«Ich freue mich immer, wenn es anders kommt.»

Ralph Caspers über Kinderfernsehen, sein Führungszeugnis und den Traum von einer Patisserie

Ralph Caspers

Um Ihre Kindheit ranken sich verschiedene Geschichten. Stimmt es, dass Sie auf Borneo geboren und in Südamerika aufgewachsen sind?

Keine Ahnung, ich kann mich nicht daran erinnern. Aber meine Mutter erzählt mir das immer und man soll ja seinen Eltern glauben.

Wie haben Sie sich als Kind Wissen angeeignet?

Ich war gar kein so übermässig wissbegieriges Kind. Wenn ich etwas nicht wusste, habe ich nachgefragt und dann wurde mir gesagt, wo ich es nachschlagen kann. Aber besonders auffällig war ich da nicht. Ich wollte nicht immer irgendwas wissen.

Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Schulzeit?

Ich fand die Schule schön. Schön langweilig. Die Schulzeit insgesamt hat mir schon gefallen, aber das lag nicht so sehr an der Schule, sondern weil ich dort alle meine Freunde treffen konnte. Der Unterricht selbst war eher so ein notwendiges Übel, das man eben mitmachen muss. Umgekehrt war ich aber auch ein unauffälliger Schüler.

Sie betonen, dass Sie als Kind eher unauffällig waren. Wann sind Sie denn auffällig geworden?

Mein polizeiliches Führungszeugnis ist okay, also so auffällig bin ich gar nicht. Aber das ist ja immer so ein Problem mit der Selbst- und der Fremdwahrnehmung. Ich zum Beispiel finde mich auch heute noch sehr unauffällig.

Kürzlich fielen Sie auf, als Sie erklärten, an Skype-Konferenzen auch mal ohne Hose teilzunehmen. Wollten Sie damit bewusst provozieren?

Ich empfinde das gar nicht als so provokant. Ganz im Gegenteil, ich bemerkte bei meinen Vorträgen immer wieder, dass, wenn ich gewisse Themen anspreche, so ein Aufatmen durch die Menge geht, als würden die Leute denken: «Endlich sagt es mal jemand!» Und dass man im Homeoffice auch mal die Hose weglässt, ist ja nun wahrscheinlich doch recht verbreitet.

Ungewöhnlich ist zumindest Ihre Laufbahn: Zivildienst in der Pathologie, erste Arbeit im Schlachtbetrieb: Hat Sie in Ihrer Jugend das Morbide fasziniert?

Nicht nur in meiner Jugend! Als Kind habe ich mich auf Familienfeiern manchmal gelangweilt und dann in der Bibliothek meines Onkels gestöbert. Dabei habe ich die Kurzgeschichten von Edgar Allen Poe kennengelernt. Die haben mich von der Langeweile abgelenkt und sind hängengeblieben. Seitdem finde ich Grusel toll. Ich mag auch Achterbahnen: Man übt sich darin, Angst zu haben und Panik zu erleben.

Und wie hat es Sie zum Kinderfernsehen verschlagen?

Ich habe immer das gemacht, was mir Spass gemacht hat. Zum Fernsehen bin ich eher durch Zufall gekommen. Ob für Kinder oder Erwachsene – im Grunde ist es immer Ralph-Fernsehen: Ich mache alles so, dass ich es mir selbst angucken würde. Denn wenn es mir keinen Spass macht, stehen die Chancen schlecht, dass es sich jemand anderes ansehen möchte.

Was interessiert Sie am Fernsehen?

Ich finde es toll, wenn ich mir alles Mögliche für zum Beispiel «Wissen macht Ah!» ausdenken kann und die Redakteurin sagt: «Ja, mach mal.» Das sind luxuriöse Arbeitsbedingungen. Und wenn das Ergebnis auch noch anderen gefällt – umso besser!

Schauen Ihre Kinder Ihre Sendungen?

Die durften jahrelang sogar nur Sendungen anschauen, in denen ich zu sehen war. Da waren wir streng.

Im Ernst?

Sehr.

Was muss eine Fernsehsendung haben, um pädagogisch wertvoll zu sein?

Wenn ich das wüsste! Mit Pädagogik und Didaktik habe ich mich nie so richtig beschäftigt. Ich mache meine Sendungen immer aus dem Bauch heraus. Ich denke, es sollte einfach nicht langweilig sein. Fernsehen ist ja ein Unterhaltungsmedium, also muss es auch unterhalten.

Muss man, um im Kinderfernsehen zu überzeugen, selbst Kind bleiben?

Nein, das denke ich nicht. Man sollte man selbst bleiben, sonst wirkt man sehr seltsam. Bei sich selbst zu bleiben, ist nicht nur im Fernsehen wichtig. Das gilt auch in allen anderen Bereichen des Lebens.

Fällt es schwer, nach 20 Jahren immer noch spannende Themen zu finden?

Nein, die Welt ist voll von interessanten Themen. Wenn man einmal angefangen hat, die Augen offen zu halten, entdeckt man in jeder Ecke neue Sachen. Das Neue und Interessante fliegt einem geradewegs zu.

Ein leidenschaftlicher Klugscheisser

Ralph Caspers könnte auf Borneo geboren und am Amazonas aufgewachsen sein. Seit 1999 moderiert er «Die Sendung mit der Maus», seit 2001 auch «Wissen macht Ah!». Seit 2010 ausserdem die Sendung «Quarks», zu der auch Mai Thi Nguyen-Kim gehört. 2019 wurde der selbsterklärte «leidenschaftliche Klugscheisser» für sein pädagogisches Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Wie viel Fernsehen ist für Kinder gut?

Das kommt ganz auf das Kind drauf an. Peter Lustig, der die Sendung «Löwenzahn» gemacht hat, sagte mir mal: «Fernsehen macht kluge Leute klüger und dumme Leute dümmer.» Manch einer kann also gar nicht genug schauen und andere sollten lieber etwas weniger schauen.

Immer mehr Kinder holen ihre Infos aus dem Netz. Hat Kinderfernsehen noch eine Zukunft?

Über kurz oder lang – wahrscheinlich über lang – wird der Fernseher sicher von einem anderen Bildschirm abgelöst werden. Die Form wird sich ändern, die Grundidee aber kaum. Es wird immer einen Bedarf dafür geben, dass jemand anderen einen Teil der Welt verständlich erklärt.

Haben Sie manchmal daran gedacht, etwas ganz anderes zu machen?

Ich könnte mir vorstellen, einmal eine Patisserie oder einen Schreibwarenladen aufzumachen. Aber das sind eher vage Vorstellungen. Ich habe in meinem Berufsleben nie etwas geplant. Umso glücklicher bin ich mit dem, was ich derzeit mache. Aber wer weiss, wie lange das gutgeht.

Schauen Sie da nicht ein wenig zu düster in die Zukunft?

Es gibt viele Unwägbarkeiten. Jemand Neues im Sender, der meine Brille nicht mehr sehen kann – und das war’s. Wer weiss schon, was passieren kann! Ich bin ein pessimistischer Optimist. Ich gehe vom Schlimmsten aus und freue mich, wenn es anders kommt.

Vielen Dank für das Gespräch.

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