Das Gehirngewitter: vier verschiedene Migränearten

Eine Übersicht verschiedener Ausprägungen

Spoiler

  • Migräne ist nicht gleich Migräne. Es gibt unterschiedliche Typen dieser neurologischen Erkrankung.
  • Sich seiner Migräneauslöser bewusst zu sein, ist eine effektive Methode, um Migräneanfälle zu verhindern.
  • Yoga und Muskelentspannung können dazu beitragen, Migräneanfällen vorzubeugen und auch während eines akuten Anfalls Linderung zu verschaffen.

Unterleibskrämpfe, der Rücken schmerzt … und gerade wenn man denkt, schlimmer kann es nicht werden, klopft noch ein ungebetener Gast an: die Migräne. Bei zwei von drei Migränepatientinnen tritt dieser Kopfschmerzansturm gemeinsam mit der Menstruation auf. «Das liegt daran, dass kurz vor dem Einsetzen der Periode der Östrogenspiegel rapide abfällt und damit das Risiko für einen Anfall steigt», erklärt Dr. med. Heiko Pohl. Der Experte macht klar, dass das Finden der idealen Behandlungsmethode mit einer einfachen Gewohnheit beginnt: dem Führen eines Zyklustagebuchs und eines Kopfschmerzkalenders. «So lässt sich die Häufigkeit der Migräneattacken, die Migränearten und der Zusammenhang mit dem Zyklus leichter verstehen.» Für diejenigen, mit einem vorhersehbaren Menstruationszyklus, gibt es eine Reihe an Möglichkeiten zur Prophylaxe: «Triptane, Magnesium und Naproxen können zur kurzfristigen Vorbeugung eingesetzt werden», verdeutlicht der Neurologe. «Eine weitere Möglichkeit ist die hormonelle Empfängnisverhütung, die präventiv Abwehr bietet.» 

Die stille Migräne 

Und plötzlich sieht man Funken und Blitze, alles flackert – farbige Zickzacklinien machen sich im Sichtfeld breit. Diese verrückte Lichtshow nennt sich Migräneaura und ist eine kurze Störung der visuellen Wahrnehmung, die zwischen fünf und 60 Minuten anhält. «Man nimmt an, dass bei der Migräneaura zahlreiche Nervenzellen im gleichen Hirnbereich aktiv werden und sich diese Aktivitätszunahme als Welle über die Hirnrinde ausbreitet», so Dr. Pohl. Viele Patienten fürchten dann um ihre Augen. Der Neurologe versichert jedoch: «Mit den Augen hat das nichts zu tun. Für die Aura ist ausschliesslich das Gehirn verantwortlich.» Bei der stillen Migräne tritt genau diese Aura ohne die typischen Kopfschmerzen auf. «Sie betrifft etwa 40 Prozent der Patienten mit Migräneaura und ist bislang leider nicht gezielt untersucht worden. Daher stützt sich die Therapie auf  Empfehlung für Migränearten mit Aura und Kopfschmerz.» Gut zu wissen: Die stille Migräne erhöht das Schlaganfallrisiko, insbesondere bei Frauen. «Ein Rauchstopp und das Absetzen östrogenhaltiger Kontrazeptiva sind nötig, um die kardiovaskuläre Gesundheit zu schützen», betont Dr. Pohl. 

Hirnstamm-Aura

Die Reise führt jetzt noch tiefer ins Innere des Gehirns. Im Hirnstamm treffen verschiedene Hirnnerven zusammen, die für diverse Funktionen wie Schmerzwahrnehmung, Gleichgewichtskontrolle oder Übelkeit verantwortlich sind. «Wenn sich die Blutgefässe in diesem Bereich verengen, leiden die Nervenzellen unter Sauerstoff- und Energiemangel, was zu einer Hirnstamm-Aura führen kann», erläutert der Experte. Anders als bei der normalen Migräneaura treten hier nicht nur visuelle Wahrnehmungsstörungen auf, sondern auch Symptome wie Schwindel, Tinnitus, Doppelbilder oder sogar Sprachlähmung. Bei der Therapie steht der Kalziumantagonist Flunarizin im Mittelpunkt. «Die Ergebnisse sind vielversprechend: bei etwa einem Drittel der Patienten gehen die monatlichen Kopfschmerztage deutlich zurück – um bis zu 50 Prozent. Leider müssen aber mögliche Nebenwirkungen wie Müdigkeit und Gewichtszunahme während der Behandlung in Kauf genommen werden.»

Wandernde Migränearten: Abdominelle Migräne

Beim Stichwort Migräne denkt man sofort an den Kopf. Aber tatsächlich gibt es Migränearten, welche den Schmerz auch in den Bauch verlagern können und so zu Übelkeit und Erbrechen führen. «Die überwiegende Leidensgruppe sind vor allem Kinder im Alter zwischen drei und 10.» Eine der häufigsten Fragen, die Eltern sich dann stellen, ist, wie zwischen normalen Bauchschmerzen und abdomineller Migräne unterschieden wird. «Diagnostiziert kann die abdominelle Migräne nur dann werden, wenn keine Anzeichen für eine entzündliche Darmerkrankung, Fehlbildungen, Stoffwechselstörungen oder eine Tumorerkrankung vorliegen», weiss Dr. Pohl. Um dieser Form von Migräne entgegenzuwirken, hilft es, individuelle Auslöser – auch Trigger genannt – zu erkennen und zu vermeiden. Bekannte Migränetrigger sind Stress, Schlafmangel, flackerndes Licht, Fasten oder körperliche Anstrengung. «Betablocker und Kalziumantagonisten helfen weiter, aber vielversprechend sind auch Ernährungsumstellungen wie eine ballaststoffreiche Ernährung und der Verzicht auf Laktose bei Intoleranz.» 

Entspannung durch … 

Progressive Muskelrelaxation

Das gezielte An- und Entspannen diverser Muskelgruppen senkt den Blutdruck und verlangsamt die Atmung. 5 bis 25 Minuten täglich können die Migränehäufigkeit um 35 bis 45 Prozent reduzieren.

Dynamisches Duo

Bewegung reduziert die Anzahl Migränetage und die Intensität der Anfälle. Vor allem Yoga und Ausdauersport wirken vorbeugend und sollten dreimal wöchentlich für 40 Minuten betrieben werden.

Autogenes Training

Mit der Kraft der Gedanken können migräneassoziierte Hirnregionen aktiv beeinflusst werden. Wiederholte Affirmationen wie «Mein Kopf ist leicht» helfen dann zum Beispiel Kopfschmerzen aufzulösen.

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