Sex nach der Schwangerschaft: das neue Verlangen

Wenn «es» wieder losgeht, kann es anders und aufregend erregend sein

Ein Paar im Bett beim Sex

Spoiler

  • Nach der Geburt braucht der weibliche Körper einige Zeit, bis er sich von den physischen und mentalen Auswirkungen der Geburt erholt hat.
  • Die Vagina heilt ab und verändert sich meist nur minimal.
  • Sex nach der Schwangerschaft kann trotzdem anders sein als vorher. Das Paar sollte über Erwartungen und Ängste sprechen und sich langsam wieder annähern.

Die nackten Fakten zuerst: Bei der natürlichen Geburt weitet sich die Vagina um das zehnfache. Ein Dammriss kommt in der Schweiz bei jeder dritten Geburt vor. Die Plazenta hinterlässt im Unterleib eine Wunde, die gut zehn Tage lang blutet und nässt. Mit der Plazenta verschwinden auch die Schwangerschaftshormone – eine grosse Umstellung für die Frau. Um sich nach all dem zu regenerieren, braucht der weibliche Körper Zeit. Allein schon der Gedanke an Sex nach der Schwangerschaft ist da oft noch in weiter Ferne.

Die Vagina erholt sich vollständig

Weil sie so elastisch ist, zieht sich die Vagina nach der Geburt wieder zusammen. «Vielleicht ist die Scheide nach der Geburt etwas weiter als vorher. Aber schon das kann für den Mann physisch spürbar sein. Vieles passiert dann auch noch in der Vorstellung», weiss Sexualtherapeutin Dr. Dania Schiftan. Auch die inneren und äusseren Verletzungen durch eine natürliche Geburt oder einen Kaiserschnitt verheilen nach der Geburt.

Die hormonelle Umstellung dauert etwas länger und wirkt sich von Frau zu Frau unterschiedlich auf das Empfinden und auch auf das sexuelle Verlangen nach dem Partner aus. «Oft im Positiven: Manche Frauen erlangen durch ihre Mutterrolle ein ganz neues Selbstbewusstsein. Das kann im Bett für beide sehr erfreulich sein», meint Dr. Schiftan.

Kein fester Zeitpunkt für den ersten Sex nach der Schwangerschaft

Die meisten Ärzte empfehlen, in den ersten sechs Wochen nach der Schwangerschaft noch auf Sex zu verzichten. «Sich das Datum rot im Kalender anzustreichen und dann auf den Punkt loszulegen, ist aber Quatsch», so Dr. Schiftan. Je nach körperlicher Genesung und wiedergewonnenem Lustempfinden können Paare auch früher wieder Sex nach der Schwangerschaft haben. «Das hängt ganz davon ab, aus welchem Antrieb das Paar vorher Sex hatte: War es stärker die physische Lust, dann meldet sich das Verlangen wahrscheinlich früher. Wenn es mehr darum ging, das Bedürfnis nach Nähe zu stillen, kann es hingegen länger dauern. Denn vor allem die Mutter, aber auch der Vater holen sich diese Nähe jetzt vermehrt von ihrem Baby», weiss die Expertin.

Dauert es einige Monate, bis das Bedürfnis nach Sexualität und Intimität zurückkommt, ist das kein Grund zur Sorge. Eine offene Kommunikation empfiehlt sich von Beginn an. Sollte es zu einem kompletten Stillstand kommen, kann eine Therapie viel bewegen. Am besten setzen sich Paare bereits vor der Geburt mit dem Thema auseinander, so entstehen keine falschen Erwartungen, missverstandene Zurückweisung oder ungewollter Druck.

Emotionale Bindung zueinander stärken

«Berührungen, Umarmungen und eben auch Sex nach der Schwangerschaft sind als Beziehungspflege nicht zu unterschätzen», so Dr. Schiftan. All das stärkt die Partnerschaft und das emotionale Band zwischen den Eltern. «Es muss ja nicht immer leidenschaftlicher Geschlechtsverkehr sein»

Oft muss die Frau jedoch erst in ihrer Mutterrolle ankommen, sich bewusst machen: Wo bin ich Mutter und wo Partnerin? Beim Mann kann es sein, dass er durch die Geburt irritiert wurde. «Er sieht seine Partnerin in einer Situation, in der sie einer höheren Gewalt ausgesetzt ist. Das Gefühl des Kontrollverlusts kann sehr prägend für den Mann sein, wenn er die Geburt unterschätzt», so Dr. Schiftan.

Sowohl Mutter als auch Vater spüren die Veränderungen beim Sex nach der Schwangerschaft – und können genauso die Lust gemeinsam wiedergewinnen.

Sex nach der Schwangerschaft: erstmal wieder annähern

Nach der längeren Abstinenz – oft sind die letzten Wochen der Schwangerschaft bereits weniger von Sex geprägt – können sich plötzlich Unsicherheiten und Hemmungen einschalten: Tu ich ihr weh? Spürt er einen Unterschied zu früher? Gefällt es ihr so? Findet er meinen Körper noch schön?

Da können sich die ersten Annäherungsversuche nach der Schwangerschaft anfühlen wie das erste Mal Sex miteinander. «Die perfekte Gelegenheit, seinen Partner im Bett ganz neu kennenzulernen: Streicheln, vorsichtige Berührungen am ganzen Körper, Beobachtungen und auch regelmässige Selbstbefriedigung lassen das gegenseitige Körperempfinden neu entdecken», weiss die Sexualtherapeutin. Das Unbekannte kann sehr erregend sein.

Sich Zeit zu nehmen und die Bedürfnisse des Partners ernst zu nehmen, sind die Basis, um den Sex nach der Schwangerschaft ganz unbefangen und unaufgeregt zu geniessen. «Sex macht Spass, geniesst ihn so, wie und wann es euch gefällt», rät Dr. Schiftan.

Fakten rund um den Sex danach

Vaginale Trockenheit: Die Scheidenschleimhäute können nach der Geburt etwas trocken sein. Gleitcremes helfen, das Lustempfinden zu erhöhen. Vorsicht aber bei Gels mit Extras: Wärmende oder aromatisierte Varianten können die eventuell noch empfindlichen Regionen wie Schamlippen und Klitoris unangenehm reizen.

Selbstbefriedigung: Tägliches Masturbieren lässt neue Nervenverbindungen zwischen dem Gehirn und den Geschlechtsorganen der Frau entstehen. Das sorgt für mehr Stimulation und Lust.

Verhütung: Nach der Geburt dauert es etwa vier bis sechs Wochen bis zum nächsten Eisprung. Wenn Sex dann schon ein Thema ist, sollte rechtzeitig wieder verhütet werden. Pillen, die nur Gestagen enthalten und kein Östrogen, sind auch in der Stillzeit unbedenklich, können aber erst sechs Wochen nach der Geburt eingenommen werden – genauso die Spirale. Kondom und Diaphragma gehen bereits vorher.

Folgeschwangerschaft: Mit der nächsten Schwangerschaft sollte sich etwas Zeit gelassen werden. Der Körper muss sich hormonell und physisch erst regenerieren, um neue Kraft für eine weitere Schwangerschaft zu tanken. Ärzte empfehlen eine Pause von einem Jahr nach der Geburt. Das Risiko für Komplikationen steigt bei einer frühen Folgeschwangerschaft.

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