ADHS: Zappelphilipp und Träumer brauchen Unterstützung

Die psychische Störung lässt sich gut behandeln

Kinder

Spoiler

  • ADHS steht für Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom.
  • Die Ursachen sind komplex, sie können u. a. genetisch oder durch die Umwelt bedingt sein.
  • Die Erscheinungsformen von ADHS sind sehr unterschiedlich. Das Verhaltensspektrum reicht von hyperaktiv-impulsiv bis zu verträumt.
  • Erfolgreiche Behandlungen kombinieren verschiedene Ansätze und Therapien, z. B. Psychoedukation, Elternkurse, Anpassungen in der Schule, Verhaltenstraining und, falls notwendig, Medikamente.

Die psychische Störung ADHS gab es schon, als die Bezeichnung dafür noch gar nicht erfunden war. ADHS steht für Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom, und einer der berühmtesten Fälle ist der Zappelphilipp aus dem Kinderbuchklassiker ‹Struwwelpeter›. Er zeigt die typischen Symptome: Der Zappelphilipp kann Hände und Füsse nicht ruhig halten, kippelt auf dem Stuhl, ist ständig unter Strom.

Ganz anders als Hans-guck-in-die-Luft, die Titelfigur einer weiteren Geschichte aus dem ‹Struwwelpeter›: So wie Hans sich aus dem Alltag wegträumt, macht er sich ebenfalls als ADHS-Fall verdächtig, wenn auch mit ganz anderen Symptomen.

Daran erkennst du ADHS

Die Psychologin Stefanie Rietzler hat u. a. den Ratgeber ‹Erfolgreich lernen mit ADHS› geschrieben. Sie erklärt: «Es gibt drei Erscheinungsformen der ADHS. Das vorwiegend hyperaktiv-impulsive Erscheinungsbild, im Volksmund als ‹Zappelphilipp› bekannt, muss sich ständig bewegen, ist einfach nicht müde zu bekommen. Zudem fehlt es diesem Typus an Impulskontrolle – er handelt oft aus dem Bauch heraus, ohne über die Konsequenzen nachzudenken. Soziale Regeln einzuhalten, fällt ihm schwer.»
Der zweite Typus ist der vorwiegend unaufmerksame, darunter fallen die ‹stillen Träumer›: «Sie neigen zu Konzentrationsproblemen, arbeiten langsam, machen viele Flüchtigkeitsfehler, sind sehr vergesslich. Planen und Organisieren ist nicht ihr Ding. Ordnung halten? Ganz schwierig! Weil sie so zurückhaltend-verträumt sind, werden ihre Symptome oft erst verspätet als ADHS diagnostiziert.»

Zur dritten Gruppe gehören Betroffene, die Probleme mit der Aufmerksamkeitslenkung haben und zudem hyperaktiv und impulsiv sind. Man bezeichnet diese Form daher auch als kombiniertes Erscheinungsbild oder Mischtyp.

Genetik, Schwangerschaft, Umwelt: ADHS hat viele Ursachen

Rietzler: «Die Forschung kennt eine Reihe von Ursachen für ADHS. In jedem Fall spielen die Gene eine wichtige Rolle in der Form, dass sie das Botenstoffsystem und die Hirnentwicklung beeinflussen.»
Einfluss haben auch Komplikationen und Fehlverhalten während der Schwangerschaft und Geburt: «Mangelzustände, Stress und Infektionskrankheiten während der Schwangerschaft können ADHS begünstigen, ebenso wie Nikotin- oder sonstiger Substanzkonsum. Auch Frühgeburtlichkeit, ein geringes Gewicht und Sauerstoffmangel bei der Geburt können sich negativ auswirken.» Umweltgifte, künstliche Weichmacher sowie bestimmte Farb- und Konservierungsstoffe in Lebensmitteln erhöhen aus Sicht der Forschung ebenfalls das Risiko für ADHS.

Und dann gibt es noch den wichtigen psychosozialen Bereich. «Frühkindlicher Stress, beispielsweise in Form von schwerer Vernachlässigung und Heimunterbringung beziehungsweise traumatischen Erlebnissen, scheint ADHS zu begünstigen», erläutert Rietzler. «Keiner dieser Faktoren trifft auf alle Betroffenen zu, und eine alleinige Ursache für ADHS gibt es nicht. Dem aktuellen Forschungsstand zufolge entsteht ADHS durch ein kompliziertes Zusammenspiel zwischen der genetischen Disposition und anderen Risikofaktoren.»

Behandlung: ein Fall für Profis

«Eine erfolgreiche Therapie beginnt mit einer professionellen Diagnostik», weiss Rietzler. «Dazu stehen Familiengespräche, Verhaltensbeobachtungen, medizinische Abklärungen, Fragebögen und psychologische Tests zur Verfügung. Nach der Auswertung sollten die Ärzte gemeinsam mit der Familie einen Behandlungsplan erstellen. Dabei empfiehlt sich ein multimodales Vorgehen. Das heisst, eine Kombination aus Psychoedukation, Unterstützung für das familiäre und schulische Umfeld und Verhaltenstraining. Bei stark ausgeprägter Symptomatik wird oft zusätzlich eine Medikation empfohlen.»

Ganz wichtig: Eine erfolgreiche Behandlung braucht einen Ansatz an verschiedenen Hebeln. «Um mit ADHS umzugehen, müssen Kinder ebenso wie Eltern Strategien für den Alltag entwickeln. Und auch die Lehrpersonen in der Schule profitieren von Beratung. Eine konstante Begleitperson während der Behandlung, bei der alle Fäden zusammenlaufen, kann sehr hilfreich sein.» Das gilt natürlich in jedem Fall, ganz gleich, ob Zappelphilipp oder Hans-guck-indie-Luft.

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