«Wir sind die Verrückten»

Freestyle-Skier Andri Ragettli im Gespräch

Du bist schon in jungen Jahren zur Weltspitze aufgerückt. Wie gehst du mit diesem Erfolg um?

Bei uns im Freeski kann man schon etwas früher dabei sein als in vielen anderen Sportarten. Obwohl ich das wusste, war es schon ziemlich krass, mit 16, 17 Jahren ganz oben zu sein. Der Nachteil ist natürlich, dass ich diesen Sport nicht endlos machen kann. Die Karrieren im Freeski enden eben auch meistens früher als in anderen Bereichen.

Geniesst du die Zeit bis dahin?

Auf jeden Fall! Es ist mega cool, so viele Follower über Social Media zu motivieren und zu inspirieren. Oft bekomme ich Videoclips von Schülern zugeschickt, die im Unterricht meine Übungsparcours nachbauen und ausprobieren. Das motiviert wiederum mich, immer wieder Neues zu versuchen.

Haben der Erfolg und die Bekanntheit auch Nachteile?

Eigentlich nicht. Manchmal muss ich mich zwar etwas mehr auf mein Training konzentrieren, ohne mich davon ablenken zu lassen, dass drum herum Fotos gemacht werden. Aber das ist nichts, was ich als Nachteil wahrnehme.

Stichwort Training: Wie intensiv bereitest du dich auf Wettkämpfe vor?

Das Pensum ist sehr unterschiedlich, je nachdem, ob ich mich in der Vorbereitung oder im Wettkampf befinde. Zu den Übungen gehören immer verschiedene Einheiten mit Krafttraining für die Beine, aber auch für den Rumpf. Das ist besonders wichtig für die Landungen nach Sprüngen. Dazu kommt Ausdauer- und Intervalltraining.

Wie entspannst du in deiner Freizeit?

Da ist grösstenteils auch Sport angesagt. Ich mag Mountainbiken, Tennisspielen – und ich springe oft von Brücken ins Wasser.

Es gibt aber auch Tage, an denen ich zu Hause bin. Dann steht ein Film an oder ein Buch, wobei es manchmal fast schwieriger ist, ein Buch zu lesen als Sport zu machen. Ich sitze nicht gern still.

Im Netz sorgen deine Parcours-Clips für Aufsehen. Wie bist du auf die Idee dazu gekommen?

Jeder hat das doch mal versucht: auf einem Ball zu stehen, auf Rollen zu laufen oder irgendwo drüber zu springen. Im Freeski stehen solche Geschicklichkeitsübungen an der Tagesordnung. Wir sind die Verrückten im Wintersport.

Den ganzen Parcours zu absolvieren, ist aber auch für mich anstrengend. Da sind viel Koordination und Gleichgewichtsgefühl gefragt.

Hand aufs Herz: Wie lange übst du, bis so ein Durchlauf reibungslos klappt?

Das kann schon mal vier, fünf Stunden dauern. Und dann klappt es auch nicht gleich bei der Aufnahme. Für einen Parcours-Clip haben wir mal 53 Aufnahmen gebraucht. Da bin ich beim letzten Backflip immer wieder umgefallen. Das war schon ziemlich bitter, wenn es auf den letzten Meter nicht klappte und ich noch mal ganz von vorn anfangen musste.

Welche Tipps hast du für jemanden, der die Parcours nachturnen will?

Der wichtigste Faktor ist Spass. Man sollte einen spielerischen Zugang suchen und nicht zu schwierig starten, sondern sich langsam steigern. Es braucht schon recht viel Zeit und Geduld. Da heisst es üben, üben, üben.

Genauso ist es übrigens auch beim Freestyle-Skiing: Anfänger sollten mega klein anfangen und zuerst simple Sprünge versuchen. Und vor allem Spass haben.

Andri Ragettli

Gerade bei Wettkämpfen ist die Stimmung eher angespannt. Wie gehst du mit Erwartungsdruck um?

Ich habe Druck eigentlich ganz gern. Unter Druck funktioniert es meistens besser. Was ganz gut klappt: tief atmen, auf den Lauf fokussieren – und durchstarten.

Natürlich gibt es Ausnahmen. Olympia war eine ganz andere Nummer. Da musste ich erst einmal lernen, damit umzugehen.

Was ist für die aktuelle Saison geplant?

Das erste Ziel ist wie immer, gesund und verletzungsfrei zu bleiben. Natürlich möchte ich an der Spitze bleiben. Dafür muss ich alle Tricks in- und auswendig kennen. Super wäre es, beide Gesamtweltcups zu gewinnen. Ich habe sie einzeln schon gewonnen, aber noch nicht beide in einer Saison.

Viel Erfolg dafür und vielen Dank für das Gespräch!
Facebook
Email
Twitter
LinkedIn