«Das oberste Gebot ist Glaubwürdigkeit»

Stefan Gubser über Vorlesen

Stefan Gubser
Herr Gubser, wie kamen Sie auf die Idee, ein Märchenbuch zu veröffentlichen?

Die Idee hatte eigentlich meine Tochter Stefanie. Die Eltern ihres Patenkinds hatten sie gebeten, doch einmal ein paar Schlaflieder einzusingen. Meine Tochter meinte, dass man doch gleich ein Buch daraus machen könnte, und fragte wiederum mich, ob ich dazu Lust hätte – und die hatte ich.

Warum war es Ihnen wichtig, dass die Märchen auf Schweizerdeutsch geschrieben sind?

Klassische Märchen und besonders die der Brüder Grimm kenne ich seit meiner Kindheit. Auf Schweizerdeutsch gibt es da fast nichts, deshalb haben wir sie übersetzt – auch im Hinblick auf die Eltern, die das Geschriebene so lesen können, wie sie ohnehin mit ihren Kindern sprechen.

Wie sind Sie als Kind zu Bett gebracht worden?

Damals gab es bei uns an jedem Abend dasselbe Ritual zur selben Zeit. Wenn der Vater von der Arbeit kam, wurde gegessen. Hinterher wurden die Zähne geputzt und um acht Uhr ging es ins Bett. Meine Mutter las mir vor, anschliessend wurde das Licht gelöscht.

Bei meiner Tochter habe ich das dann später ähnlich gemacht, vielleicht nicht mehr ganz so diszipliniert.

Wer waren die Helden Ihrer Kindheit?

Da gab es viele. Neben den Märchen hörte ich gern Robinson Crusoe, Tom Sawyer und Huckleberry Finn. Mein absoluter Liebling war Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer von Michael Ende. Das konnte ich jeden Abend hören.

Jetzt haben Sie eine Hör-CD zum Buch eingesprochen. Was fasziniert Sie am Vorlesen?

Ich mache seit mehr als 30 Jahren Filme. Drehbücher sind eher einfach gestrickte Texte im Vergleich zur klassischen Literatur. Texte wie Thomas Manns Zauberberg dagegen sind sehr anspruchsvoll. Als Leser muss man sich gut vorbereiten, um so einen schwierigen Text zu knacken und seinen Sinn herauszukitzeln. Das ist eine tolle Herausforderung.

Worauf sollten Eltern beim Vorlesen für ihre Kinder achten?

Ganz wichtig ist es, langsam zu lesen. Viele lesen zu schnell, weil sie den Text vor sich haben und überfliegen können. Der Zuhörer kann den Text aber nicht nachsehen, er ist auf ein langsames Sprechen angewiesen.

Hilfreich ist immer, die Stimme zu verstellen, damit klar ist, wer wer ist. Vorleser sollten auch den Rhythmus wechseln und mal schneller, mal langsamer werden. Wenn plötzlich langsamer gelesen wird, kommt automatisch etwas Geheimnisvolles rein.

Das oberste Gebot ist allerdings Glaubwürdigkeit. Man sollte sich den Text zu eigen machen und vorlesen, als würde man ihn gerade erfunden haben und erzählen. Das ist viel interessanter, weil es die Distanz zwischen dem Text und dem Vorleser abbaut.

Vielen Dank für das Gespräch.

Buchtipp

Stefanie und Stefan Gubser

Di gschtifleti Gans

Grimm-Märli und Schlafliedli zum Läse und Lose

Gebunden mit zwei CDs

Wörterseh Verlag

ISBN: 978-3-03763-087-7

Di gschtifleti Gans

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