Schlafforschung: Wie ein Waschvorgang fürs Gehirn

Dr. Christian Benedict über Smartphones, Langeweile und ruhige Nächte

Bett in Zimmer
Welches Forschungsergebnis der letzten Jahre hat Sie selbst erstaunt?

Die Schlafforschung hat herausgefunden, dass Schlaf unsere Gehirngesundheit fördert. Eigene Studien zeigen, dass schon eine schlaflose Nacht – oder eine Nachtschicht – Biomarker im Blut erhöht, die bei Hirnerkrankungen wie Alzheimer im Blut nachweisbar sind.

Im Schlaf wird das Gehirn wie in einem Waschvorgang von den Abfallprodukten des Stoffwechsels bereinigt. Wenn die Müllabfuhr nicht gut funktioniert, wie beim schlechten Schlaf zu beobachten, liegt das Zeug sozusagen im Vorgarten herum. Das kann unsere grauen Zellen auf Dauer schädigen. Menschen mit langwierigen Schlafproblemen haben daher ein grösseres Risiko für Demenzerkrankungen.

Auf welche Bereiche unserer Gesundheit wirkt schlechter Schlaf noch?

Nennen Sie mir eine Volkserkrankung, die nicht mit Schlaf in Verbindung gebracht wird! Das Risiko für Übergewicht steigt, für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Altersdiabetes, wie die Schlafforschung zeigt. Kurzfristig sinkt ausserdem die Lern- und Konzentrationsfähigkeit, der Zuckerstoffwechsel wird schlechter, wir wirken weniger attraktiv auf Mitmenschen und wir werden stressempfindlicher.

Wieso ist Schlaf gerade in westlichen Ländern zum Problem geworden?

Die Hauptursache für Schlafstörungen ist für mich unser digitaler Lebensstil. Die Grenze zwischen Privat- und Arbeitsleben ist verschwommen. Als ich ein Kind war, hiess es: «In der Mittagszeit ruft man niemanden an. Auch nicht abends um 22 Uhr.» Heute ist das anders. Wir sind ständig verfügbar, abends noch am Monitor, beantworten noch schnell eine E-Mail. Dabei ist Entspannung das A und O für guten Schlaf.

Dann übernachtet Ihr Smartphone nicht mit Ihnen?

Nie! Ich lege es ab 21 Uhr in die Küche. Ehrlich: Sie verpassen nichts. Im Zimmer lenkt es uns sogar im Schlaf ab. Denn unser Hirn hat gelernt: «Dieses Gerät ist sensationell. Eine richtige Spasskanone». Es ist sich im Klaren darüber, dass da noch etwas gehen könnte, aktiviert sich mitten in der Nacht und bringt uns auf den Gedanken, etwas darauf anzuschauen. Eine australische Studie im Rahmen der Schlafforschung hat gezeigt, dass zahlreiche Jugendliche nachts aufs Telefon schauen.

Tagsüber schlafen: Ja oder Nein?

Wer nachts prima schläft oder Schlafmangel aufgrund von Kleinkindern hat: auf jeden Fall. Wer Probleme mit dem Nachtschlaf hat, bleibt tagsüber besser wach. Über den Tag Pausen einzulegen, in denen das Nervensystem herunterfährt, ist für alle sinnvoll. Man spricht heute von «quiet wakefullness». Früher nannte man das Langeweile.

Im Tiefschlaf regenerieren wir am besten. Was kann man tun, um mehr Tiefschlafphasen zu haben?

Sport kann die Qualität von Tiefschlaf verbessern. Ebenso mentale Aktivität: Ich kann zum Beispiel eine neue Sprache lernen und so meinen Tiefschlaf fördern. Spätes Essen und Alkohol hingegen stört ihn. Wer an einer Schlafapnoe leidet, sollte diese unbedingt behandeln lassen. Die Atemaussetzer stören den Tiefschlaf und erhöhen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen enorm.

Vielen Dank für das Gespräch.

Gut gebettet

  1. Schlafzimmer-Design? So öde wie möglich. Nichts sollte an Arbeit erinnern. Gut belüftet und abgedunkelt schläft es sich bei 17 bis 20 Grad am besten.
  2. Matratzen-Check: Alle fünf bis acht Jahre liegt sich eine Matratze durch. Auf welcher Unterlage wer gut schläft, ist ganz individuell. Viele Hersteller bieten an, für einige Nächte probezuschlafen. Und: Die Matratze sollte regelmässig gelüftet werden.
  3. Schnarch-Alarm? Vielleicht braucht es zwei Zimmer: Eine Studie, die Paare mit einem Schnarcher untersuchte, zeigt, dass der schlechte Schlaf für mehr Streits sorgt. «Alles was eine Partnerschaft ausmacht, kann im Wachzustand gemacht werden», so Dr. Benedict.
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