Mit Rückenmark-Implantat nach Wirbelsäulenverletzung wieder gehen

Tetraplegiker kann dank Brain-Spine-Interface die Beine bewegen

Rückenmark-Implantat: Fussspuren im Sand

Der Weg zurück auf die Beine

Der durch das Forschungsteam im Mai 2023 in nature publizierte Artikel berichtet vom Prozess, der den teilgelähmten Patienten wieder auf die Beine brachte – ein Prozess von mehreren Jahren Forschung und Entwicklung. Im Rahmen eines klinischen Versuchs wurde dem Patienten zunächst ein System zur Stimulation der Nervenwurzeln implantiert. Dabei werden mithilfe von 16 kleinen Elektroden und einem elektrischen Pulsgeber die Motorneuronen im Rückenmark per Knopfdruck stimuliert. Bereits mit diesem System war Oksam in der Lage, mit einem Rollator zu gehen. Trotz regelmässiger Nutzung der Rückenmark-Implantate konnten nach drei Jahren keine weiteren Fortschritte verzeichnet werden. Im nächsten Schritt wurden 64 Elektroden am Gehirn eingesetzt, welche die Signale des sensomotorischen Kortex, der die willkürlichen Muskelbewegungen steuert, auslesen und an eine tragbare Recheneinheit weiterleiten. Dort werden die empfangenen Daten in eine Bewegungsvorhersage umgerechnet und Stimulierungsbefehle an die Elektroden im Rückenmark geschickt. Dank dieses Brain-Spine-Interfaces (kurz BSI) wurden auch komplexe Bewegungsabläufe möglich. So ist Oksam nun nicht nur in der Lage, ohne weitere Hilfsmittel zu gehen, sondern ausserdem Treppen zu steigen oder sich auf unebenem Untergrund zu bewegen. Darüber hinaus kann er mittlerweile selbst bei deaktiviertem BSI mit Krücken gehen, was das Forschungsteam zu dem Schluss bringt, dass die Gehirn-Rückenmark-Implantate dabei helfen, nach einer Lähmung natürliche Bewegungskontrolle zu erlangen.

Gehirn-Rückenmark-Implantate bei anderen Patienten

Bereits neun weitere Patienten, teilweise mit kompletten Querschnittslähmungen, wurden für diese Form der Stimulation über Rückenmark-Implantate evaluiert. Aktuell ist aber Oksam noch der einzige, der das Brain-Spine-Interface trägt. Die Forschenden erwarten keine Probleme des BSI bei anderen Patienten und wollen künftig auch die Hände ansteuern. Neben unfallbedingten Lähmungen könnte das System ausserdem bei Schlaganfallpatienten mit Halbseitenlähmung zum Einsatz kommen. Andere Experten sind noch skeptisch, ob die Elektroden zur sensomotorischen Messung bei anderen Patienten genauso gut funktionieren wie bei Oksam, da er teilweise noch Sensibilität besitzt. Wie es für vollständig Querschnittsgelähmte aussieht, bei denen gar kein Feedback zum Gehirn gegeben werden kann, ist unklar. Neben der Ungewissheit, ob Patienten danach wieder gehen können, wird zudem der Umfang des Eingriffs kritisch beobachtet – schliesslich ist zur Implantation des BSI eine fünf Zentimeter grosse Öffnung des Schädelknochens notwendig.

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