Winterschwimmen – die Lust am Überwinden des inneren Schweinehunds

Wissenschaftlerin Susanna Søberg über die unglaublichen Effekte von kaltem Wasser

Winterschwimmen: Junge Frau zwischen badet in einem Eisloch eines zugefrorenen Sees.

Spoiler

  • Der Kaltreiz aktiviert braunes Fett und kurbelt so die Kalorienverbrennung an.
  • Durch das Winterschwimmen sinken die Entzündungswerte, das Immunsystem wird stimuliert, die Konzentration und die Motivation steigt.
  • Wer zwischen Sauna und kaltem Wasser wechselt, sollte immer kalt enden. Der Körper soll sich selbst wieder erwärmen.

Schneeflocken, Minusgrade, Eiszapfen hängen an der Einstiegsleiter. Der Trend, im Winter in Badekleider zu schlüpfen und in eisige Gewässer zu steigen, hat in den Pandemiejahren so richtig Fahrt aufgenommen. Aus gutem Grund, findet die dänische Wissenschaftlerin Susanna Søberg, die die gesundheitlichen Wirkungen der Kälte erforscht. Wie sie selbst von der Mimose zur Winterschwimmerin wurde.

Wo und wieso hast du mit den Eisbädern angefangen?

Im Ozean in Dänemark im Oktober. Ohne meine Forschung hätte ich nie gestartet. Ich war eine richtige Frostbeule. Aber irgendwann fand ich zu viele gute Gründe für kalte Bäder, um es nicht zu probieren. Ich forschte über braunes Fett, welches durch Kälte aktiviert wird. Dieses Fett erzeugt Wärme und verbrennt Kalorien, so schützt es vor Übergewicht und Diabetes. Dass Menschen, die Winterschwimmen praktizieren, kühl schlafen oder sich anderweitig der Kälte aussetzen, seltener frieren, ist teilweise darauf zurückzuführen, dass sie ihr braunes Fett regelmässig stimulieren.

Der Kaltreiz hat aber noch mehr gesunde Effekte. 

Einige. Der Körper antwortet auf den Kälteschock, indem er das vegetative Nervensystem aktiviert, und zwar den Sympathikus und den Parasympathikus. Es werden Hormone und Neurotransmitter ausgeschüttet, die Konzentration, Aufmerksamkeit und Motivation steigern. Kalorien werden verbrannt. Der Blutdruck sinkt, die Blutgefässe gewinnen an Elastizität, was das Herz-Kreislauf-System schützt. Entzündungswerte sinken und weisse Blutkörperchen werden gebildet, was das Immunsystem stärkt. Man geht mit grösserer mentaler Balance und Stressresistenz durch den Tag.

Das ist eine Menge! Wieso ist Winterschwimmen dann nicht stärker verbreitet?

In kaltes Wasser zu steigen ist absolut kontraintuitiv. Es tut weh, es kostet Überwindung – erst danach fühlt es sich gut an. Früher war es normaler, auch mal zu frieren. Heute leben wir in einer Komfortgesellschaft. Haben warme Kleidung, isolierte Häuser, Heizungen. Kühlere Räume und frieren sind nicht sexy. Dass das fehlt, könnte aber mit Gesundheitsproblemen der heutigen Zeit zu tun haben.

Es ist der kurze Kaltreiz, der all diese Effekte auslöst. Ist die warme Dusche nach dem Bad tabu?

Ja. Der Körper soll die Arbeit machen und sich selbst wieder erwärmen. Wer Sauna und kaltes Wasser abwechselt, sollte kalt aufhören. Keine warme Dusche, nur warme Kleidung. Aufwärmen von innen, etwa mit Ingwertee, ist völlig in Ordnung.

Nicht nur körperlich steigt die Abwehr, auch auf mentaler Ebene kommt es zu mehr Resilienz. 

Nichts, kein Arzneimittel, kein Work-out, holt dich so erfolgreich aus dem Kopf raus und in deinen Körper zurück wie die Kälte. Sie katapultiert dich geradewegs in den Augenblick. Das entspannt mental. Dass Winterschwimmen die Resilienz steigert, beobachten wir und können es mit der Ausschüttung der Neurotransmitter im Gehirn auch erklären. Es gibt aber noch keine Studien dazu.

Wieso haben gerade in der Covidzeit so viele mit dem Winterschwimmen angefangen?

Nichts gibt dir einen solchen sofortigen Energie- und Glückskick, und das kostenlos. Und es gab keinen Lockdown im Meer oder in Seen. Die Effekte des Kaltreizes treffen zudem genau, was die Menschen, die sich vermehrt ängstlich oder depressiv fühlten, in der Situation brauchten. Nach dem Bad sprüht man vor Energie und hat einen Euphorie-Kick.

Hast du eine Kalt-Wasser-Routine?

Im Winter gehe ich zwei- bis dreimal pro Woche Kaltbaden. Ich mache jeweils zwei Saunagänge und steige dreimal ins Wasser. So komme ich auf insgesamt elf Minuten in kaltem Wasser.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Tipps für Einsteiger

Bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Bluthochdruck sollte man Rücksprache mit dem Arzt halten.

Schwimme nie allein und beginne langsam. Du musst nicht lange im Wasser bleiben. Der kurze Kaltreiz ist das, was die gesunden Effekte auslöst. Der Körper soll sich nicht erschöpfen.

Steig entschlossen ins Wasser und akzeptiere, dass es kalt ist. Fang mit drei Schwimmzügen an, atme langsam und ruhig. Anschliessend anziehen, Tee trinken. Nicht warm duschen.

Tauche den Körper, aber nicht den Kopf ein. Trage eine Mütze, damit der Kopf warm bleibt.

Buchtipp

 

In ihrem neuen Buch «Winterschwimmen. Wieso uns kaltes Wasser gesünder und glücklicher macht» (Piper Verlag) erklärt Susanna Søberg die körperlichen und psychischen Auswirkungen und zeigt, wie Winterschwimmen seit jeher in verschiedenen Kulturen praktiziert wird.

Winterschwimmen, Winterschwimmen – die Lust am Überwinden des inneren Schweinehunds

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