Palliative Care – Beitrag zu einem erfüllten Leben

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Handlungsbedarf besteht auch bei der Zusammenarbeit der verschiedenen Organisationen untereinander. Gleichzeitig erhöht ein einseitiger Fokus auf körperliche Störungen und medizinische Abklärungen die Wahrscheinlichkeit für eine Überbehandlung.

Diese oftmals ungenügende Betreuung von Sterbenden ist für ein Gesundheitswesen bezeichnend, das zunehmend einseitig marktwirtschaftlich ausgerichtet ist. Bei Schwerkranken und Sterbenden kann man oft medizintechnisch nichts mehr machen, mit einer Linderung der körperlichen Beschwerden, einer guten psychosozialen und spirituellen Betreuung aber noch sehr viel tun. Während das Gesundheitswesen mit Ersterem Geld verdient, kostet Letzteres fast nur. Das Gesundheitswesen stellt in der Folge für Palliative Care zu wenig Ressourcen zur Verfügung. Zugleich werden unsinnige medizinische Untersuchungen und Behandlungen, die den Sterbenden zusätzlich belasten, sehr wohl bezahlt.

Die verbreitete Fehlversorgung von sterbenden Menschen erscheint beispielhaft für eine einseitig auf Effizienz ausgerichtete Gesellschaft, in der Zeit Geld bedeutet. Denn bei Schwerkranken und Sterbenden verlangsamt sich die Zeit, bis sie im Tod dann ganz stillsteht. Bereits bei einer schweren Erkrankung entschleunigt sich das Leben des Kranken, der immer mehr aus dem Strom der Alltagshektik herausfällt. Palliative Care ist nicht hektische Intensivmedizin, sondern ein Fachgebiet, das von Langsamkeit bestimmt wird. Wer mit dem Schwerkranken und Sterbenden das letzte Stück seines Lebensweges mitgeht, wird selber langsam.

Eine gute Betreuung von Sterbenden braucht Zeit. Dabei geraten die medizinischen Fachkräfte und die Angehörigen, weil sie auch noch viele andere Aufgaben und Pflichten zu erfüllen haben, oft unter Zeitdruck. Dies führt dazu, dass die einzelnen Aufgaben bei der Begleitung und Betreuung von Sterbenden zunehmend auf viele Menschen verteilt werden und die Betreuung dadurch fragmentiert wird. Für den Sterbenden und seine Angehörigen wird es dadurch schwieriger, sich zu orientieren und sich selbstbestimmt zu verhalten.

Um Abhilfe zu schaffen, sollten Fachkräfte und Angehörige mehr Zeit und Raum für die Betreuung von unheilbar Kranken und Sterbenden erhalten, daheim, im Heim, im Spital und an ihrem Arbeitsplatz. In dieser von der Gesellschaft zur Verfügung gestellten Sorgezeit können sich Menschen nochmals anders verstehen, zum letzten Mal sich nahe sein und sich voneinander verabschieden, auch wenn es wehtut. Ein Sterben, das die Angehörigen auch positiv erlebt haben, trägt bei ihnen ebenso zur Zufriedenheit in ihrem weiteren Leben bei und wirkt sich auch präventiv auf psychische Erkrankungen aus.

Palliative Care ist weder effizient noch finanziell gewinnbringend. Es ist zeitaufwendig und menschlich lohnend – so wie erfülltes Leben überhaupt.


Dr. theol. Ruth Baumann-Hölzle

Ruth Baumann-Hölzle ist Mit­be­grün­de­rin und Lei­te­rin des «In­ter­dis­zi­pli­nä­ren In­sti­tuts für Ethik im Ge­sund­heits­we­sen» der Stif­tung Dia­log Ethik. Sie ist Ex­per­tin für Ethik in Or­ga­ni­sa­ti­on und Ge­sell­schaft.

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