Wochenbettdepression: Wer ist gefährdet – und was hilft?

Betroffene suchen zu selten Hilfe

Frau mit Kind

Spoiler

  • Zehn Prozent der Frauen entwickeln nach der Geburt ihres Kindes eine Wochenbettdepression.
  • Hebammen, Ärzte, Mütter-Väter-Beratungsstelle und der Verein Postnatale Depression Schweiz können behilflich sein.
  • Auch stillende Mütter dürfen ausgewählte Antidepressiva nehmen.

Ein süsses Baby schmiegt sich an die Brust und die frischgebackene Mama strahlt glücklich. Viele Frauen stellen sich die Zeit nach der Geburt so schön vor, wie sie in der Werbung für Windeln und Ersatzmilch dargestellt wird. Die Wahrheit sieht oft anders aus: Etwa jede zehnte Mutter entwickelt eine Wochenbettdepression.

Ein Blues ist noch keine Wochenbettdepression

«Leichte Stimmungsschwankungen nach einer Geburt sind völlig normal und unbedenklich», erklärt PD Dr. Sibil Tschudin, Leitende Ärztin an der Frauenklinik des Universitätsspitals Basel. Meist tritt der sogenannte Baby Blues um den dritten Tag nach der Geburt auf und verschwindet nach ein paar Tagen wieder.

Davon zu unterscheiden ist eine Wochenbettdepression, auch postnatale bzw. postpartale Depression (PPD) genannt. «Oft zeigt sich diese Depression erst Wochen oder Monate später», so die Expertin. Bei der Entstehung spielt die hormonelle Umstellung nach der Geburt eine Rolle, entscheidend sind aber vor allem: die Konfrontation mit einer völlig neuen und oft überfordernden Lebenssituation, der Schlafmangel sowie Risikofaktoren wie eine vorbestehende Depression oder belastende Umstände.

Wochenbettdepression: Was jetzt hilft

«Die typischen Anzeichen einer Depression sind Verstimmung und Traurigkeit, Schlafstörungen, Antriebsmangel, das Gefühl von Wertlosigkeit bis hin zu Suizidgedanken sowie Schwierigkeiten im Kontakt zum Kind», sagt Dr. Tschudin. Eine erste wichtige Massnahme ist, dafür zu sorgen, dass die überforderte Mutter entlastet und dauerhaft unterstützt wird. Dabei können Frauen ihre Hebamme, ihre Frauenärztin, Mütter-Väter-Beratungsstellen oder den Verein Postnatale Depression Schweiz um Rat bitten.

Dieser Schritt ist oft mit unnötiger Scham verbunden. Es ist wichtig, dass Frauen wissen: Sich nach der Geburt niedergeschlagen zu fühlen, bedeutet nicht, eine schlechte Mutter zu sein. Sich Hilfe zu holen, ist ganz im Gegenteil eine wichtige, verantwortungsvolle Leistung.

Nichtstun schadet dem Kind

Studien belegen, dass nur die Minderheit der betroffenen Frauen professionelle Hilfe in Anspruch nimmt. «Eine postpartale Depression sollte aber unbedingt behandelt werden, da es bei Kindern von depressiven Müttern zu kognitiven oder emotionalen Entwicklungsstörungen kommen kann», so Dr. Tschudin. «Eine depressive Mutter kann mit ihrem Kind nicht gut in Interaktion treten. Genau das jedoch braucht das Kind.»

Jede Wochenbettdepression kann behandelt werden

«Sollten Massnahmen zur Unterstützung der Mutter nicht ausreichend wirken und depressive Symptome anhalten, ist eine psychotherapeutische oder medikamentöse Behandlung notwendig. Auch stillende Mütter können ausgewählte Antidepressiva einnehmen», meint Dr. Tschudin.

Exkurs: Schwangerschaftsdepression

Schon während der Schwangerschaft betritt die werdende Mutter Neuland: Die Veränderung des Körpers, der Beziehung, die bevorstehende Verantwortung oder der sorgenvolle Blick in die Zukunft – all diese Faktoren können in ungünstiger Kombination eine Schwangerschaftsdepression begünstigen.

«Zehn bis zwölf Prozent der werdenden Mütter leiden bereits während der Schwangerschaft an einer Depression. Auch diese bleibt leider noch häufig unerkannt und unbehandelt», weiss Dr. Tschudin. Wird die Depression während der Schwangerschaft nicht therapiert, ist das Risiko einer Wochenbettdepression ebenfalls höher.

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