«Jetzt habe ich eine zweite Chance»

Aus einer schweren Krise zieht Marion Lottko* heute eine beruhigende Erkenntnis

Auf einem schweren Weg scheint die Zeit oft still zu stehen. Kaum vorstellbar ist es dann, jemals wieder aus der Krise herauszufinden. Zum Glück bleibt dies oft nur eine Momentaufnahme im Gesamtbild eines Lebens. «Ich bin erstaunt wie schnell man vergessen kann», sagt Marion Lottko* eineinhalb Jahre nachdem bei ihr Brustkrebs diagnostiziert wurde. «Für mich fühlt es sich an, als sei das schon sehr lange her. Auch wenn ich noch nicht wieder ganz so belastbar bin wie früher: Generell bin ich sehr glücklich, dass ich alles gut überstanden habe und wieder ganz gesund bin.»

«Ich sah eine kleine Delle»

Es war damals kurz vor Weihnachten, Marion Lottko wollte gerade duschen. Doch als sie sich im Bad umdrehte und dabei in den Spiegel schaute, war da etwas, das sie irritierte: «Auf der linken Brustseite sah ich eine kleine Delle. Keine Beule, sondern eine Einbuchtung. Aber ich hatte einfach gerade keine Zeit, zum Arzt zu gehen, verschob es immer wieder. Im März ging ich dann zu meiner Frauenärztin. Sie sagt gleich, dass da etwas nicht stimmt. Die Mammographie am selben Tag ergab kein klares Ergebnis. Erst nach Erhalt der Biopsieergebnisse war klar, dass es mehrere bösartige Tumore waren.» Natürlich war es ein Schock für die verheiratete Notariatsassistentin: «Ich hatte das überhaupt nicht erwartet, weil es in unsere Familie noch nie Brustkrebs gegeben hatte.»

«Grübeln zermürbt nur»

Schon drei Wochen nach ihrem Arztbesuch wurde Marion Lottko im Spital operiert. «Ich ging die Dinge schon immer pragmatisch an, schiebe nichts gern hinaus», erklärt sie. «Natürlich habe ich viel darüber gelesen. Ich wollte schon wissen, was auf mich zukommt, damit ich damit umgehen kann.» Oft wendet man in einer existentiellen Krise ähnliche Strategien an, wie schon früher im Leben: «Ich versuche immer aus allem das Positive zu ziehen. Es bringt nichts, wenn man grübelt und sich die Frage nach dem Warum stellt. Das zermürbt nur.»

Vor der Operation besprachen die Ärzte mit ihrer Patientin alle Möglichkeiten der Brustentfernung und Brustrekonstruktion. «Gemeinsam entschieden wir uns für die Brustentfernung mit Erhalt der Haut, aber Verkleinerung des Hautmantels», erklärt Dr. Nik Hauser, Chefarzt der Frauenklinik am Kantonsspital Baden und Leiter des zertifizierten Brustzentrums. «Die Brustwarze wurde aus Sicherheitsgründen mit entfernt und alles Drüsengewebe hinter der Brustwarze auch. Die Brustwarze wurde dann als dünnes Hauttransplantat wieder zurücktransplantiert. Es erfolgte gleichzeitig die sofortige Rekonstruktion mit einem Silikonimplantat.» Auch wenn alles ohne Komplikationen für Marion Lottko ablief: «Es war natürlich trotzdem ein Einschnitt für mich. Das Gefühl ist nicht mehr dasselbe…», erklärt sie.

«Es ging mir hundeelend»

Doch als Krise beschreibt sie eine Phase, die erst nach der Operation kam: «Die schlimmste Zeit war die in der Mitte der Chemotherapie.» Eine Infektion nahm ihr alle Kräfte. «Auf gut Deutsch gesagt, ging es mir hundeelend. Das war der einzige Moment, in dem ich gesagt habe: Wenn ich jetzt sterben müsste, dann ist es einfach so, mir ist es jetzt egal», sagt sie heute lachend. Es war eine Grenzerfahrung, die ihre Sicht auf das Ende des Lebens veränderte: «Was ich daraus für mich ziehe, ist jetzt tröstlich: Wenn man einmal sterben muss – und ich lebe wirklich sehr gern – dann wird man sehr, sehr müde sein. Es ist dann gar nicht mehr so schlimm, zu gehen.»

Von der letzten Chemotherapie vor einem knappen Jahr hat sie sich wieder gut erholt. Nur sportlich ist sie noch nicht wieder ganz so belastbar wie früher. Nach der Chemotherapie begann die Antihormontherapie, mindestens fünf Jahre wird sie dauern. Nur anfangs gab es ein paar Schwierigkeiten, im Gewebe sammelte sich Wasser an. «Jetzt sind es wohl auch die Wechseljahre, die mir zu schaffen machen. Meine Schleimhäute sind sehr, sehr trocken. Und ich habe drei, vier Kilo zugenommen. Damit kämpfe ich ein bisschen. Ich will wieder schlank sein. Für mich gehört nun mal zur Lebensqualität, dass ich mich in meinem Körper wohl fühle.»

«Das Ergebnis ist sehr schön»

Der Wohlfühlfaktor war durchaus ein wichtiger Grund für Marion Lottkos Entscheidung, die rechte Brust auch operieren zu lassen. Einerseits vorbeugend, aber auch aus optischen Gründen. Ihre linke Brust war ja nun kleiner als die rechte. «Die Brüste sahen einfach nicht gleich aus, ich hatte ja eine relativ große Oberweite. Aber jetzt mit dem Silikon ist wieder alles am richtigen Platz. Das Ergebnis ist wirklich sehr schön», freut sie sich. Mit ruhiger, fester Stimme fasst Marion Lottko ihre Erfahrungen mit dem Brustkrebs zusammen. «Heute sehe ich das so: Ich habe eine zweite Chance. Ich lebe viel intensiver, bin fast mehr unterwegs als vorher. Mir ist jetzt bewusster, dass meine Zeit hier nicht endlos ist.»

* Name von der Redaktion geändert

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