprüche an sich selbst.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Die emotionale Beziehung zum Kind steht aktuell im Zentrum. Früher gab es für Männer das Idealbild des «guten Lebens»: respektabler Beruf, Familie, gesellschaftlicher Status und finanzielle Sicherheit. Heute ist das Ideal ein «glückliches Leben». Und Glücklichsein hat für die meisten Menschen mit emotionalen Beziehungen zu tun: lieben und geliebt werden. Und da ist die Beziehung zum eigenen Kind für viele Väter von heute das Wichtigste. Dazu muss man aber auch sagen, dass die Väter der vorhergehenden Generationen es auch viel schwerer hatten, wenn sie mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen wollten. Das war gesellschaftlich schlicht nicht vorgesehen.

Heute ja aber auch nicht. Der «moderne» Vater von heute steckt pro Woche laut dem Bundesamt für Statistik nur knapp 15 Stunden in die Betreuung seiner Kinder und arbeitet Vollzeit, während Frauen mehr als 22 Stunden investieren und entweder Teilzeit erwerbstätig sind oder ganz aufhören zu arbeiten.

Hier fehlt nach wie vor ein Wandel im Verständnis, was als Norm gilt. Denn heute verhindern gesellschaftliche Strukturen und Vorbehalte – wenn auch zu einem weniger extremen Grad –, dass Paare sich so aufteilen können, wie sie es gerne möchten. Für 47 Prozent der jungen Eltern ist die Idealvorstellung, dass beide Teilzeit arbeiten. Aber nur bei 13 Prozent ist das auch Realität. Hier gilt es, die Gleichstellungsbemühungen zu verstärken. Damit mehr Väter so Vater sein können, wie sie es eigentlich möchten. Aber auch eine Veränderung des Arbeitsmodells muss her. Viele Unternehmen bieten nur widerwilllig Teilzeitstellen an. Sie haben noch nicht wirklich erkannt, dass sich diese Strukturanpassung lohnt. Denn es ist genau diese Flexibilität, die verhindert, dass kluge Köpfe mit viel Erfahrung kündigen, weil die gebotenen Bedingungen es nicht erlauben, gleichzeitig präsenter Vater und Erwerbstätiger zu sein. Unser Väternetzwerk Schweiz (www.vaeternetzwerk.ch) macht genau auf das aufmerksam und unterstützt Unternehmen dabei, eine väterfreundliche Umgebung zu schaffen.

Und in den eigenen vier Wänden? Da übernehmen Frauen immer noch den Grossteil der Hausarbeit. Was braucht es hier, damit den «modernen» Vätern eine gerechte Aufgabenteilung gelingt?

Sehr vieles: Teilzeitjobs für Männer und Frauen auf allen Ebenen in Unternehmen und vernünftige Elternzeitregelungen, die auch von Männern genutzt werden können. Wir müssen auch sicherstellen, dass Männer und Frauen für die gleiche Arbeit den gleichen Lohn erhalten. Ausserdem ist es wichtig, dass die Arbeit, die im Haushalt und bei der Kinderbetreuung geleistet wird, mehr Anerkennung in der Gesellschaft erhält. Im Moment wird «Hausmann» von Männern und manchmal auch von Frauen nicht als attraktives Modell angesehen. Das liegt an vielen festgefahrenen Vorstellungen darüber, wie Männer und Frauen sein sollten.

Sie sprechen über festgefahrene Stereotypen. Wie können solche Vorurteile überwunden werden?

Indem wir den ehrlichen Austausch unter Vätern fördern und Platz schaffen, um über Überforderung, Ängste und Frustrationen zu sprechen. Angebote wie unsere Väterplattform www.niudad.ch oder www.maenner.ch/landkarte sind hier hilfreich und vermitteln Wissen. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass Frauen aktiv auf die Mutterschaft vorbereitet werden, während es für werdende Väter nur wenig Angebote gibt, die sich mit dem Thema «Vatersein» befassen. Männer.ch setzt sich für diese Veränderung ein, indem wir beispielsweise Vater-Crashkurse und Väterrunden im Rahmen von Geburtsvorbereitungskursen anbieten.

Welche Ratschläge oder Tipps haben Sie für junge Väter, die heute eine ausgewogene Balance zwischen Familie und Karriere anstreben?

Denkt schon vor der Geburt eures Kindes darüber nach, wie ihr eure Rolle als Vater gestalten und euer Leben organisieren möchtet. Dann sprecht ausführlich und konkret mit eurer Partnerin darüber. Wenn ihr euch gefunden habt: Geht gut vorbereitet in die Verhandlung mit euren Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen – und zwar mit der Bereitschaft, für euer Bedürfnis zu kämpfen.

Vielen Dank für das Gespräch.

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