Kinderaugen brauchen eine besondere Aufmerksamkeit

Wie Sehfehler am jungen Auge erkannt und behandelt werden können

Frau Dr. Klaeger, welche Gefahren drohen Kinderaugen?

Eine schlechte Sehschärfe kann an beiden oder auch nur an einem Kinderauge auftreten. Als Ursachen kommen Brechkraftfehler wie Kurzsichtigkeit, Übersichtigkeit und Hornhautverkrümmung, Schielen oder Krankheiten der Augen in Frage. Die Ursachen sind je nach Alter unterschiedlich gewichtet. Zunächst einmal gibt es angeborene Krankheiten der Netzhaut und der Sehnerven oder auch Schädigungen der Sehbahn im Gehirn, letztere beispielsweise verursacht durch Komplikationen während der Geburt. All das ist zum Glück sehr selten.

Beim Neugeborenen muss der Kinderarzt feststellen, ob das Baby einen angeborenen Grauen Star, also eine trübe Linse hat. Dieser kann ein- oder beidseitig auftreten. Die Operation des Grauen Stars sollte innerhalb der ersten drei Lebensmonate erfolgen, sonst kann sich das gesamte Sehsystem nicht entwickeln, was zu einer lebenslänglichen Sehverminderung führt, auch wenn später im Leben der Graue Star operiert wird. Ausserdem entsteht nach etwa drei Monaten ein Augenzittern (Nystagmus), das nicht mehr verschwindet und die Sehschärfe zusätzlich vermindert.

Bei Schulkindern ist das häufigste Problem am Kinderauge die Kurzsichtigkeit. Ein kurzsichtiges Auge ist zu gross, darum nimmt die Kurzsichtigkeit durch Wachstum zu bzw. tritt erst in einem gewissen Alter auf. Vor dem Schulalter muss eine milde Kurzsichtigkeit nicht korrigiert werden, da eine perfekte Sehschärfe für die Ferne nicht wichtig ist. Ausserdem scheint die Kurzsichtigkeit weniger gefördert zu werden, wenn sie beim Kleinkind noch nicht durch eine Brille korrigiert wird.

Etwas seltener als Kurzsichtigkeit ist eine Hornhautverkrümmung (Astigmatismus) die Ursache für eine schlechte Sehschärfe. Grundsätzlich kommen aber alle Brechkraftfehler im Schulalter vor wie auch eine hohe Hyperopie (Übersichtigkeit oder Weitsichtigkeit). Ausserdem können die Brechkraftfehler an beiden Augen gleich oder ganz unterschiedlich auftreten.

Bei stark unterschiedlicher Brechkraft oder auch bei beidseitiger, hoher Hyperopie kommt es zusätzlich häufig zum Schielen. Ein schielendes Kinderauge wird nicht benutzt, darum wird es auch noch schwachsichtig (amblyop). Ein amblyopes Auge kann sehen lernen, wenn es durch das Abdecken des guten Auges intensiv trainiert wird. Ausserdem muss natürlich der Brechkraftfehler mit einer Brille korrigiert werden. Je jünger das Kind ist, desto besser sind hierbei die Erfolgschancen. Darum ist es im Alter von zwei bis vier Jahren sehr wichtig, alle Schielkinder zu erfassen. Wenn ein schwer amblyopes Auge erst im Schulalter entdeckt wird, ist es häufig nicht mehr möglich, die Sehschärfe wesentlich zu verbessern.

Worauf sollten Eltern und BetreuerInnen achten, um eine Sehschwäche frühzeitig zu erkennen?

Ein gesundes Neugeborenes kann der Mutter schon nach wenigen Wochen in die Augen schauen. Ist kein Augenkontakt möglich, ist das auffällig. Hier sollten Eltern den Arzt aufsuchen. Wenn bei einem Kind im ersten Lebenshalbjahr ein Augenzittern auftritt, ist dies abklärungsbedürftig. Dieses kann gesunde Augen betreffen und harmlos sein. Ein Augenzittern kann allerdings auch die Folge einer krankhaften Veränderung von einem oder beiden Augen sein. Es verhindert, dass in den ersten drei Monaten ein normaler Seheindruck entstehen kann.

Ein Schielen bedarf in jedem Lebensalter einer augenärztlichen Kontrolle. Beim Schielen fehlt das dreidimensionale Sehen, darum haben betroffene Kinder Mühe bei Ballspielen oder sind auffallend vorsichtig beim Treppensteigen. Auch scheinbar gesunde Kinder müssen auf ein Schielen untersucht werden, denn ein Mikroschielen kann der Laie nicht erkennen. Ebenso bleiben Brechkraftfehler bei Kindern vor dem Schulalter erstaunlich häufig unbemerkt. Umso wichtiger sind die Screening-Untersuchungen beim Kinderarzt.

Starke Kurzsichtigkeit hingegen ist meist sehr frühzeitig auffällig. Eltern berichten, dass ihre Kinder immer wieder sehr nah an den Fernseher heranrücken. Im Schulalter kneifen kurzsichtige Kinder häufig die Augen zusammen, wenn sie in der Ferne etwas erkennen sollen. Sie schreiben eventuell auch vom Nachbarn ab, weil sie das Tafelbild nicht erkennen können.

Sehr häufig werden Kinder beim Augenarzt wegen Kopfschmerzen vorgestellt. Unter den Kopfschmerzen nehmen die Augen eine geringe Bedeutung ein. Wenn allerdings die Schmerzen immer bei visuellen Tätigkeiten wie etwa dem Lesen auftreten, können sie augenbedingt sein.

Welche Routineuntersuchungen sollten mit dem Kind wahrgenommen werden?

Es empfehlen sich alle von den Kinderärzten angeratenen Screening-Untersuchungen. Die Kinderärzte verfügen über sehr gute Checklisten, die vorgeben, worauf in welchem Alter bei den Entwicklungskontrollen bezüglich der Kinderaugen zu achten ist. Ausserdem besitzen viele Kinderärzte ein sogenanntes Autorefraktometer, mit dem die Brechkraft beider Augen gleichzeitig sekundenschnell bestimmt werden kann. Somit werden schon früh Brechkraftstörungen erfasst, lange bevor aufgrund des Verhaltens oder aufgrund von Defiziten des Kindes eine Sehverminderung vermutet wird. Bei Auffälligkeiten wird der Kinderarzt das Kind einem Augenarzt überweisen.

Ebenso wichtig wie die Besuche beim Kinderarzt sind die Schularztkontrollen. Hierbei wird das Kind zum einen auf Schielen getestet, zum anderen wird – sobald es die Entwicklung des Kindes erlaubt – ein Sehtest mit jedem Auge durchgeführt.

Wie wirkt sich schlechtes Sehen auf das Verhalten und die Entwicklung eines Kindes aus?

Eine schlechte Sehschärfe stört in allen Lebenslagen in unterschiedlicher Form, je nach Schwere der Sehminderung. Das betroffene Kind ist sowohl beim Sport als auch in der Schule benachteiligt, was zu sozialen Schwierigkeiten anwachsen und psychologische Probleme auslösen kann.

Wer ist als erste Anlaufstelle zu empfehlen?

Eltern sollten sich in jedem Fall zunächst an die Kinderärztin beziehungsweise den Kinderarzt wenden.

Worauf ist bei Kinderbrillen zu achten?

Eltern sollten idealerweise Optiker aufsuchen, die viel Erfahrungen mit Kindern haben und auch über die nötige Auswahl an Gestellen für Kinderbrillen verfügen. Da Kinder sich häufig nicht äussern, woran es liegt, dass sie die Brille nicht tragen wollen, ist sorgfältig darauf zu achten, dass die Brille weder auf der Nase noch hinter den Ohren drückt. Wenn rote Druckstellen zu sehen sind, muss die Brille unbedingt beim Optiker neu angepasst werden. Die Wimpern sollten die Gläser nicht von innen streifen. Es ist nicht nur für das Kind unangenehm, sondern die Brille verschmutzt sehr schnell.

Die Kinderaugen sollten sich in der Mitte des Glasrahmens befinden, damit das Kind mit den Augen in alle Richtungen schauen kann, ohne in den Rahmen des Gestells oder über die Brille zu blicken. Ein Gestell, das seitlich weit über die Schläfe hinausgeht, erhöht nur das Gewicht der Brille, da man so weit aussen das Glas nicht benutzen kann.

Bei Kindern wird immer Kunststoffglas verwendet, um die Verletzungsgefahr zu vermindern, denn das Mineralglas zerbricht in scharfkantige Scherben.

Vielen Dank für das Gespräch.
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