Pandemie am Bosporus: die Türkei in der Corona-Krise

Istanbul

Am 10. März wurde völlig unerwartet eine zweitägige Ausgangssperre für 31 Städte und Provinzen verkündet. Es folgte ein chaotischer Ansturm auf die Geschäfte, Innenminister Süleyman Soylu bot daraufhin seinen Rücktritt an. Die Corona-Krise hat die Türkei überrumpelt. Doch wie ist das Land generell aufgestellt?

Hier ein paar Hintergründe:

  • Politische Spaltung. Die regierende AKP hat vor allem im (ländlichen) Hinterland ihre Machtbasis, die Grossstädte im Westen und die Kurdengebiete im Osten werden weitestgehend von der Opposition regiert. Diese Spaltung erschwert ein koordiniertes Vorgehen in der Krise.
  • Fragile Wirtschaft. Die Türkei hat sich von der Rezession 2018 erholt, doch dabei stark verschuldet. Der Aufruf des Präsidenten an sein Volk, für den Staat zu spenden, weckt Zweifel an den finanziellen Möglichkeiten der Türkei zur Krisenbewältigung.
  • Internationale Spannungen. Im Osten des Landes gärt der Konflikt mit den Kurden, in Syrien liefert sich die Türkei einen Stellvertreterkrieg mit Russland und Iran, in der Flüchtlingskrise provoziert sie die EU. Die jüngsten Ereignisse haben einige Partner auf Abstand zur Türkei gehen lassen. Inwieweit diese Skepsis überwunden werden kann, muss sich erst noch zeigen.
  • Labiles Gesundheitssystem. In der Türkei kommen 1,75 Ärzte und 2,81 Krankenhausbetten auf 1’000 Einwohner, in der Schweiz sind es 4,24 Ärzte und 4,53 Betten. Bei einem massenhaften Anstieg an Krankheitsfällen könnte die medizinische Infrastruktur schnell überfordert sein.
  • Gutes Katastrophenmanagement. Die Türkei verfügt auch aufgrund diverser Erdbeben über ein erprobtes Krisenmanagement. Hier ruht ein Erfahrungsschatz, den viele europäische Länder nicht haben und von dem das Land in der Corona-Pandemie profitieren kann.
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