Menstruation: Frauen zwischen Schmerz, Einschränkung und Scham

Menstruation Frauen: Frau hält sich die Hände vor den schmerzenden Unterbauch

Schmerzmittel, Couch statt Gym und dunkle Kleidung

Eine repräsentative Umfrage der Groupe Mutuel zeigt, wie starke Schmerzen während der Menstruation von vielen Frauen ausgehalten werden. Im Durchschnitt haben Schweizerinnen jeden Monat mittelstarke Schmerzen, 5,16 auf einer Skala von 1 bis 10. Bei jüngeren Frauen unter 35 leidet sogar ein Viertel unter starken Schmerzen und gibt eine 8 auf der Schmerzskala an. Keine Seltenheit, um im Alltag dennoch funktionieren zu können: Schmerzmittel. Mehr als ein Drittel der Befragten nimmt ab und zu oder regelmässig etwas ein, bei jüngeren Frauen sind es 40 Prozent.

Apropos Einfluss auf den Alltag: Nur 10 Prozent fühlen sich während der Menstruation nicht eingeschränkt, während 20 Prozent der Frauen stark eingeschränkt sind. Mit 60 Prozent verzichtet mehr als die Hälfte auf bestimmte Aktivitäten wie Geschlechtsverkehr (fast 50 Prozent), Schwimmen (ebenfalls jede zweite) und generell auf Sport (33 Prozent). Auch hier sind im jüngeren Publikum die Zahlen höher.

Bloss keine helle Kleidung, darauf sieht man jedes Malheur – das bestätigt jede zweite Studienteilnehmerin, die sich wochenweise bewusst für dunkle Outfits entscheidet.

Wie sich Frauen über Menstruation informieren und darüber sprechen

Für die allermeisten Frauen ist ihre gynäkologische Praxis die erste Anlaufstelle, wenn sie Fragen haben (80 Prozent). Gerade ältere Damen und die Frauen der Westschweiz und des Tessins haben grosses Vertrauen in medizinische Fachpersonen. Eine weitere wichtige Informationsquelle, vor allem für junge Frauen und Deutschschweizerinnen, ist das Internet (63 Prozent). Daneben spricht man in der jüngeren Generation vermehrt auch unter Freundinnen über die Periode.

Laut Umfrage ist es für 86 Prozent der Frauen nicht unangenehm über ihre Menstruation zu sprechen. Trotzdem wird sie überwiegend noch negativ kommuniziert. Die häufigsten assoziierten Begriffe waren (natürlich) «Schmerzen», «mühsam» und «unangenehm». Nur bei einem Viertel der Deutschschweizerinnen wurde die Menstruation von Frauen mit «Weiblichkeit» gleichgesetzt. In der Westschweiz findet man die Periode eher «peinlich» und «unangenehm». Doch ganz unabhängig von der Region, «Schmerzen» sind der unangefochten am meisten genannte Begriff, der mit diesen Tagen assoziiert wird.

So zeichnet sich ein klares Bild davon, wie sich die Menstruation bei Frauen auf den Alltag auswirkt. Und das ist nur der Anfang: «Wir wissen noch viel zu wenig über die spezifischen Anliegen von Frauen in der Medizin. Nur vier Prozent der Forschungsgelder im Gesundheitsbereich weltweit widmen sich der Frauengesundheit. Mit unserem Start-up […] und weitere Initiativen möchten wir unseren Teil dazu beitragen, dass die Gesundheit der Frauen weiter gefördert wird», schliesst Sophie Revaz, Mitglied der Geschäftsleitung der Groupe Mutuel.

Aktuelles Beispiel aus den Medien: Menstruation immer noch ein Tabu?

Jüngst wird die britische Triathletin Emma Pallant-Browne in den Sozialen Medien gefeiert für ihre Offenheit über ihre Periode. Die Vorgeschichte: Es wurde ein Foto von ihrem Lauf in Ibiza veröffentlicht, auf dem man primär eine durchtrainierte Frau in einem pinken Badeanzug sieht – mit einem Blutfleck im Schritt. In den Kommentaren schlägt daraufhin ein User vor, das Bild so zu schneiden, dass man das Blut nicht mehr sieht. Daraufhin antwortet die Athletin ganz ungeniert: «Danke für die Sorge, aber ich scheue mich nicht, darüber zu sprechen, denn das ist die Realität von Frauen im Sport. Meine Periode kommt im Verlauf des Monats und es gibt einen Tag, an dem sie sehr stark ist. Ich bete, dass es nicht am Tag eines Rennens ist, aber hin und wieder passiert es […]» und postet das Bild nochmals auf ihrem eigenen Kanal. Generell sei auf vielen Fotos nichts zu sehen, weil sie sich an Verpflegungsstationen mit Wasser übergiesse. Klappt das nicht, sieht man Periodenblut. Ausserdem erklärt sie, warum sie im hellen Badeanzug unterwegs gewesen sei trotz Menstruation: «Ich hatte den Badeanzug an, weil ich bei heissen Rennen überhitze und ohnmächtig werde. Während meiner Periode ist meine Körpertemperatur höher. […] Wir haben mit den hellen Farben experimentiert, um einen kühlenden Effekt zu erzielen.» Sie möchte nichts beschönigen, aber es sei ihr wichtig, mit Fotos wie diesen die Menstruation bei Frauen im Sport zu normalisieren. Ein Foto zu bearbeiten würde suggerieren, dass etwas nicht stimmen würde. «Wenn ihr mir schreibt, 99 Prozent der Frauen würden sich gedemütigt fühlen, dann ist das genau der Grund, wieso ich das teile, weil damit nichts falsch ist. […] Ich komme von Essstörungen als Langstreckenläuferin und als ich aufgewachsen bin, hatte ich meine Periode nicht. Deswegen sehe ich sie jetzt als etwas Wunderschönes.» Von Frauen erhält sie hauptsächlich für zweierlei grosse Anerkennung: dass sie trotz des intensiven Sports noch ihre Periode bekommt und vor allem, dass sie in dieser Zeit in der Lage ist, solche Leistungen abzurufen.

Woher kommt das sogenannte Period Shaming?

Period Shaming beschreibt die Scham vor der eigenen Menstruation, die Frauen empfinden, aber auch das Gegenüber. Dieses Gefühl geht auf unsere Geschichte zurück:

  • Seit Jahrtausenden bis heute hält sich in vielen Kulturen und Weltreligionen die Überzeugung, dass menstruierende Frauen unrein seien. Hippokrates glaubte ausserdem deshalb, dass Frauen schwächer und weniger dicht seien als Männer.
  • In der Neuzeit ging man davon aus, dass Frauen immer schwanger sein sollten, damit es nicht zur Periode kommt.
  • Bis ins 20. Jahrhundert reichen Theorien, dass Menstruationsblut giftig sei.
  • Selbst heutzutage wird in Werbungen für Hygieneartikel weiterhin klare, blaue Flüssigkeit anstelle von Blut verwendet und so das Thema weiter abstrahiert.
  • Im Schulunterricht wird die Periode nur angeschnitten, obwohl es ein so wichtiges Thema ist. In manchen Kulturen werden Mädchen von ihrer ersten Periode dermassen überrascht, dass sie häufig denken sterben zu müssen, weil sie bluten.

Auch wenn das Thema immer mehr an Offenheit gewinnt und weniger schambehaftet wird, muss es noch mehr zur Alltagsrealität werden, über die transparent gesprochen und sich informiert werden kann.

Lösungsansätze zur Enttabuisierung der Menstruation von Frauen

  • Das Thema sollte in der Gesellschaft ernstgenommen und häufiger diskutiert werden, schliesslich ist es ein ganz normaler biologischer Prozess eines reproduktionsfähigen Körpers.
  • Eine Steigerung der schulischen Bildung von Mädchen und Jungen zur Periode normalisiert diesen Teil des Zyklus.
  • Der Periodenarmut entgegenwirken: Menstruationsprodukte sollten in öffentlichen Gebäuden kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.
Facebook
Email
Twitter
LinkedIn