Schielen behandeln – mit geradem Blick durch die Welt

Wie man die Fehlstellung korrigieren kann

Schielen behandeln: Katze schielt

Schielen – in der Fachsprache auch Strabismus genannt – ist eine Fehlstellung des Auges. Sie tritt von Zeit zu Zeit auf, kann aber auch dauerhaft bestehen bleiben. Das typische beim Schielen: Ein Auge weicht von der Blickrichtung des anderen ab. 

Viele kennen den schiefen Blick von Neugeborenen – in den ersten Monaten ist das ganz normal. Hält das Schielen jedoch über die ersten sechs Lebensmonate hinaus an, sollte es abgeklärt werden. Generell kann Schielen aber in jedem Alter auftreten. Die Ursache ist oft schwer zu erkennen und liegt manchmal in einer schwerwiegenderen Grunderkrankung. Daher sollte die Fehlstellung der Augen immer abgeklärt werden. Mit einer frühzeitigen und gezielten Diagnose kann man Schielen gut behandeln. 

Weshalb der schräge Blick?

Schielen zeigt sich in Störungen im Zusammenspiel von Auge, Augenmuskeln und Gehirn. «Besonders häufig liegt die Ursache in Veränderungen an den Augen, zum Beispiel in einem Brechungsfehler», erklärt Véronique Glauser vom Zentrum für Ausbildung im Gesundheitswesen ZAG. «Dazu gehören Weit- und Kurzsichtigkeit sowie eine Hornhautverkrümmung. Bei einer ausgeprägten unkorrigierten Weitsichtigkeit richten die Betroffenen ihre Augen manchmal übermässig nach innen, um besser sehen zu können. So entsteht dann das sogenannte Einwärtsschielen.»

Häufig ist das Schielen aber angeboren oder genetisch bedingt. «In solchen Fällen kann Strabismus unabhängig von einer Fehlsichtigkeit auftreten und zeigt sich meist schon in der frühen Kindheit oder im Säuglingsalter», klärt die Orthoptistin auf. Und sie ergänzt: «Selten sind auch neurologische Ursachen verantwortlich wie beispielsweise eine angeborene Lähmung der Augenmuskulatur.»

Tritt die Fehlstellung im Erwachsenenalter auf, werden Betroffene oft auf systemische Erkrankungen wie Schilddrüsenfehlfunktionen oder neurologische Veränderung untersucht, um die Ursache der Fehlstellung aufzudecken. Je nach Auslöser, kommen dann unterschiedliche Methoden in Frage, um Schielen zu behandeln. 

Schielen rechtzeitig behandeln: Eine frühe Diagnose ist wichtig

 «Zuerst prüfen wir immer zusammen mit den Augenärztinnen und Augenärzten, ob eine andere Augenerkrankung vorliegt, die zu der Fehlstellung geführt hat», erzählt Glauser. Treten keine weiteren Auffälligkeiten auf, fährt die Orthoptistin mit Sehtests fort, die das beidäugige Sehen genauer untersuchen. 

Die frühzeitige Diagnose ist wie bei vielen anderen Erkrankungen zentral, da es zu Folgeerkrankungen kommen kann. Das Sehen von Doppelbildern ist eine davon. Bleibt die Fehlstellung im Kindesalter unbehandelt, besteht zudem das Risiko einer dauerhaften Sehschwäche – eine sogenannte Amblyopie. 

Amblyopie: Ambly-wie?

Die Amblyopie (‹lazy eye›) kann eine Folge von unbehandeltem Schielen bei Kindern sein. «Ab dem zehnten Lebensjahr beobachten wir diese Art von Sehschwäche in der Regel nicht mehr. Denn ungefähr ab diesem Zeitpunkt hat unser Gehirn gelernt, wie Seheindrücke richtig verarbeitet werden. Man spricht in diesem Zeitraum oft von einer kritischen Entwicklungsphase», so die Orthoptistin. Eine Amblyopie äussert sich in einer stark reduzierten Sehschärfe, welche mit einer Sehhilfe nicht korrigiert werden kann. Denn das Problem liegt nicht am Auge selbst, sondern in der Verarbeitung des Gesehenen im Gehirn. 

Die Expertin rät, Schielen in jedem Fall abzuklären. «Die Sehschwäche kann sich bereits im Kindesalter innerhalb nur weniger Wochen entwickeln. Unbehandelt ist sie nur schwer oder gar nicht rückgängig zu machen. Eine frühzeitige Diagnose ist also ganz zentral, um eine Amblyopie rechtzeitig zu behandeln und ein optimales Sehvermögen zu gewährleisten.» 

Schielen behandeln – Fehlstellung korrigieren

Je nach Form und Ursache des Schielens werden unterschiedliche Behandlungsmethoden angewendet. Mit einer Brille, werden weniger die Fehlstellung der Augen oder die gestörte Verarbeitung im Gehirn selbst, sondern die Fehlsichtigkeit korrigiert. Es gibt Schielformen, welche nach der Korrektur der Fehlsichtigkeit verschwinden und nur ohne Brille auftreten.

«Ein manifestes Schielen kann nur mit einer Augenmuskeloperation therapiert werden», so die Expertin. «Eine allfällige Kompensation hingegen, kann durch ein Augentraining verbessert werden.»

Schielen auch anders behandeln: der psychosoziale Aspekt

Obwohl die meisten Schielformen im Kindesalter beginnen, können auch Erwachsene plötzlich eine Fehlstellung der Augen aufweisen. Unabhängig vom Alter sind die Betroffenen häufig mit den psychosozialen Folgen ihrer Erkrankung konfrontiert. Studien zeigen, dass schielende Menschen oft als weniger intelligent, fleissig, sympathisch und attraktiv wahrgenommen werden. Glauser ergänzt: «Noch immer werden schielende Menschen teilweise diskriminiert». Ob in der Schule oder im Beruf, die äussere Wahrnehmung beeinflusst die Psyche der betroffenen Kinder und Erwachsenen. «Das äussert sich dann in Schamgefühlen, Vermeidungsverhalten oder sozialem Rückzug der Betroffenen.»

Insbesondere der direkte Blickkontakt stellt für Schielende eine alltägliche Herausforderung dar. Denn oft wird ihr abschweifender Blick mit fehlender Konzentration, Aufmerksamkeit oder mit Desinteresse abgestempelt. Solche Reaktionen können einem zu schaffen machen. 

Schielen rechtzeitig zu behandeln oder wenn nötig zu operieren, erleichtert nicht nur die Augen, sondern auch die Psyche der Betroffenen. Studien zeigen zudem, dass das verbesserte Zusammenspiel der Augen  durch die bessere Einschätzung von Distanzen als Unfallprophylaxe wirkt.

«Was viele Studien und Psychologen bestätigen: Reden hilft», betont die Orthoptistin. Da das Schielen im sozialen Kontext viele Hürden mit sich bringt, kann ein offener Austausch mit Betroffenen oder einer entsprechenden Fachperson eine grosse Stütze sein. «Gerade Betroffene, die an einer angeborenen Fehlstellung leiden, können durch einen Erfahrungsaustausch viel lernen und damit ihrer Seele etwas Gutes tun», sagt Glauser. 

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