«Zeitunglesen gehörte ja 50 Jahre lang dazu»

Ein Betroffener über sein Leben mit diabetischer Retinopathie

Mann Alt Brücke

Spoiler

  • Etwa 15 Jahre nach Beginn der Diabetes setzt bei Betroffenen die Augenerkrankung schleichend ein.
  • Roberto Vogel ist 73 und zuckerkrank. Er kann bei Dunkelheit auf einem Auge kaum noch sehen. Lesen ist fast unmöglich.
  • Eine Injektionstherapie zeigte Besserung und praktische Hilfsmittel unterstützen Roberto Vogel im Alltag.

Im Leben fast aller Typ-1-Diabetiker wird die diabetische Retinopathie leider irgendwann eine Rolle spielen. 15 Jahre nach Krankheitsbeginn sind etwa 90 Prozent dieser Patienten von der chronischen Netzhauterkrankung betroffen. Bei den Typ-2-Diabetikern ist es zu diesem Zeitpunkt jeder Vierte.

Bei dieser Erkrankung schädigt der hohe Blutzuckerspiegel die Gefässwände der Netzhaut, wodurch es zu einer Unterversorgung der Nervenzellen mit Sauerstoff kommt. Ist der Verlauf noch leicht, kann es zu Blutungen in der Netzhaut kommen. Bei schweren Verläufen kann es auch Blutungen im Augeninneren geben.

Schleichender Verlauf

Anfangs wird die diabetische Retinopathie oft gar nicht bemerkt, im Laufe der Jahre nimmt die Sehkraft jedoch langsam ab. Während eines schwächeren Verlaufs können zunächst dunkle Flecken im Blickfeld erscheinen. Später sehen Patienten oft verschwommen und unscharf, schwarze Punkte oder rote Schleier.

Wichtig: regelmässige Kontrollen

Wird die diabetische Retinopathie erst spät oder gar nicht erkannt, kann sie sogar zur Erblindung führen. Therapien können zwar den Krankheitsverlauf verlangsamen oder stoppen. Eine Heilung gibt es aber nicht. Deshalb sind frühzeitige und regelmässige Kontrollen beim Augenarzt für Menschen mit Diabetes so wichtig. Und es gibt Möglichkeiten der Vorbeugung wie eine optimale Einstellung des Blutzuckers, vernünftige Ernährung sowie Alkohol– und Nikotinverzicht.

Roberto Vogel (73) ist Typ-2-Diabetiker, vor 17 Jahren wurde er zuckerkrank. Die ersten Symptome seiner diabetischen Retinopathie hatte er kaum gespürt. Auf dem linken Auge kam es später zu einem Makulaödem, Flüssigkeit trat aus den Gefässen aus und führte zu einer Schwellung der Netzhautmitte.

Herr Vogel, mit welchen Symptomen Ihrer diabetischen Retinopathie leben Sie heute?

Wenn die Dämmerung einsetzt, kann ich auf dem rechten Auge kaum noch sehen. Deshalb ist Autofahren abends und nachts für mich tabu.

Die Symptome dieser diabetischen Augenerkrankung belasten zusätzlich zur Diabetes.

Ja, bei mir ist neben dem schlechten Sehen das unsichere Laufen die grösste Einschränkung. Aufgrund des Diabetes musste mir ein Zeh amputiert werden, wobei es zu Komplikationen kam. Die Knochenstellung ist verändert und die Nerven sind betroffen. Und natürlich ist die Lebensqualität insgesamt eingeschränkt, weil man auf vieles achten und verzichten muss.

Wie eingeschränkt ist Ihr Sehen, abgesehen von der Nachtblindheit?

Am schwierigsten ist es mit dem Lesen. Bevor das Makulaödem mit Spritzen behandelt wurde, war Lesen für mich fast unmöglich. Das hat sich verbessert, aber gut ist es immer noch nicht. Wenn ich früher etwas im Internet in fünf Minuten gelesen habe, dauert es jetzt 20 Minuten.

Am Bildschirm lässt sich die Darstellung doch vergrössern.

Dennoch bleibt es mühsam. Man vertut sich beim Lesen leicht und beginnt dann wieder von vorn. Und Bücher mit kleinen Schriften zu lesen, ist ausgeschlossen für mich. Für eine Zeitung würde ich zwei Tage brauchen.

Gerade auf lieb gewonnene Gewohnheiten wie das Zeitunglesen zu verzichten, ist sicher nicht leicht.

Das stimmt, denn Zeitunglesen gehörte für mich ja seit über 50 Jahren einfach dazu. Neben all dem kann der Umgang mit Ämtern schwierig sein. Es ist nicht immer leicht, Bittsteller zu sein. Ich habe ja auch meinen Stolz als ehemaliger Unternehmer und Leistungssportler, der als Handballer für die Auswahl Schweiz spielte. Bei all dem war ich es ja gewohnt, meinen eigenen Weg zu gehen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Vogel.
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