In aller Freundschaft

«Kitsch as kitsch can»

In aller Freundschaft

Ich wusste es: Der Tag würde kommen. Der Tag, an dem ich mich mit den Abgründen des deutschen Fernsehens würde beschäftigen müssen. Mit einem Faszinosum mit Einschaltquoten von bis zu 5,7 Millionen Zuschauern, seit 1998 mittlerweile bald 900 Episoden und drei Ablegern (neudeutsch «Spin-offs», nämlich «In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte», «In aller Freundschaft – Nachts in der Sachsenklinik» und «In aller Freundschaft – Die Krankenschwestern»). Mit einer Serie, bei der ich mir in Sorge um das Deutschlandbild immer wieder dachte: Hoffentlich bleibt kein Tourist beim Durchzappen in seinem Hotelzimmer versehentlich darauf hängen! Einer TV-Produktion, die vergleichsweise selbst südamerikanische Telenovelas in den Rang einer Emmy-prämierten Show erhebt.

In aller Freundschaft: Kitsch aus dem Osten

Das Konzept der in den achtziger Jahren so erfolgreichen «Schwarzwaldklinik» wurde nach der Wiedervereinigung kurzerhand in den Osten Deutschlands verlegt. Auch die Rollen in der Serie sind häufig mit Schauspielern besetzt, die sich bereits beim Publikum der ehemaligen DDR grosser Beliebtheit erfreuten. Ort des Geschehens ist die fiktive Sachsenklinik in Leipzig. Nichtsdestotrotz wird hier nicht gesächselt, auch wenn dies der einen oder anderen Figur mehr Glaubwürdigkeit und Charme verliehen hätte.

Karrieren vom Pfleger zum Arzt

In der heilen Welt des Leipziger Krankenhauses sind Schwestern und Ärzte nicht nur untereinander befreundet, sondern auch miteinander verbandelt. Alle handeln nach bestem Wissen und Gewissen und natürlich ausschliesslich im Interesse der Schwachen und Kranken. Ehrlichkeit und Fleiss lohnen sich und befördern selbst den Pfleger zum Arzt. Und natürlich geht am Ende immer alles gut aus. Allein eine überpedantische Verwaltungsdirektorin und ein griesgrämiger und zynischer Dr. Kaminski reichen als Würze dieser faden Suppe jedoch nicht aus.

Notaufnahme, Ärztezimmer und Cafeteria bilden den Rahmen, die Schicksale und Gefühle der handelnden Personen die Handlung der Serie: Freundschaften, Affären, Intrigen und die obligatorischen Genderthemen, dazu mehr oder weniger exotische Krankheitsbilder.

Auf einen Blick

Anspruchslose Abendunterhaltung zum Fremdschämen für das Musikantenstad’l-Publikum. Das Drehbuch: unsäglich und realitätsfern. Die Schauspieler könnten nahtlos in jeder Doku-Soap mitwirken. Am Schlimmsten: die Kulisse. Das Ganze wirkt nicht nur wie in einem lieblos ausgestatteten Studio gedreht – es ist es auch. Und der Klinikalltag: Weiter weg von der Realität geht kaum.

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myHEALTH Team

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