Weg mit der Schablone!

Karoline Herfurth über Diät, mediale Ideale und weibliche Schönheit

Karoline Herfurth
Was hat Sie motiviert, einen Film über weibliche Schönheit zu machen?

Das war meine Kollegin Nora Tschirner. Wir hatten ein gemeinsames Fotoshooting, als mein Film «SMS für Dich» rauskam. Sie wollte nicht in die typischen Posen reingehen. Das hat mich überrascht – ich hatte das bis dahin gar nicht so hinterfragt. Da hat sie mir den Trailer zu der Doku «Embrace» gezeigt und die hat mich umgehauen. Danach habe ich meinen Körper und auch den Umgang mit Schönheit und Körpern mit anderen Augen gesehen. Ich wollte unbedingt einen Film zu dem Thema machen.

Der Film zeigt keinen Mann mit Selbstzweifeln. Stehen Frauen unter einem grösseren Schönheitsdruck als Männer?

Ich glaube, dass die meisten Menschen unter einem gewissen Leistungsdruck stehen, der sich aber unterschiedlich bemerkbar macht. Der Druck, einem bestimmten Körperideal zu entsprechen, spielt im Leben einer Frau eine grössere Rolle, denke ich. Für Männer ist der eigene Körper bei der gesellschaftlichen Einordnung weniger bedeutend. Sie erleben andere Druckmechanismen wie beispielsweise durch das in vieler Hinsicht bescheuerte Sprichwort «Ein Indianer kennt keinen Schmerz».

Sie stehen seit Ihrem zehnten Lebensjahr vor der Kamera. Hat diese Öffentlichkeit Ihre Selbstwahrnehmung beeinflusst?

Nein, die Erwartungen an mich kamen nicht durch den Beruf, sondern viel mehr durch Zeitschriften und Werbung. Da wurden Bilder erzeugt, die mich automatisch geprägt haben. Wie viel Zeit und Mühe man darauf verwendet, sich an ein bestimmtes Ideal anzupassen! Diät war ein grosses Thema in meiner Jugend – und immer ging es nach hinten los.

Anpassungsdruck kannte ich nicht aus meinem Elternhaus und auch nicht aus der Schule. Und trotzdem haben sich diese Bilder von Schönheit bei mir unglaublich eingeprägt.

Haben Sie auch einmal mit sich gehadert?

Ständig, die ganze Zeit. Wenn ich vor dem Spiegel stand, sah ich eine Schablone über meinem Körper und ganz deutlich, wo ich überall nicht reinpasse. Ich war nie zufrieden mit mir.

Was macht für Sie Schönheit aus?

Wenn jemand im Alltag oder Beruf das machen kann, was ihn wirklich interessiert und innerlich anzündet, dann hat er eine ganz besondere Ausstrahlung. Schönheit ist für mich, wenn jemand mit seinen eigenen Wünschen und Bedürfnissen und der eigenen Kraft im Einklang ist.

Was können Frauen tun, um ihre eigene Schönheit zu entdecken?

Es ist wichtig, den Fokus umzudrehen, weg vom Kampf um einen «besseren» Körper hin zu den eigenen Interessen. Wir alle sollte einfach aufhören, der vorgegebenen Vorstellung, etwas sein zu müssen, entsprechen zu wollen.

Wie stärken Sie sich, wenn Sie einmal Selbstzweifel überkommen?

Ich schlafe dann viel. Unsicherheit kommt bei mir meist dann auf, wenn ich nicht ausgeruht bin. Es hilft auch, die mediale Präsenz und die öffentlichen Bilder runterzufahren. Wenn es mal ganz schlimm ist, hole ich mir Unterstützung bei Freunden und Menschen, die mir gut tun.

In den Medien ist immer mehr von Body Positivity und Authentizität die Rede …

Den Trend hat auch die Werbung für sich entdeckt. Aber innere Schönheit und Authentizität werden da oft nur als Schlagworte missbraucht. Die transportierten Rollen und Posen sind noch dieselben. Dabei glaube ich fest daran, dass Produkte auch ohne Leistungsdruck verkauft werden können.

Frauen haben es ab einem gewissen Alter schwer in der Filmlandschaft. Was müsste sich ändern?

Ich habe das Gefühl, dass sich da schon einiges tut. Es passiert viel bei der Darstellung weiblicher Narrative. Viele Veränderungen werden sich einfach schon deshalb ergeben, weil es ein grosses Publikum für diese Themen und Perspektiven gibt. Ich bin da gar nicht in Sorge, sondern eher in Aufbruchsstimmung.

Formate wie «GNTM» werden nach wie vor ausgestrahlt. Bemerken Sie trotzdem einen Wandel in der Darstellung von Schönheit?

Ich denke, die mediale Darstellung von Weiblichkeit wird sich in zwei Richtungen entwickeln. Es wird die entspannte, liebevolle Form geben und die extremere. Für mich ist es wichtig, dass es diese Wahlmöglichkeit gibt.

Mit «GNTM» kann ich nichts anfangen. Der Zwang zu konstruierten Idealbildern und körperlicher Nähe als vermeintliche Notwendigkeit in diesem Beruf ist so von vorgestern und furchtbar missbräuchlich. Ich halte es für viel wichtiger, gute Dinge in die Welt zu bringen. Das ist meine Motivation.

Vielen Dank für das Gespräch.
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