Wer Gefühle im Beruf zeigt, fährt besser – und gesünder

Wie Mitarbeiter und Unternehmen von Emotionen profitieren

Ein Mann steht auf dem Steg an einem See mit einer Rauchfackel

Spoiler

  • In der Arbeitswelt wird Glück oft vorgespielt, Psychologen sprechen vom Surface Acting
  • Echte positive Gefühle machen leistungsstark und fit
  • Positive und negative Gefühle auszudrücken – das sogenannte Deep Acting zu beherrschen – macht authentisch

Gute Laune und ein Lächeln auf den Lippen sind gut fürs Geschäft. Dieser Grundsatz gilt längst nicht nur in Dienstleistungsunternehmen. «Positive Gefühle im Beruf werden von Betrieben fast schon eingefordert», sagt die Arbeitspsychologin Corinne Baumgartner. Meist gilt: Gute Stimmung, Zufriedenheit und Freude sind willkommen – Erschöpfung, Ärger oder Traurigkeit bleiben bitte draussen!

«Wir erleben sehr stark, dass es in Unternehmen eine recht grosse Unsicherheit im Umgang mit Emotionen gibt. Gefühle werden oft als störend angesehen», erklärt Baumgartner. Das betreffe vor allem negative Gefühle. «Emotionen werden sehr oft als Nebenprodukt der Realität betrachtet. Dabei sind sie die Realität des jeweiligen Menschen und damit ‹Taktgeber›. Sie bestimmen, wie er die Dinge erlebt und sich verhält.»

Gute Laune vorzuspielen kostet Energie

Wenn in Unternehmen fast ausschliesslich positive Gefühle ‹erlaubt› sind, hat dies Nachteile für alle Beteiligten: Negative Gefühle im Beruf werden mit schlechtem Gewissen ausgedrückt, denn vollständig unterdrücken lassen sie sich nicht; und die gewünschten Emotionen werden oft gespielt. «An der Oberfläche etwas auszudrücken, das ich nicht fühle, kann zu grossem Stress führen. Wir nennen das Surface Acting. Es kostet sehr viel Energie, nicht echt zu sein», sagt die Arbeitspsychologin.

Dabei würde die Sache umgekehrt viel mehr Sinn ergeben. Denn: Echte positive Emotionen zahlen sich für das Unternehmen aus, zeigen unzählige Studien. Wer positive Gefühle erlebt, ist nicht nur leistungsfähiger, sondern auch seltener krank, unter anderem weil das Immunsystem nicht durch Dauerstress geschwächt wird.

Baumgartner rät Mitarbeitern und Teams sich zu fragen, in welchen Situationen solche Gefühle entstehen können. Vielleicht gibt es ja mehrere Möglichkeiten dafür. Positive Effekte für die Team-Bindung sind inklusive.

Gefühle im Beruf sind auch Chefsache

Der Königsweg liegt darin, negative wie positive Gefühle im Beruf gleichermassen ausdrücken zu können. «Bei diesem sogenannten Deep Acting fühlt man sich ganz authentisch», erklärt Baumgartner. Ein Gefühl, das Energie schafft statt verbrennt. Doch dafür braucht es eine entsprechende unternehmerische Kultur. Man müsse auch in einer Konferenz mal sagen können «das hat mich berührt oder traurig gemacht, gefreut oder beschäftigt», empfiehlt die Expertin. Dies wird erleichtert, wenn der Vorgesetzte auch hier seine Vorbildfunktion wahrnimmt.

Klingt alles gut und schön – aber wie sieht es aus mit dem fast tabuisierten Weinen im Büro? Nun, es passiert ja ohnehin ab und zu. Also sollte man besser eine tolerante Haltung im Sinne von «es-ist-nicht-so-schlimm» entwickeln.

Privates und Gefühle im Beruf: Wo ist die rote Linie?

Natürlich trägt man nicht alle Gefühle aus dem Privatleben in den Beruf und umgekehrt. «Aber ich komme ja als ganze Person zur Arbeit. Es lässt sich nicht alles trennen», sagt Baumgartner.

Umso wichtiger sei es, auch im Beruf eine gewisse Offenheit in Bezug auf seine Gefühle zu zeigen. «Wer seine demente Mutter am Abend pflegt, wird eben öfter erschöpft und traurig sein. Die Menschen spüren solche Dinge ohnehin», sagt Baumgartner. Wenn sie die Gründe kennen, hat das Vorteile: Sie können ihre Kollegen verstehen, es gibt weniger Missverständnisse und sie bieten eher Unterstützung im Beruf an.

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