Der weibliche Orgasmus: «Oh yeah!»

Der weibliche Orgasmus hat nichts mit Magie zu tun, sondern mit Training

Frucht

Spoiler

  • Viele Frauen konzentrieren sich bei der Selbstbefriedigung nur auf die Klitoris. Das Innere, die Vagina, wird dadurch nicht auf sinnliche Berührungen sensibilisiert.
  • Deshalb fällt es vielen Frauen schwer, nur durch reinen Geschlechtsverkehr zum Höhepunkt zu kommen.
  • Ein Orgasmus ist lernbar! Durch Training – Masturbieren – können Frauen ihre Vagina an sexuelle Reize gewöhnen.
Viele Frauen haben Schwierigkeiten, beim Sex einen Orgasmus zu bekommen. Studien zeigen: Nur jede dritte Frau kommt beim Geschlechtsverkehr zum Höhepunkt. Woran liegt das?

Die Antwort ist ziemlich banal: Die Vagina, also der innenliegende Teil des weiblichen Geschlechtsorgans, wird zu wenig in die Selbstbefriedigung miteinbezogen. Häufig steht beim Masturbieren die Klitoris im Vordergrund. Deshalb kommen viele Frauen mit ihrer Vagina nur durch das Einführen eines Tampons oder durch einmaliges Erkunden in Berührung.

Die in der Vagina liegenden Nerven sind dadurch nicht auf das Gefühl der sexuellen Erregung sensibilisiert. Innere Penetration – also durch den Penis beim Geschlechtsverkehr – führt bei diesen Frauen nicht zum Orgasmus.

Das bedeutet allerdings nicht, dass Frauen, die nur durch die Befriedigung der Klitoris oder gar nicht zum Orgasmus kommen, ihr Sexleben auf den Kopf stellen müssen. Wer zufrieden ist, muss auch nichts ändern.

Heisst das, dass Frauen lernen können, zu einem Orgasmus zu kommen?

Ja. Sex ist nicht so magisch, wie viele denken, und Orgasmen haben nichts mit Glück oder Zufall zu tun. Wie eine Fremdsprache oder ein Musikinstrument kann eine Frau lernen, zum Höhepunkt zu kommen. Orgasmus-Training klingt zwar unsexy, das Resultat von regelmässigem Lernen – in diesem Falle Masturbieren – ist jedoch umso reizvoller. Dazu braucht es allerdings viel Geduld. Der Orgasmus kommt nicht von heute auf morgen.

Ein erster Schritt auf dem Weg zum Höhepunkt ist die Veränderung der Masturbations-Gewohnheiten. Anstatt nur die Klitoris zu befriedigen, sollte die Frau ihren Finger in die Vagina einführen. Dabei kann es am Anfang durchaus vorkommen, dass sie die Erregung verliert, da die Assoziation «Vagina und Lust» im Hirn noch nicht gefestigt wurde.

Können bei der Selbstbefriedigung Sextoys behilflich sein?

Sextoys sind sicher eine gute Ergänzung. Doch die Finger haben einen entscheidenden Vorteil: Durch sie lernt das Hirn doppelt, sich an die neue Berührung zu gewöhnen. Sowohl die Vagina als auch die Sensoren in den Fingerspitzen senden Reize an das Gehirn.

Wie kann der Mann die Frau auf dem Weg zum Orgasmus unterstützen?

Der Mann kann am Anfang nicht viel tun. Die Frau muss sich und ihren Körper zuerst selber kennen, um ihre Erfahrungen in die Partnerschaft zu übertragen. Auch hier hilft der Vergleich mit einem Musikinstrument: Wer in einem Orchester spielen will, muss zuerst sein Instrument beherrschen.

Das Training kann Monate dauern. In dieser Zeit sollten Paare allerdings nicht auf Sex verzichten. Es kann passieren, dass der Sex zu Beginn nicht mehr so funktioniert, wie es das Paar gewohnt ist. Da sich die Frau unter Umständen anders bewegen muss, um einen Orgasmus zu erleben, kann es zu Störungen in der bewährten Sex-Routine kommen. Dies kann den Mann natürlich verunsichern. Wichtig ist deshalb, dass beide ihr «Programm» an die neuen Bedürfnisse anpassen.

In Pornos kommen Frauen immer, manchmal sogar mehrmals. Sind manche Männer deshalb enttäuscht, wenn die Frau keinen Orgasmus hatte?

Das hat weniger mit dem Pornokonsum zu tun als vielmehr mit der Selbstverständlichkeit, mit der Männer mit ihrem Geschlechtsorgan umgehen. Männer haben viel häufiger Kontakt zu ihrem Penis als Frauen zu ihrer Vagina. Das zeigt sich schon beim Urinieren, bei dem der Mann den Penis mit der Hand umfasst. Bei Frauen fallen diese kleinen täglichen Berührungen weg. Da die meisten Männer jedes Mal und mühelos kommen, ist es für einige schwer verständlich, weshalb manche Frauen solche Schwierigkeiten damit haben.

Pornos können diese Auffassung verstärken. Allerdings wissen auch die meisten Frauen nur sehr wenig über ihren eigenen Orgasmus. Dass man diesen erlernen kann, ist den wenigsten bekannt.

Sie bieten am ZISMed den Kurs «Mit Genuss zum Orgasmus» für Frauen an. Wer kommt in diese Gruppe?

Unsere Therapiegruppe besteht aus ganz unterschiedlichen Frauen. Die jüngste Teilnehmerin ist gerade einmal 19 Jahre alt, die älteste 78! Jede Frau hat eine andere Motivation, am Kurs teilzunehmen und entwickelt deshalb auch ein anderes Ziel.

Manche haben gar keinen Sex, andere schlafen zwar mit ihrem Partner, haben aber nicht wirklich Lust dazu. Es gibt auch solche, die eigentlich zufrieden sind mit ihrer Paarsexualität, allerdings nur durch äussere Stimulation kommen können. Andere hatten noch nie einen Orgasmus.

Die Sitzungen bestehen einerseits aus Atem- und Bewegungsübungen, andererseits lernen die Teilnehmerinnen in einem theoretischen Teil mehr über ihr Geschlechtsorgan. Zusätzlich werden nach jeder Stunde Hausaufgaben verteilt, über die dann in der nächsten Sitzung ausgiebig diskutiert wird.

Die Teilnehmerinnen tauschen sich sehr offen über ihre Erfahrungen aus. Frauen haben oft ein hohes Kommunikationsbedürfnis und sind froh, wenn sie merken, dass sie mit ihren Ängsten und Problemen nicht alleine sind. Die Gespräche geben ihnen Sicherheit.

Vielen Dank für das Gespräch!
Facebook
Email
Twitter
LinkedIn