Prostatakrebs

Prostatakrebs und Sexualität: neue Wege der Lust

Wie die Erektionsfähigkeit bewahrt wird – und wie es ohne geht

Mann und Frau
Wie wirkt sich Prostatakrebs im Frühstadium auf die Sexualität aus?

Der Krebs selbst wird im Frühstadium von den betroffenen Männern gar nicht gespürt. Aber die Diagnose setzt der Psyche natürlich enorm zu und so kann Prostatakrebs die Sexualität beeinträchtigen.

Betroffen sind meist ältere Männer, viele von ihnen haben bereits diverse Risikofaktoren (Bluthochdruck, Diabetes, erhöhte Blutfette) sowie eine vergrösserte Prostata. Diese kann schon auf die Sexualfunktion Einfluss genommen und zu einer erektilen Dysfunktion geführt haben.

Wie hoch ist das Risiko, durch eine operative Entfernung der Prostata eine erektile Dysfunktion, also Erektionsstörungen, zu erleiden?

Es ist schwierig, hierzu konkrete Zahlen zu nennen. Grundsätzlich besteht dieses Risiko bei jeder Operation. Wie hoch es tatsächlich ist, hängt von vielen individuellen Faktoren ab, beispielsweise dem Alter des Patienten, der vorbestehenden Erektionsfähigkeit sowie der Grösse und der Ausdehnung des Tumors.

Die Erektion wird von Nerven und Gefässen gesteuert, die auf der Oberfläche der Prostata verlaufen. Technisch ist es möglich, die Prostata zu entfernen, ohne dieses Gewebe langfristig zu zerstören. Aber nicht in jedem Fall ist es onkologisch sinnvoll.

Wann wird entschieden, ob gefäss- und nervenschonend operiert wird?

Das gehört zu einem ausführlichen Beratungsgespräch vor der Operation. Die finale Entscheidung fällt aber nicht selten erst während der Operation. Wir können dann eine Gewebeprobe aus dem Randbereich der Prostata entnehmen, die sofort analysiert wird (sogenannter Schnellschnitt). Je nach Befund entscheidet dann der Operateur, wie viel er vom umliegenden Gewebe mitentfernen muss.

Kann die Erektionsstörung nach einer Prostataentfernung auch nur vorübergehend sein?

Ja, das kann der Fall sein, wenn gefäss- und nervenschonend operiert werden konnte. Während des Eingriffs werden die Nerven vielfach gereizt durch Zug, Druck und auch Wärme, weil wir Gefässe mit Strom veröden. Die Nerven können dann vorübergehend «beleidigt» sein und nicht richtig funktionieren. Die Regeneration kann auch einmal zwei bis vier Jahre dauern.

Hier heisst es aber: «use it or lose it». Man muss auch in dieser Zeit seine Schwellkörper regelmässig trainieren, wenn es mit der Erektionsfähigkeit klappen soll. Andernfalls verändert sich das Gewebe im Penis und eine Versteifung ist auch mit funktionstüchtigen Nerven nicht mehr zufriedenstellend möglich.

An wen können sich betroffene Männer nach der Operation wenden?

Jeder Operateur übernimmt mit dem Eingriff die Verantwortung für den Patienten. Wenn ein anderer Arzt – Urologe, Hausarzt etc. – die Nachsorge übernimmt, sollte er angesprochen werden.

Weil Sexualität beide Partner angeht, empfiehlt es sich, dass beide das Gespräch mit dem Arzt suchen. So kann er besser einschätzen, welche Hilfe die richtige ist.

Welche Möglichkeiten gibt es, die Erektionsfähigkeit wiederherzustellen?

Das Mittel der Wahl sind Potenzpillen. Sie verstärken die Reizübertragung in den Nerven. Damit sie wirken, muss das Nerven- und Gefässgewebe, das für die Erektionsfähigkeit verantwortlich ist, aber auch intakt sein.

Alternativ bieten sich die Vakuumpumpe und ein Penisring, Gel für die Harnröhre sowie die Schwellkörperselbstinjektion an. Vielen Männer gruselt es vor dem Gedanken, sich Medikamente in den Penis zu spritzen, aber es ist kaum schmerzhaft. Und die Potenzmittel wirken sehr zuverlässig.

Wann sollte die Therapie ansetzen, wie lange dauert sie für gewöhnlich?

Das ist unterschiedlich. Der Wunsch des Patienten entscheidet darüber. Wer sehr schnell seine Sexualfähigkeit wiederherstellen möchte, fängt eventuell schon vor der Operation an, potenzsteigernde Mittel zu nehmen. Es besteht somit die Hoffnung, dass die Regenerationszeit verkürzt werden kann, u. a. weil ein möglicher positiver Effekt auf die unwillkürlichen nächtlichen Erektionen vorliegt.

Andere Patienten wählen die tägliche Einnahme von Potenztabletten oder eine rein situative Supporttherapie. Da entscheiden die Bedürfnisse und der Wille des Patienten, wie Sexualität nach Prostatakrebs ausgelebt werden soll.

Kann durch die Therapie eine vollständige Erektionsfähigkeit wiedererlangt werden?

Die Erektionsfähigkeit ist nach der Operation nicht besser, als sie es zuvor gewesen ist. Aber mit der richtigen Therapie oder im besten Fall ohne Hilfsmittel kann man sehr nah an den vorherigen Zustand herankommen.

Wie verändert sich die Sexualität ausserdem?

Die Libido, also das Lustempfinden, ist per se nicht gestört. Die Ejakulation hingegen bleibt aus, weil der grösste Anteil der Samenflüssigkeit in der Prostata und den Samenblasen – beides wird bei der Operation entfernt – produziert wird. Trotzdem ist ein Orgasmus möglich, übrigens auch ohne vollständige Erektion.

Eine Erektionsstörung muss deshalb nicht in jedem Fall behandelt werden. Fraglich ist immer, welchen Stellenwert die Penetration in der Sexualität eines Paares hat. Und da gibt es eine grosse Varianz der Bedürfnisse.

Wie meinen Sie das?

Die meisten Männer mit Prostatakrebs sind über 55 Jahre alt. Bei entsprechendem Alter kann es auch beim Partner oder der Partnerin Veränderungen im Hinblick auf die Sexualität geben oder bereits vorliegen. Beispielsweise kann es durch die hormonelle Umstellung aufgrund der Wechseljahre zu Veränderungen bei der Frau z. B. durch vaginale Trockenheit etc. kommen. Somit verändert sich eventuell auch dadurch der Anspruch auf rein penetrativen Sex. Manuelle oder auch orale Praktiken können dabei stimulierende Alternativen bieten.

Vielen Dank für das Gespräch.
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