Wie Tinnitus entsteht und wie er sich behandeln lässt

Das Klingeln im Ohr kann abgestellt werden

Kopf von Frau

Spoiler

  • Ein akuter Tinnitus verschwindet in den meisten Fällen von selbst, ansonsten wird er mit Kortison behandelt.
  • Durch die Einnahme von Ginkgo-Extrakten können Betroffene die Heilung begünstigen.
  • Ob Diskogänger oder Orchestermusiker: Ab 85 Dezibel rät der Experte zu Gehörschutz.

Ein Klingeln im Ohr – so wird Tinnitus häufig beschrieben und daher hat das Phänomen auch seinen Namen. Tinnitus leitet sich von dem lateinischen Wort «tinnire» ab, was übersetzt «klingeln» bedeutet. Gemeint sind mit dieser Krankheit alle Arten von Ohr- und Kopfgeräuschen, wobei akustische Halluzinationen, bei denen die Menschen beispielsweise Stimmen hören, ausgeschlossen sind.

Häufige Ursachen des Tinnitus

«In der Schweiz leiden rund 15 Prozent an einem Tinnitus», erklärt Dr. Andreas Schapowal, Präsident der Schweizer Tinnitus-Liga. «Mit zunehmendem Alter nimmt die Häufigkeit zu, da Schwerhörigkeit das Ohrgeräusch auslösen kann. So sind bei den über 65-Jährigen 25 Prozent von Tinnitus betroffen.»

In den meisten Fällen ist die Ursache eine Schädigung des Gehörs, aber auch Stress kann das Ohrgeräusch auslösen. «In 90 Prozent der Fälle ist eine Schwerhörigkeit die Ursache, davon in 90 Prozent eine Schädigung des Innenohrs, zum Beispiel durch Lärm, Alterungsprozesse, einen Infekt, einen Hörsturz oder Morbus Menière. In sehr seltenen Fällen liegt eine Erkrankung des Gehirns vor, wie beispielsweise ein Akustikusneurinom.»

Oft verstummt der Tinnitus ganz von selbst

«Bei einem akuten Tinnitus kommt es in rund 90 Prozent der Fälle nach einem oder zwei Tagen zur Spontanheilung», so der Experte. Nicht selten ist Lärm die Ursache gewesen. Verschwinden die Geräusche jedoch nicht, ist eine Vorstellung beim Hals-Nasen-Ohrenarzt der nächste Schritt. Hier wird anhand eines Hörtests das Hörvermögen geprüft und der Schweregrad des Tinnitus bestimmt. Weitere Untersuchungen wie die der Kopfgelenke und der Halswirbelsäule und die Messung des Blutdrucks vervollständigen die Diagnose.

«Ein mehr als zwei Tage andauernder Tinnitus wird mit Kortison behandelt. Dieses kann sowohl ins Mittelohr, in einen Muskel oder eine Vene gespritzt oder in Tablettenform gegeben werden», erklärt Dr. Schapowal. «Ich rate zudem noch zur Einnahme von Ginkgo-Extrakten, die die Durchblutung anregen und damit die Sauerstoffverteilung im Blut um bis zu 30 Prozent steigern.»

Alles viel zu laut

Bei 40 Prozent der Betroffenen kommt es auch zu einer sogenannten Hyperakusis – einer Geräuschüberempfindlichkeit. «Patienten erleben in diesem Fall gewisse oder alle Geräusche ab einer bestimmten Lautstärke, die normalerweise unproblematisch ist, als sehr unangenehm laut», beschreibt der Präsident der Tinnitus-Liga. «Die Hyperakusis entsteht wie der Tinnitus durch Störungen bei der zentralen Verarbeitung von Schallsignalen in Verbindung mit deren Bewertung und ist damit psychisch bedingt.»

Häufig betroffen sind Jugendliche, die sowohl in Diskotheken als auch über ihre Kopfhörer viel zu laut Musik hören. Gleiches gilt für Lärmarbeiter, zu denen übrigens auch Orchestermusiker gehören. «Ab einem mittleren Schalldruck von 85 Dezibel im Arbeitstag ist Gehörschutz zu tragen. In Diskotheken sind 100 bis 110 Dezibel anzutreffen und wer hier seine Ohren nicht schützt, riskiert einen Hörschaden und Tinnitus», sagt Dr. Schapowal.

Endlich ist es wieder leise

Jeder kann selbst etwas tun, um sich vor Tinnitus zu schützen. Ganz klar ist der Lärmschutz die wichtigste Vorbeugung. Der Experte rät, dort, wo es laut wird, die Ohren abzuschirmen. Ob jemandem schon der Stadtlärm, die Geräusche im Flieger oder erst das Rockkonzert zu laut ist, ist ganz individuell. Fest steht: Sowohl die guten alten Ohrenstöpsel als auch moderne Noise-Cancelling-Kopfhörer schützen die Ohren vor Tinnitus.

Auch eine gesunde Lebensweise beugt dem Ohrenklingeln vor. Der Konsum von Rauschmitteln hingegen sowie Übergewicht vergrössern das Risiko.

Tinnitus-Klinik: für schwere Fälle

Ein Prozent der schweizerischen Tinnitus-Patienten ist schwergradig betroffen. Hier kann eine stationäre Therapie in einer Tinnitus-Klinik helfen. «2006 ist es uns gelungen, auch in der Schweiz ein stationäres Therapieangebot aufzubauen», so der Experte. «Da im Falle eines schwergradigen Tinnitus in der Regel immer auch eine psychische Erkrankung vorliegt, handelt es sich um eine umfassende Therapie, bei der kognitive Verhaltenstherapien und Entspannungstechniken wie auch die bewusste Aufmerksamkeitslenkung zur Anwendung kommen.»

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