Spoiler
- Frauen und Männer können Träger und Überträger des Virus sein. Oft, ohne es zu wissen.
- Eine Infektion mit HP-Viren kann zu Genitalwarzen, Zellveränderungen und später Krebs, wie etwa Gebärmutterhalskrebs führen. Nicht nur Frauen sind betroffen: Auch Männer können sich anstecken und Warzen oder Krebs entwickeln.
- Eine Übertragung ist durch engen Hautkontakt, etwa durch intensives Küssen oder Sex möglich.
- Eine HPV-Impfung schützt nachweislich vor Warzen und Krebs und gehört seit 2024 in der Schweiz zu den Basisimpfungen.
- Die Kosten der Impfung werden bis 26 übernommen.
Leidenschaftliches Küssen, Petting oder Sex in all seinen Facetten: Die sogenannten humanen Papilloma-Viren (HPV) verbreiten sich durch Haut- und Schleimhautkontakt und können sowohl Frauen als auch Männer befallen. «Ein Kondom, das zwar zur Verhinderung einer Schwangerschaft oder einer Ansteckung mit anderen Geschlechtskrankheiten sehr wirksam ist, bringt deshalb wenig, um sich vor einer Infektion mit HPV zu schützen», erklärt Dr. Frey Tirri. Viel wichtiger sei die HPV-Impfung für Mädchen und Jungen, führt sie aus.
HPV in Zahlen
- Zurzeit sind über 200 verschiedene HPV-Typen bekannt.
- Mehr als 25’000 Frauen erkranken jährlich in der Schweiz an Genitalwarzen, die durch HPV verursacht wurden.
- Laut der Krebsliga Schweiz erkranken jedes Jahr über 250 Frauen an Gebärmutterhalskrebs. 80 von ihnen sterben daran.
- Bei 3’000 Frauen müssen jährlich bestimmte Vorstufen oder Frühformen von Gebärmutterhalskrebs operiert werden. Dieser Eingriff, die sogenannte Konisation, kann zu Problemen in der Schwangerschaft oder zu Frühgeburten führen.
- Rund 1’200 Menschen in der Schweiz erkranken an Krebs in der Mundhöhle oder des Rachens. Die meisten von ihnen sind Männer. Eine der Hauptursachen ist eine Infektion mit HP-Viren.
(Die Zahlen stammen von der Krebsliga Schweiz und von https://www.msd-gesundheit.ch/de/hpv-info)
Zwischen harmlos und gefährlich
Die meisten HPV-Infektionen sind symptomlos und heilen innerhalb von wenigen Monaten ab. Betroffene wissen vielfach nicht, dass sie sich angesteckt haben, und tragen so das Virus weiter, wenn sie die Geschlechtspartnerin oder den Geschlechtspartner wechseln.
Es gibt zahlreiche unterschiedliche Typen von HP-Viren, die entweder die Haut oder die Schleimhäute befallen können. «Viele Typen sind harmlos, einige Arten führen allerdings zu Genitalwarzen, den sogenannten Kondylomen. Dabei handelt es sich um kleine Knötchen im Genital- und Analbereich, die sehr unangenehm sein können.
Hochrisiko-Virustypen können Gewebeveränderungen (Dysplasien) verursachen, aus denen sich in seltenen Fällen bestimmte Krebsarten wie Gebärmutterhals-, Penis- oder Analkrebs entwickeln können», so die Ärztin. Abhängig von der sexuellen Praxis kann das Virus auch in den Hals- und Rachenbereich gelangen und dort Krebs auslösen. Von der Ansteckung bis zur Entstehung von Krebs dauert es im Schnitt zirka zehn Jahre.
«Allerdings führt eine Infektion mit HPV nur bei einem kleinen Prozentsatz zu einer schweren Erkrankung», beruhigt Dr. Frey Tirri. Und nicht aus jeder Zellveränderung entwickelt sich zwingend Krebs. Oft heilen diese sogar spontan ab.» Das Immunsystem spielt dabei eine wichtige Rolle: Ist dieses kräftig genug, kann es die Viren besser in Schach halten und die Infektion verschwindet, oft sogar ohne dass es zu einer Zellveränderung kommt. Aus diesem Grund sind Menschen mit geschwächten Abwehrkräften auch anfälliger für ausgeprägtere Formen einer HPV-Infektion.
Wenn HPV zu Krebs führt
Besonders eindrücklich ist der Zusammenhang zwischen Krebs und einer HPV-Infektion beim Gebärmutterhalskrebs: Laut dem BAG-Bulletin vom 15. Januar 2024 sind 100 Prozent der Fälle auf den Kontakt mit einem Hochrisiko-HPV-Typ zurückzuführen. Beim Analkrebs sind 87 Prozent der Fälle HPV-assoziiert und beim Penis-Krebs 29 Prozent.
Durch die HPV-Impfung kann das Risiko massiv gesenkt werden.
HPV-Impfung: wirksam und sicher
Mitte der 1990er-Jahre hat man erkannt, dass eine fortbestehende HPV-Infektion eine Hauptursache für die Entstehung von Gebärmutterhalskrebs ist. «In den Industrieländern ist das die häufigste durch HPV ausgelöste Krebsart. Deshalb wurde die Impfung zu Beginn nur für Mädchen und junge Frauen empfohlen. Durch den aktuellen Impfstoff kann dieser Krebs um 90 Prozent reduziert werden. Später hat man entdeckt, dass eine andauernde HPV-Infektion auch zu anderen Krebsarten führen kann», so die Medizinerin. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich die Krebsrate weiter senken lässt, wenn auch Buben und junge Männer geimpft werden, da sie so das Virus nicht an ihre Partnerin weitergeben. «Man hat sich erhofft, dass bei genügender Impfbeteiligung der jungen Frauen es nicht nötig ist, die Knaben zu impfen. Die Impfbeteiligung blieb jedoch unter 80 Prozent, dem vom BAG vorgegebenen Ziel. Auch würden homosexuelle Männer nicht davon profitieren», erklärt Dr. Frey Tirri. Seit Januar 2024 gehört die HPV-Impfung deshalb zu den Basisimpfungen für Mädchen und Jungen von 11–14-jährig und zur ergänzenden Impfung für alle bis 26 Jahre. Am besten wirkt die Impfung, wenn sie noch vor den ersten sexuellen Erfahrungen verabreicht wurde, sie ist allerdings auch danach noch sinnvoll und wird derzeit bis und mit dem 26. Geburtstag von der Krankenkasse bezahlt. Zahlreiche Studien belegen einen sehr hohen Impfschutz.
«Ausserdem haben Daten gezeigt, dass Patientinnen und Patienten nach Operationen von Krebsvorstufen am Gebärmutterhals von einer nachträglichen Impfung profitieren, da dadurch das Risiko für die Entstehung neuer Zellveränderungen verringert wird», so Dr. Frey Tirri.
Die Nebenwirkungen der HPV-Impfung sind gering. Die Symptome lassen sich mit jenen anderer Schutzimpfungen vergleichen: Rötungen, Schwellungen oder Schmerzen an der Einstichstelle sowie leichtes Fieber, Kopfweh oder Übelkeit einige Tage nach der Verabreichung.
Impfquote steigt
«Zurzeit bin ich mit der Impfquote noch nicht zufrieden. Unser Ziel ist eine landesweite Quote der Adoleszenten von mindestens 80 Prozent. Diese Zahl wurde in vielen Kantonen noch nicht erreicht» so die Medizinerin. Doch die Quote steigt langsam und stetig, trotz der durch die Pandemie ausgelösten kontroversen Diskussionen um Impfungen im Allgemeinen. «Es ist die erste Impfung, die so wirksam einen Krebs verhindert», betont Dr. Frey Tirri. «Klar könnte man sagen, dass das Krebsrisiko nach einer Ansteckung relativ gering ist, und wir eine gute Vorsorge haben, doch niemand möchte dann tatsächlich Feigwarzen oder einen Tumor entwickeln.»
Um stärker auf das Thema der HPV-Infektion und deren möglichen Folgen sowie auf den Nutzen der Impfung aufmerksam zu machen wurde 2022 die HPV-Alliance gegründet. «Als zentrale Kooperations- und Koordinations-Plattform sensibilisiert sie die Bevölkerung und Fachleute zu diesem Thema. Sie sieht sich als Brückenbauende zwischen den verschiedenen Akteuren und unterstützt Projekte», sagt Dr. Frey Tirri.
HPV-Impfung und wie weiter?
Regelmässige Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung bei der gynäkologischen Vorsorge, wie etwa der PAP-Abstrich, sollten trotz der Impfung nicht vernachlässigt werden. «Der Abstrich sollte ab einem Alter von 21 alle drei Jahre bis zum 70. Lebensjahr vorgenommen werden. Bei auffälligen Befunden werden die Intervalle jedoch verkürzt oder direkt eine Therapie eingeleitet», erklärt die Medizinerin.
In vielen Ländern Europas gibt es statt dieser Vorsorgeuntersuchung spezifische HPV-Tests für Frauen ab 30 Jahren. «Dieser Test überprüft, ob eine Frau mit HP-Viren infiziert ist, und ob es sich um Hoch- oder Niedrigrisiko-Typen handelt. Mit diesem Test werden Krebsvorstufen und Krebs besser erkannt» sagt Dr. Frey Tirri.
In der Schweiz ist der HPV-Test für Frauen ab 30 Jahren als primärer Test in der Vorsorge momentan noch keine Krankenkassenleistung und kostet etwa 180 Franken.
Die Krebsliga Schweiz, die Arbeitsgemeinschaft für Kolposkopie und Zervixpathologie der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe und die HPV-Allianz sind nun daran, einen Antrag zur Kostenübernahme dieses HPV-Tests beim BAG zu stellen.